27. März 2014

Artikel Fünf - in grün

Nach der Postenroutation
Manchmal ist es seltsam, wie deutlich sich in der Innenpolitik eines Landes die Mechanismen von denjenigen unterscheiden, die international gerade Gewicht haben. Seit langen Jahren liegt erstmals der Fokus der EU-Mitglieder wieder mal auf Osteuropa - zunächst durch die etwas mühsam beim EU-Gipfel in Vilnius diskutierte "EU-Ostpartnerschaft", dann durch die anhaltende und sich zuspitzende Krise in der Ukraine und die Militäraktionen Russlands.  Währenddessen tritt in Estland ein Regierungschef zurück, scheinbar ohne richtig zu wissen wer der Nachfolger sein wird, und wie die Koalition aussehen soll. Ähnliches passiert in Lettland, indem ebenfalls der Regierungschef zurücktritt und an seine bisher weniger im Rampenlicht stehende Landwirtschaftsministerin übergibt, die nicht einmal eine langjährige Mitgliedschaft in derselben Partei vorweisen kann. So existiert jetzt in Lettland, ebenfalls mit leicht veränderten Koaltionspartnern, eine "Übergangsregierung" auf Abruf - denn im Oktober wird turnusmäßig neu gewählt.

Scheinbar nur durch zufällige innenpolitische Turbulenzen steht also nun der 48-jährige studierte Biologielehrer Raimonds Vējonis an der Spitze der lettischen Militärs. Neben Indulis Emsis, der in den 90er Jahren lange als Umweltminister amtierte, ist Vejonis (zwischen 2002 und 2012 ebenfalls Umweltminister) der bekannteste und profilierteste Politiker seiner Partei: der lettischen Grünen (ZP). Grüne in Lettland? Gibt es das? Und Grüne als Entscheidungsträger in nächster Nähe zu einem sich aggressiv gebärdenden Russland? Was kann das bedeuten?

Raimonds Vejonis, hier noch in der von ihm bisher
bekannten Rolle als Umweltminister und Teilnehmer
einer Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung
im Jahr 2011 - im Gespräch mit dem
grünen Europaabgeordneten Michael Cramer
Einer jungen Generation, für die eine sowjetlettische Realität in Lettland nicht mehr Teil der Erinnerung ist, muss es vielleicht erklärt werden: als es Ende der 1980iger Jahre noch völlig unsicher war, ob die Grundlage von "Glasnost" und "Perestroika" zur Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit ausreichen würde (Gorbatschow selbst wollte das nicht!), da waren es auch engagierte und entschlossen auftretende Umweltschützer, die eine Entwicklung zu mehr Selbstbestimmung und Demokratie mit auslösten und mittrugen. Am bekanntesten ist sicher die Menschenkette von Vilnius über Riga nach Tallinn geworden, als Zehntausende Menschen auf friedliche Weise einerseits an die durch Hitler und Stalin aufgezwungene Sowjetrealtität erinnerten und andererseits ihren Willen zur Unabhängigkeit bekundeten. Profilierte Repräsentanten der Gewaltfreiheit wie Theodor Ebert reisten damals nach Riga, voller Begeisterung für die lettische Unabhängigkeitsbewegung und ihre eindrucksvolle Aktivitäten. Damals wurde der U-Bahnbau in Riga und ein weiterer Ausbau von Stauwerken an der Daugava gestoppt, Klärwerke in einigen Städten gebaut und damit die Wasserqualität in den Flüssen und an den Ostseestränden verbessert, und in Kemeri, Slitere und an der Salaca wurden neue Naturschutzgebiete bzw. Nationalparke eingerichtet - um nur einige Beispiele zu nennen.

Grüner Geist in neuen Uniformen?
In den Umbruchjahren ging so manches verloren vom "grünen Spirit" - sei es durch die Anpassung und Abhängigmachung der Aktivisten von auch im Westen bekannten Förderritualen (also von vorhandenen bzw. fehlenden Finanzen), sei es durch die internationale Geringschätzung der Vorgänge in den baltischen Staaten, oder sei es durch den Umstand, dass man sich daran gewöhnen musste dieselben "Umweltaktivisten" ebenso laut gegen Schwule und Lesben auf den Straßen Rigas schreiend zu erleben wie gegen Umweltschäden. Die kleine lettische Grüne Partei, in den 90er Jahren noch von chronischer Finanznot und unbeirrbarem Idealismus geplagt, fand dann mit dem zwielichtigen Aivars Lembergs einen Großsponsor, der für sich selbst glänzend den Bogen hinbekommen hat vom Sowjet-jugendfunktionär über den Inhaber von in Umbruchzeiten zusammengeraffte Geschäftsguthaben hin zum öffentlichen Wohltäter. Sollte man nun die Einwohner von Ventspils mit den Mitgliedern des Fußballvereins Bayern München vergleichen? Viel für sich selbst, einen Teil davon spenden - das scheint jedenfalls eine Strategie zu sein die oft noch direkt vor den Knastüren Anhänger überzeugt, die lärmend auf die Straßen ziehen wenn ihrem Helden etwas passiert.

Seit etwas mehr als 10 Jahren sind jetzt also die lettischen Grünen abgesichert. Sicher im Bett zusammen mit der Bauernpartei, die gleichfalls von einem ehemaligen Kolchosvorsitzenden als Fraktionschef im Griff gehalten wird. Im Hintergrund ein sicherer Sponsor, dessen Interesse es in jedem Fall ist, dass keines seiner Geschäfte der 90er Jahre heute noch richtig durchleuchtet und hinterfragt werden kann. Im lettischen parlamentarischen Spektrum war Anfang 2014 Raimonds Vejonis sogar der erfahrenste Politiker der Fraktion "Zaļo un Zemnieku savienība" (ZZS, Bündnis der Grünen und Bauern) - als die Situation eintrat, der ZZS unbedingt nicht das Umwelt- und Regionalministerium (gerade in den Regionen hat die ZZS viel Einfluss), sondern das Verteidigungsministerium per Koalitionsvereinbarung anzubieten.

Erhöhte Bereitschaft, vermehrte Aufmerksamkeit
Das Resultat jetzt: ein Grüner als oberster Militär. Was hat das momentan zu bedeuten, in einer Situation in der die USA zusätzliche Kampfjets schicken, und man wieder erinnert wird an Ex-US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der "neues" und "altes" Europa teilte? Und wo auch der "Artikel 5" des NATO-Vertrages in den Vordergrund der Diskussionen rückt (die Beistandsverpflichtung, auch "Bündnisfall" genannt).

Veränderung, erstens: lettische Grüne halten nun ihre Parteiversammlungen im "Kriegsministerium" ab (wie das Museum immer noch offiziell heißt). Heutige grüne Führungsfiguren wie Viesturs Silenieks meinen feststellen zu müssen, dass "Grüne" auch in entscheidenden Momenten der 80er und 90er Jahre immer "Verantwortung übernommen" hätten. Da kommt (parteipolitisch gesehen) also die Krise in der Ukraine gerade recht. Interessant aber, dass Silenieks in der selben Rede die lettische Zivilverteidigung rühmt. "Ob es eine Flut ist, oder ein Feuer - immer stehen andere bereit um zu Hilfe zu eilen." Das klingt ein wenig mehr nach Wunschtraum "grünes Gemeinschaftsbewußtseins" denn nach Realität. Der nächste Gedanke allerdings ist erwähnenswert: "In Lettland gibt es ein Gesetz zur zivilen Verteidigung, die auch die Einbeziehung von ehrenamtlichen Freiwilligen vorsieht," so Silenieks, "nur hat diese Möglichkeit bisher niemand genutzt." Das klingt immerhin eher nach der Anwerbung von Computerexperten für die Armee, als nach Aussendung von Soldaten. Was sagt der Minister selbst?
Ausschnitt der Selbstdarstellung der
Zemessardze im Internet: zeigt her
das Gewehr ...

Raimonds Vējonis konstatiert auf dem Grünen Parteitag vom 22.März eine durch die russische Annektion der Krim "geopolitisch völlig veränderte Lage".  Die Entscheidung zum Beitritt zur NATO, vor jetzt genau 10 Jahren, erklärt Vejonis für weitsichtig und richtig. Man sei inzwischen gewohnt, die Dinge gemeinsam innerhalb von EU und NATO zu regeln, so zum Beispiel die Luftüberwachung. Danach weist Vējonis darauf hin, dass der so oft zitierte Artikel 5 des NATO-Vertrags nicht ohne Artikel 3 denkbar sei. Damit weist er auf die Notwendigkeit der Unterhaltung eigener Verteidigungskräfte hin und legt seine Interpretation gleich mit hinzu, dass es als Verpflichtung zu verstehen sei, 2% des Bruttosozialprodukts für Militärausgaben zu verwenden (eine "ungeschriebene" Leitschnur unter NATO-Mitgliedern).

Sei bereit! Auch zu Hause! Denkt grün!
Lesen wir den angeprochenen Artikel 3 mal genau. "Um die Ziele dieses Vertrags besser zu verwirklichen, werden die Parteien einzeln und gemeinsam durch ständige und wirksame Selbsthilfe und gegenseitige Unterstützung die eigene und die gemeinsame Widerstandskraft gegen bewaffnete Angriffe erhalten und fortentwickeln." (zitiert nach agb-plus.de) Wer möchte, sieht darin einen Zusammenhang, den Silenieks bereits erwähnte. Wird nun, nach grünem Maßstab, die "Militärerziehung in der Schule" wieder richtig salonfähig? Nun, einiges gibt es bereits. In Lettland gibt es die "Zemessardze" mit insgesamt etwa 10.000 freiwilligen Mitgliedern (wörtlich: "Landwehr", manche übersetzen es gern etwas übertrieben mit "Nationalgarde"). Die Gründung geht in die "Zeit der Barikaden" 1991 zurück - die Verteidiger der lettischen Unabhängigkeit sozusagen (genau darauf wird auch ein Eid abgelegt). Am 23.August 1991, also nur zwei Tage nach Scheitern des Putsches in Moskau, und am gleichen Tag als der russische Präsident Jelzin die lettische Unabhängigkeit bestätigte, wurden die "Zemessardze" gegründet. Seit dem 1.9.2010 gibt es ein neues Gesetz, das die genauen Aufgaben festlegt und den Zusammenhang mit dem lettischen Militär klar regelt.

Zitat Vējonis: "Die stärkste Stütze für die Selbstverteidigung Lettlands ist der Zemessardze. Ein modern ausgerüsteter und geschulter Zemessardze, mit erhöhter Bereitschaft der einzelnen Einheiten mit der Waffe in der Hand die Unabhängigkeit Lettlands zu verteidigen, das ist gegenwärtig die wichtigste und dringlichste Aufgabe der lettischen Selbstverteidigung." Vējonis ergänzt, dass genau hierfür seiner Meinung nach die Regierung die entsprechenden Finanzen bereitzustellen habe, genauso wie auch neue Mitglieder der Zemessardze zu werben seien.

Von Zeiten wie "Schwerter zu Flugscharen!" und Sprüchen wie "Stell dir vor es ist Krieg, und keiner geht hin" kann da wohl nur geträumt werden. Wer vor 10-12 Jahren NATO-Vertreter fragte, wie ernst es denn mit dem Anspruch an die Mitglieder stünde, 2% des BSP für Militär auszugeben, so wurde heftig beteuert dass dies sicher im Fall der kleinen baltischen Staaten mit entgegenkommendem Verständnis behandelt werden würde. Ob sich NATO und USA heute wohl damit zufrieden geben, wenn ein lettischer Minister in erster Linie Geld für freiwillige paramilitärische Einheiten ausgeben möchte? "Der lettische Staat wird in dem Maße sicher sein, soweit sich seine Bürger dafür einzusetzen bereit sind," läßt sich Minister Vējonis zitieren. Also kein Gerede von "Familienfreundlichkeit", wie es von der deutschen Kollegin schon mal zu hören war. Lettische Armee - jetzt also grün.

Umweltthemen dagegen erwähnte Vejonis in seiner Parteitagsrede mit keinem einzigen Wort - eine schnelle Wandlung. Statt dessen einige interessante Varianten, die fast so klingen als ob der viel beschworene "neue kalte Krieg" in Lettland schon ausgebrochen sei. In einem Radiointerview legt er "Partisanentaktik" der lettischen Armee für den Fall eines bewaffneten Konflikt nahe, und begründet dies mit "unseren geografischen und klimatischen Rahmenbedingungen". Aha, nutzt nun die Berufserfahrung als Umweltminister doch noch? Vejonis unterstützt außerdem die Initiative, innerhalb der EU eine multinationale Kampftruppe aufzubauen. 0,92% des BSP gibt Lettland dieses Jahr für die Verteidigungsausgaben aus - Vejonis tritt für eine Steigerung auf 2%, also mehr als eine Verdopplung ein. Nächstes Projekt: lettische Truppen nach Latgale (bringt Arbeitsplätze auf dem Lande?) Hier scheint jemand vor Ideen nur so zu sprühen - lettisches Grün, politisch frisch serviert.

17. März 2014

Der ganz besondere 16.März

Vielleicht ging es Lettland diesmal mit dem 16.März ähnlich wie sonst in Deutschland mit dem 9.November umgegangen wird: es häufen sich die grausamen wie auch erfreulichen Ereignisse der Geschichte. Dieser 16.März war der Tag der "Volksabstimmung" auf der Krim, und vielleicht wurden Lettinnen und Letten zu keinem Zeitpunkt seit Wiedererlangung der Unabhängigkeit bisher so sehr daran erinnert, wie unvorhersehbar glücklich die Entwicklung vor 25 Jahren war. Vor 25 Jahren war in Westeuropa das Wissen zu Strukturen, Mentalitäten, die verschiedenartige Sicht auf die Geschichte, auf Machtausübung und Selbstbestimmung noch gering. Heute - trotz aller Ängste um die aktuelle Entwicklung in der Ukraine - wird gerade an diesem Beispiel und der verhältnismäßig intensiven Berichterstattung dazu den meisten klar wo die Parallelen zu den baltischen Staaten waren, sind und sein könnten.

Gewohnte Rituale
Mit dem Blick auf den
Nachbarn Ukraine kochen
sehr verschiedene Flaggenträger
ihr Süppchen, dieser Tage
in Lettland
Aber wiedereinmal zeigt sich, wie tief eingegraben einige ererbte und selbst verschuldete Reflexe sind. Man ist geneigt, sie "Schützengräben" zu nennen. Denn einerseits stammt dieser Drang, an diesem 16.März eben auch unbedingt an lettische SS-Einheiten erinnern zu wollen, bei den Überlebenden dieser Einheiten wirklich noch aus diesem Krieg. Selbst wenn ihr Einsatz für die lettische Unabhängigkeit sogar unter diesen Umständen damals ehrlich gemeint war, dann haben sie immer noch die auf den Krieg folgende Sowjetokkupation im Kopf als die nun fast 25 Jahre andauernde neu errungene Unabhängigkeit, die aber auch eine Eigenverantwortung für die Art der Vergangenheitsbewältigung mit sich bringt.
Auf der anderen Seite die Gruppe der - ich sage bewusst "sogenannten" lettischen Antifaschisten, deren schablonenhafte Sprüche mit teilweise völlig weit hergeholten anderen Inhalten leider schon lange einen großen Teil des ehrlichen Entsetzens über SS-Verherrlichung überdecken.
Bisher war es schwierig Menschen, die Lettland nicht so gut kennen zu erklären was ich damit meine. Gerade an diesem 16.März 2014 (und danach) wird es nun leichter, dies zu tun. Sehr nahe liegt die Art der Argumentation, die auch das russische Vorgehen in der Ukraine und auf der Krim rechtfertigen will. Auch die Unabhängigkeitsbewegungen Estlands, Lettlands und Litauens wurden als "nationalistisch", "rückwärtsgewandt", "bourgeoise" oder "pro-faschistisch" bezeichnet - bevor die Unabhängigkeit wiederhergestellt werden konnte. Dieselben Autorinnen / Autoren oder Aktivist/innen werden nicht müde zu behaupten, auch heute sei ein Land wie Lettland noch nicht demokratisch, seine Politikerinnen und Politiker entweder korrupt oder neo-faschistisch. Also: wenn hier schon Putin nicht eingreifen kann, dann müssen wir das tun! (etwas übertrieben gesagt, zugegeben). Auch wenn bei solchen Ereignissen jemand wie Efraim Suroff mit teilnimmt, der ja durch seine Arbeit am Wiesenthal-Zentrum und seinen Projekten unumstritten und mit sehr hartnäckiger Sachlichkeit ausgestattet ist: genau dieser Wiederhall von Tönen, die jetzt von russischer (regierungsamtlicher) Seite bezüglich der Ukraine erklingen, ist in Lettland schon lange bekannt.
Aber um nicht missverständen zu werden: der 16.März ist als öffentlich begangener Gedenktag der überflüssigste den es gibt.

Auswirkungen
Wofür aber steht der 16.März im Hinblick auf die Ukraine? Lettland ist sich da durchaus nicht ganz so einig, wie die zahlenmäßig gut besuchten Pro-Ukraine und Anti-Putin-Demos glauben machen wollen. Immerhin ist Wahlkampf in Lettland: im Mai sind Europawahlen, wo die Chance besteht mit nur wenigen Wahlprozenten einen gut bezahlten Abgeordnetenjob in Brüssel zu bekommen. Im Oktober folgen dann Parlamentswahlen. Also gilt es vor allem die eigenen Anhänger zu stärken. Während die einen mit "Heute bin ich Ukrainer"-Kundgebungen vorzugsweise sich in der Nähe der russischen Botschaft aufhielten, zeigte sich auch ein Grüppchen Demonstranten zur "Solidarität mit der Krim" und einem Facebook-Aufruf zur Initiierung einer gleichartigen Abstimmung in Lettland. Die krassesten Gegensätze dieses Spektrums spiegelten sich in der vergangenen Woche anhand zweier alt bekannter politischer Figuren. 

Tatjana Ždanoka, seit ihren alten Tagen als sowjetlettische Funktionärin stets bemüht, sich als weiblicher Moralapostel in Sachen der russischen Minderheit aufzuspielen, stellte sich Putins Plänen offenbar freudig als "Wahlbeobachterin" auf der Krim zur Verfügung und handelte sich damit Forderungen nach ihrem Ausschluß als Mitglied der Gruppe "Grünen / Europäische Freie Allianz" im Europaparlament ein. Die Aussagen der führenden deutschen Vertreter in dieser Gruppierung (Rebecca Harms, Werner Schulz) zur Ukraine klingen jedenfalls ganz anders, nahezu entgegengesetzt zu lettischen selbsternannten "Russen-Retterin". Und nicht nur das: am 2.März soll Ždanoka sogar Gast einer russischen Organisation "Sutj vremeņi" gewesen sein, deren Ziel nach lettischen Presseangaben (siehe "IR") die Wiederherstellung der Sowjetunion sein soll - auch das zieht sich wie ein Kontinuitätsfaden seit 25 Jahren durch die Aktivitäten dieser Frau, die aus lettischer Sicht wahrscheinlich mit einer Melone verglichen würde: außen grün, innen tief sowjetrot.

Einārs Cilinskis, im neuen Kabinett unter Laimdota Straujuma frisch ernannter Minister für Umwelt und Regionales, zeigte seinerseits am 16.März wie egal ihm beides ist. Eigentlich ein politischer Veteran, der seine ersten Aktivitäten mit den Protesten gegen die Rigaer Metro 1988 startete, stand er bis zu seiner Ernennung eigentlich immer eher in der zweiten Reihe. Eigentlich wurde ihm eher ein "Musterschüler"-Image nachgesagt, ein Wortführer jedenfalls war er nie. Seit Ende der 90er Jahre war es zur Richtschnur der verschiedenen Regierungen in Lettland geworden - auch für den Fall wenn wie momenten Nationalisten Teil der Koalition sind - dass hohe Amtsträger wie Militärs oder Minister nicht an den Aufmärschen zum 16.März teilnehmen sollen, also nicht als SS-Unterstützer hingestellt werden können. Cilinskis tat es am vergangenen Sonntag trotzdem - und wurde postwendend von Straujuma entlassen. Nun ist die Nationale Vereinigung (Nacionālaja apvienība) auf der Suche nach weiteren geeigneten Ministerkandidaten. Denn paradoxerweise marschierten Cilinskis Parteikollegen Imants Parādnieks und Raivis Dzintars am Sonntag im Gleichschritt mit SS und Cilinskis, dürfen aber nun nach wie vor Cilinskis Nachfolger auswählen .... - das nennt sich wohl "Parteiarithmetik".