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Pläne für ein U-bahn Netz für Riga - beerdigt zusammen mit dem Sowjetsystem |
Rīgas metro - das war das Stichwort in den 1980iger Jahren, als die lettische Unabhängigkeitsbewegung auch mit Umweltthemen punkten konnte. Nun kommt es vielleicht erneut auf die politische Tagesordnung.
Wenn es nach den Sowjetbehörden gegangen wäre, war in den 1980iger Jahren eigentlich alles schon in Planung: drei Ubahn-Linien sollten es werden, 33 Haltestationen. Zielsetzung war damals, jede sowjetische Millionenstadt solle eine U-bahn bekommen - zwar hatte Riga diese Einwohnerzahl noch nicht erreicht, aber der prozentuale Anteil von Nutzern des Öffentichen Personennahverkehrs (ÖPNV) war sehr hoch. Das Moskauer Institut "Metrogiprotrans" übernahm die Planungen, und schon 1981 waren die ersten Pläne fertig. Schließlich wurde dann der Baubeginn auf 1990 festgesetzt.
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eine der Planzeichnungen der 1980iger Jahre |
Das Projekt - unter Planern auch gern "metropolitēns" genannt, war eines der heißen Themen der Protestbewegung der 1980iger Jahre: einerseits wäre es mit geschätzten 25 Millionen Rubel pro km das teuerste Ubahn-Projekt der gesamten Sowjetunion geworden, andererseits beförderte es die lettischen Ängste zu "Fremden im eigenen Land" zu werden, denn für dieses Großprojekt wären erneut Tausende von Arbeitern aus anderen Sowjetstaaten herangezogen worden.
Wie eine
Information der Stadt Riga besagt, existieren bis heute noch einige der zwischen
1979 und 1988 im Rahmen von Voruntersuchungen für den U-Bahnbau
angelegten 100 Löcher für Probebohrungen (Löcher von 10-20cm
Durchmesser).
Eines der Hauptargumente der Gegner war auch die Sorge um die Fundamente der Altstadt und der historischen Gebäude: hoher Grundwasserstand und viel instabiler Untergrund. Journalistin und Politikwissenschaftlerin
Oksana Antoņenko bedauert es zwei Jahrzehnte später, dass leider die "Metro" nicht verwirklicht wurde. Weder der Grundwasserstand sei ein starkes Gegenargument (auch in St.Petersburg herrschen ähnliche Verhältnisse), noch die damals ebenfalls zu vernehmende Ansicht, eine U-bahn sei eine "veraltete Technik". 1988 richtete der lettische "Umweltschutzklub" (
Vides Aizsarbzības Klubs - VAK) große Anti-Metro-Demonstrationen aus, die wegen Beschränkungen in der Innenstadt den Park Arkādija als Versammlungsort hatten. Ermutigt wurden die Aktivisten auch durch den Beschluß der sowjetelettischen Behörden vom November 1987, die weitere Aufstauung der Daugava zu beenden - und somit das obere Daugavatal unverändert zu belassen. Der Spruch "Das System hat immer Recht" stand nicht mehr unwidersprochen, und viele fassten Mut für ihre Meinung auf öffentlich einzustehen.
"Die meisten bauten damals auf eine Welle des Patriotismus, weniger auf Sachverstand", so sieht es
Oksana Antoņenko. "Die Metro-Gegner haben damals allen Fachleuten aus Moskau die Kompetenz abgestritten. Nach den Anti-Metro-Protesten wurde beschlossen, nur noch einheimische Fachleute aus Lettland einzusetzen - die aber keine Erfahrung mit ähnlichen Projekten hatten. Von diesen hieß es dann kurz danach, der U-bahnbau sei sowohl wirtschaftlich wie technisch sinnlos. Das Ende von 12 Jahren Planungen."
Bisher hat sich die Mehrzahl lettischer Fachleute immer gegen den Bau eines U-Bahn-Systems ausgesprochen, so auch die Geologen Atis Mūrnieks und Sigita Dišlere 2015 in einer Radiosendung (
lsm). "Langfristig wird ein U-bahnbau aber die einzig angemessene Lösung sein, bekannte jetzt Viesturs Veckalns, Wissenschaftler an der Technischen Universität Riga (TU) (
delfi /
skaties). "Um einmal Riga zu durchqueren, braucht man heute 1 1/2 Stunden. Das heißt, dass viele jeden Tag 3 Stunden dafür benötigen." Als Student verbrachte Veckalns einige Zeit in Lissabon, um nun Vergleiche der Transportwege anstellen zu können. Die Baukosten schätzt er auf 200 Millionen Euro pro km ein. Würde es nach den alten Plänen gebaut, wären es in Riga knapp 9 U-Bahn-Kilometer. Und die Kritiker? "Das historische Stadtzentrum steht doch jetzt unter Denkmalschutz," meint Veckalns, und ein U-Bahnbau könnte die Wirtschaft ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen, und das Leben in Riga angenehmer machen. Innerhalb der folgenden 20 Jahre könnten sich auch die Kosten amortisieren."
Allein die Tatsache, dass es auf dem beliebten Internetportal "
Manabalss" ("Meine Stimme") jetzt eine Unterschriftenliste PRO U-BAHN gibt, erzeugte jetzt wieder einiges öffentliches Aufsehen. "In Zeiten, wo die Qualität der Straßen immer schlechter wird, und die Zahlungen der Neuzulassungen bei Autos bereits eine Million überschritten haben, ist es an der Zeit über neue Verkehrslösungen für die Zukunft nachzudenken" - so die einleitenden Worte einer Iniatiative namens "
Progresa Platforma" ("Fortschritts-Plattform"). Diese bezeichnet sich als "politische Organisation, die junge, gut ausgebildete Menschen vereinigt, die sich für individuele Freiheit und Menschenrechte einsetzen und außerhalb des gewöhnlichen Rahmens denken wollen." Die Initiative setze sich sowohl für eine nachhaltige Entwicklung in Lettland ein, wie für Umweltschutz und erneuerbare Energien.
Zwei Namen stehen bisher für diese Unterschriftenaktion:
Filips Kapustins und Edgars Gapoņenko. Von ersterem ist immerhin bekannt, dass er mal Mitglied bei der Jugend in der "Grünen Partei" ("
Zaļa Partija") war. Also nur "Provokationen in der Vorwahlzeit", wie einige Internet-Kommentare es einschätzen? Viele zweifeln aber auch an einer ausreichenden Zahl interessierter Kunden für eine U-Bahn - wo die Einwohnerzahl Rigas inzwischen auf 650.000 gesunken ist.
Allerdings sind es bisher auch nicht mehr als 190 Unterstützer eines Metro-Revival bei "
Manabalss" - trotz einiger offenbar sehr reger Aktivisten vielleicht nicht genug, um das Thema in der Diskussion zu halten. .