15. November 2018

Kirsons gibt den Löffel ab - aber nur in Berlin

missverstandene Kirsons-Werbung?

Schnelllebige Schnellrestaurants

Es war vielleicht eine Überraschung für Berlin, als im Mai 2016 (Blogbeitrag) gleich zwei Restaurants der aus Lettland bekannten Kette "Lido" (in Berlin = "Kirsons") eröffnet wurden. Und als Ende 2016 klar wurde, beide Restaurants machen auch in der Wintersaison weiter ("Kirsons überwintert"), galt es als positives Zeichen - und noch im Frühsommer diesen Jahres wurde "2 Jahre Kirsons in Berlin" gefeiert. Nun ist plötzlich Schluß im "Kirsons Charlotte". "Aus technischen Gründen" - diese vorläufig klingende Begründung ziert die Eingangstür allerdings bereits seit mehreren Wochen.

Was tun, wenn man hungrig auf lettische Speisekarte ist? Rüber zum "Alexa", der zweiten "Kirsons"-Filiale in Berlin. Dort tummelt sich überraschend viel Personal mit überraschend offener Auskunft: Nein, das "Charlotte" wird nicht wiedereröffnen. Ob denn die eigene Filiale im "Alexa" erhalten bleibe? Das wird zwar positiv beantwortet, aber der zugehörige Gesichtsausdruck sieht alles andere als zuversichtlich aus. Ebenfalls bedenklich stimmt, dass die "Weihnachtsdekoration" des Ladens noch aus dem Vorjahr zu stammen scheint. Ungern erinnert man sich in Lettland an die Krisenzeiten, als auch Ķirsons seinen Angestellten den Lohn schuldig blieb (bnn-news).

Aus für "Charlotte", Schrumpfung bei "Alexa"?

Auch die Auswahl an Speisen im "Alexa" scheint ausgedünnt: auf lettische Art geräuchertes Hühnchen? Schon lange nicht mehr ("das war eine Sonderlieferung"). Lettisches Sauerkraut? Heute nicht. Maizes supa? Vielleicht morgen. Einzig das "Užavas"-Bier (+ Piebalgas in Flaschen), und die lettischen Backkartoffeln scheinen noch vertraut von der lettischen Speisekarte. Im Angebot: ein "Business-Lunch" (Hühnchenbrust süß-sauer, mit Reis und Gemüse), der ähnlich auch in einem billigen Asia-Imbiss zu haben wäre.

Zwei Jahre zuvor tönte der Firmenchef noch davon, insgesamt 15 Restaurants allein in Berlin eröffnen zu wollen (lsm). Berliner, die im "Charlotte" öfter zu Gast waren berichten von einem scheinbar stets gut besuchtem Lokal. Hat hier also der lettische Unternehmer einfach das gemacht, was ja europaweit und global offenbar längst üblich ist? Subventionen der EU in Millionenhöhe genutzt, dazu Finanzen der lettischen Investitionsagentur - um dann nach Auslaufen dieser Finanzierungsquelle einfach wieder zu schließen, und das noch unangekündigt durch die Hintertür?
Aus der Werbung der LIDO-Kette: immer stolz auf die Firmengeschichte

In Lettland kassiert, in Deutschland abgeschöpft

Ganz anders dagegen in Lettland: eine aktuelle Übersicht zu den umsatzstärksten Restaurants in Lettland (firmas.lv / Leta) sieht die LIDO-Ketten von Gunārs Ķirsons im Jahr 2017 mit 5,8% Umsatzsteigerung gegenüber dem Vorjahr auf nun 38.584 Millionen Euro klar auf Platz eins. Im Mai war ein Interview mit in der lettischen Presse zu lesen, in dem eine komplette Renovierung des Rigaer "Stammlokals" ("Vērmanītis") für 800.000 Euro angekündigt wird. Gleichzeitig wollte der Unternehmenschef damals die Frage nach eventuellen Schließungen von Filialen nicht beantworten (tvnet).

Dabei ist auch in Riga das Überleben von Restaurants auch für diejenigen nicht selbstverständlich, die bisher bereits als gut eingeführt und bekannt galten. So steht laut einem Pressebericht offenbar das Restaurant "Bergs" in der Passage "Berga bazars", das sich selbst als "Lettlands bestes Boutique-Hotel" anpreist, kurz vor der Schließung (Jauns). Das 2003 eröffnete Fünfsternehotel "Bergs" errang europaweit Anerkennung, als das Restaurant 2010 unter die "50 besten Restaurant Europas" gewählt wurde (BalticTravelnews, Dienas bizness) - allerdings könnten das auch Marketingmaßnahmen der Branche gewesen sein, denn die zu dieser Rangliste gehörende Webseite ist inzwischen komplett wieder aus dem Internet verschwunden. Das Lokal also vielleicht bald ebenso.

Berlin ohne Lettisch - who cares?

Und in Berlin lettisch essen gehen wollen - eine Illusion, die keiner braucht? Auch das Restaurant "Schwalbennest" im Berliner Nikolaiviertel, die "Berliner Zeitung" war bei der Eröffnung noch ganz euphorisch, schloss bereits im September 2016 wieder seine Pforten (nur die Facebookseite existiert noch). Dann investierte Kirsons 3 Millionen in Berlin. Manche fanden ja gleich zu Beginn schon die "Trachtenmädels" und andere Details eher "peinlich" (wetravel24). Wer anonymen Bewertungen traut, schaut bei "Kununu" nach - dort haben drei angeblich bei "Kirsons" Angestellte ihre Bewertungen hinterlassen: "Für Gäste toll, für Mitarbeiter nicht zu empfehlen" ist da genauso zu lesen wie auch 'Lettische Mitarbeiter/innen mögen keine deutschen Kolleg/innen". Wo wohl die Wahrheit liegt? Irgendwo "in der Mitte"?

neue Firmenchronik?
Am Fenster der Ex-Filiale in der Charlottenstraße 13 klebt ein Zettel der besagt, dass die Genehmigung auch draußen Tische und Stühle hinstellen zu dürfen, noch bis zum 24.Januar 2019 gültig ist. Auch der "Nach-Hause-Lieferservice" wird online noch eifrig beworben (mit "Kirson Alexa GmbH" als neuer, eigenständiger Firma?). Also, vielleicht gibts bei "Charlotte" demnächst noch eine "Open-Air-Sylvestersause" zum Abschluß? "Viss kārtībā", wie man so auf Lettisch sagt. Zuzutrauen wäre es Kirsons allemal!

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