Lettlands Erdbeerhauptstadt
Frühjahrszeit - Erdbeerzeit! Auch in Lettland sind Erdbeeren beliebt. Inzwischen gibt es 377 Betriebe, die auf insgesamt 365 ha Erdbeeren anbauen (andere Quellen sprechen auch von bis zu 5oo ha). Ein Drittel der Erdbeerbauern haben nur bis zu einem Hektar Fläche, die drei größten sind "Sprogas" in Alūksne, "Ūziņi" in Dobele, und vor allem "Mālpils ZemeNes" (IR)
"Erdbeeranbau - keine Arbeit, sondern unsere Lebensart" behauptet ausgerechnet "Mālpils ZemeNes" der größte "Erdbeergigant" in Mālpils, einem Städtchen mit nur knapp 2.000 Einwohner/innen und stark rückläufiger Bevölkerungszahl. Der Ort bemüht sich offenbar um die Pflege von Mythen und Sagen. Zur Herkunft des Ortsnamens gibt es zwei Lager: die einen leiten es von der früheren deutschen Bezeichnung her: Lemburg (Lehm = māl, Burg = pils). Andere erkennen eher den Namen eines Stammeshäutlings der in alter Zeit hier siedelnden Liven: "Lembit" + "urga" (= "virsaiša upīte", "Flüsschen des Häuptlings").
Aufgefrischte Vergangenheit
Der ehemalige Gutsherr Gustav Wilhelm von Taube (1715-1775) soll hier am Ort sehr streng mit den leibeigenen Bauern umgegangen sein (geschildert in der Lokalzeitung "Mālpils Vēstis"): um Teiche auszuheben, mussten alle, auch Frauen mit kleinen Kindern, mitarbeiten - und der Gutsherr habe mit einsatzbereiter Peitsche immer daneben gestanden. Da solche Verhältnisse manche an Sträflingsarbeit in Sibirien erinnerten, seien die Gutsgewässer auch "sibirische Teiche" genannt worden. Das Ergebnis wird heute von "Latvia Travel" als "romantischer Schlosspark im Barock-Stil mit Spazierwegen" beworben.
Nachdem das eigentliche Gutshaus 1905 niedergebrannt worden war (nur einige Mauern blieben erhalten), wurde es im klassizistischen Stil nach Plänen des bekannten Architekten Wilhelm Bockslaff umgestaltet und wieder aufgebaut. Heute findet sich hier ein 2008 neu eingeweihtes und für 3 Millionen Euro zum Hotel ausgebautes Gutshaus ("Mālpils muiža"), das E-Bikes und Boote verleiht und sich anbietet, Hochzeiten und andere Familienfeiern dort auszurichten (building). Millionär Aldis Plaude schenkte das fertige Hotel 2008 seiner Tochter - die gleichzeitig Angestellte in Papas Immobilenunternehmen "Vestabalt" ist. "50km von Riga entfernt - das ist nah genug um hier mal für ein fantastisches Abendessen hinzufahren", hoffte die neue Chefin bei der Eröffnung (apollo). Von ursprünglich einmal 38 zum Gutshof gehörenden Gebäuden sind heute noch 18 erhalten.
![]() |
Erdbeer-Fest in Mālpils |
Auch Käse wird in Mālpils hergestellt (Mālpils siers). Aber die Mālpils-Erdbeerbauern steigen in den Wettbewerb um das "schönste Haus am Platze" ein und ernennen sich jetzt selbst zum "Zemeņu muiža" ("Erdbeerhof"). "Alles rund um die Erdbeere ist uns heilig", heißt es auf der Webseite.
Anbauflächen wachsen
Denn die Aussichten sind gut. Ginta und Andris Apsītis, Eigentümer von "Mālpils ZemeNes", arbeiten jetzt schon 30 Jahre mit Erdbeeren. Am Anfang habe man auch Getreide und Schweinezucht ausprobiert, heißt es, aber "Früchte bringen den meisten Gewinn" ("IR"). Nun wurde ein altes Schulgebäude im Ortsteil Sidgunda zum "Erdbeerzentrum" gemacht (ok, auch Quitten werden noch geerntet), und die Anbaufläche ist auf über 25ha angewachsen. Alle Erdbeeren wachsen auf offenem Feld - das macht es manchmal schwierig, mit Konkurrenzprodukten vor allem aus Polen und Griechenland mitzuhalten, berichten die Betreiber. Für 2025 zum Beispiel hieß es, viel Niederschlag habe einige Felder der Erdbeerbauern überschwemmt, so berichtet Agronom Guntars Dzērve der lettischen Presse (LA).
In Mālpils werden die ersten eigenen Erdbeeren rund um den 15. Juni erwartet. 150-200 Tonnen erntet der Betrieb des Ehepaars Apsītis pro Jahr. Erdbeeren werden in Lettland meist frisch gekauft, berichten sie. Erdbeer-Marmelade werde seltener gekauft, eher würden Verbraucher/innen die Beeren für den Winter einfrieren. "Letten sind große Erdbeerliebhaber!" freut sich der Firmenchef - die Nachfrage sei viel größer als das Angebot, daher werde auch so viel importiert. Die Pflanzen werden auch aus Deutschland gekauft, die meist angebauten Sorten seien Āzija, Sonsation oder Malvīne.Fehlende Arbeitskraft
Eine immer wiederkehrende Schwierigkeit ist offenbar die Anwerbung von genügend Erntehelfern und anderen Mitarbeiter/innen - denn die Ernte dauere nur zwei Monate, aber alle suchen natürlich nach stabilen Einkünften das ganze Jahr über. Daher habe man auch schon in der Ukraine und in Kasachstan um Arbeitskräfte geworben. Gegenwärtig seien etwa die Hälfte der Arbeiter/innen Einheimische, die andere - dafür wird der Begriff verwendet, der in Deutschland inzwischen nur noch ungern angewandt wird: "viesstrādnieki" (Gastarbeiter).
Bei "Augusta Zemenes", ebenfalls mit Sitz in Lettlands "Erdbeerhauptstadt" Mālpils, wird vor allem auf Werbung auf digitalem Wege gesetzt - mit selbstgedrehten Videos regelmäßig via "Facebook" und "Tiktok". (IR) Guntars Dzērve und seine Frau Iveta können inzwischen auf acht Jahre Erfahrung mit Erdbeeranbau zurückblicken. Beide haben auch ein Theraapiezentrum mit Pferden aufgebaut (Zirgu asistētas mācīšanās un terapijas centrs). Und so kommt es, dass sogar Touren "mit Pferden und Erdbeeren" angeboten werden. Dauer: 90 Minuten. "Wir lernen die Sprache der Pferde", heißt es hier, und als Zugabe gibt es "Geheimnisse der Erdbeerschule".Tagsüber um die 20 Grad, aber nachts nicht unter 10 Grad - dass seien ideale Bedingungen für den Erdbeeranbau in Lettland, so Guntars Dzērve. Er baut gerne die Sorten Favori, Murano und Aurora Karima an, die Setzlinge kommen immer im Frühjahr aus Deutschland und den Niederlanden. "Die Pflanzen überwintern hier nicht, das funktioniert nicht", meint er.
Plan A, B und C
Von 25 Arbeiterinnen und Arbeitern beim Erdbeerbauern "Lubeco" in Ārlava (zwischen Roja und Talsi) stammen 90% aus dem Ausland, aus Usbekistan und sogar aus Indien (IR) Und auch hier sind als zweite Frucht Quitten (lettisch "Cidonija") zu finden. Eigentlich wollten die Eigentümer auch hier nur einheimische Kräfte beschäftigen. "Aber dann hatten wir 4 ha, alles rot, und keinen der es erntet", berichten sie. (IR) Rumba, Sonata, Falco, Parlando und Opera sind hier die bevorzugten Erdbeersorten. Wie bei vielen anderen Betrieben auch, wird inzwischen nicht mehr auf offenen Feldern, sondern unter Plastikfolien angebaut (Tunnel). So können schon Ende Mai die ersten lettischen Erdbeeren verkauft werden. 2024 habe man die ersten eigenen Erdbeeren für 10 Euro pro Kilo verkaufen können. "Lubeco"-Dhef Dzintars Silgals konnte seine Erdbeeren auch schon in den lettischen Läden der "Lidl"-Kette platzieren. Er hatte es erst in der Forstwirtschaft, dann als IT-Spezialist bei "Samsung Baltic" versucht. Der Erdbeerbetrieb biete ihm aber nun die Möglichkeit, immer mit der Familie zusammen zu sein, meint er.
"Und man braucht immer auch Plan B und Plan C für dieses Business," sagt er. Auch die Produktion von Säften und Sirup wird ins Auge gefasst, und auf abgeernteten Erdbeerfeldern wachsen hier Wassermelonen. "Wir werden dann sehen, was sich am meisten auszahlt", meint er. Seit 2020 hat sich in Lettland der durchschnittliche Verkaufspreis für das Kilo Erdbeeren fast verdoppelt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen