2004 trat Lettland der Europäischen Union bei. Das sollte unter anderem den "freien Handel" fördern - also möglichst gleiche Bedingungen für alle EU-Mitglieder für den Warenverkehr, auch offenen Marktzugang zu allen Ländern. Das bedeutet: seitdem ist auch der Warenstrom von Importwaren nach Lettland erheblich angestiegen. Während in Lettland der Holzeinschlag in den Wäldern immer noch etwa 30% des Exports ausmacht, können wohl die meisten deutschen Verbraucher/innen immer noch nicht die Frage beantworten, ob sie jemals in Deutschland schon ein Produkt aus Lettland gekauft haben.
Im Lebensmittelbereich importiert Lettland vor allem Getränke aus Deutschland: an der Spitze Weine (48 %), gefolgt von Spirituosen (44 %) (
Agrartotal). Nur 7,3% der lettischen Exporte gehen nach Deutschland (
LIAA) - im Jahr 2003 war der Prozentsatz noch doppelt so hoch (
uni-koblenz)
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Zuletzt war Litauen mit einem neuen Rücknahmesystem vergleichsweise erfolgreich
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Was allerdings immer noch in Lettland fehlt: es gibt bei den Getränken bisher weder Pfand noch Rücknahme-system. "Zu teuer" behauptete die Unternehmer-seite, und die lettische Regierung ließ die Zustände jahrelang unangetastet. Wer sich da fragt, warum denn die Lettinnen und Letten offenbar wenig Sorgen um ihre im Moment noch üppig vorhandene schöne Natur machen, der wird die Ergebnisse einer Umfrage aus dem Jahr 2018 aufmerksam registriert haben: 84,5% der Befragten sprachen sich für die Einführung eines Pfandrücknahmesystems in Lettland aus. (
zalabriviba).Schon 2017 hatte eine Petition auf der Plattform "
Manabalss" (Meine Stimme) 12.000 Unterstützer/innen für ein Pfandsystem gefunden (siehe auch
Blogbeitrag).
Ab Februar 2022 soll nun tatsächlich eine neue Rücknahmeregelung in Kraft treten - ein Thema, was nun bereits seit 20 Jahren diskutiert wird, wie "
Manabalss" richtig anmerkt. Besonders die junge Generation habe auf die Einführung eines Pfandsystems gedrängt, musste auch Wirtschaftsminister
Jānis Vitenbergs zugeben (
itiesibas).
Wie aus vielen anderen Ländern schon bekannt, sollen dann die Verbraucher/innen die Pfandgebühr, gesondert ausgewiesen, zusätzlich auf den Kaufpreis zahlen, und bei Rückgabe der Flaschen im Laden angerechnet bekommen. Gelten soll es sowohl für Glas- wie auch Plastikflaschen, ebenso für Dosen. Im Ergebnis soll es dann in ganz Lettland 1500 Pfandannahmepunkte geben, davon 700 mit Automaten ausgerüstet (
lsm). Zuständig wird in Lettland eine GmbH namens "Depozīta iepakojuma operators" (
DIO) sein. Geschätzt 30 Millionen Euro wird das Projekt kosten, finanziert von vier großen Getränkeherstellern ("Aldaris", “Cido grupa”, “Coca-Cola Latvija” und “Cēsu alus”). Pro Einheit / Flasche soll zunächst 10 EuroCent Pfand berechnet werden.
Wer diese Rücknahmeautomaten liefern darf wurde öffentlich ausgeschrieben. Fünf Hersteller hatten sich beworben. Angeblich ist vertraglich festgelegt, dass durch das Rücknahmesystem erzielte Gewinne wieder in das System investiert werden müssen. Das neue Gesetz legt fest, dass in größeren Ortschaften alle Läden mit mehr als 300m² Verkaufsfläche auch Pfandrücknahmestellen anbieten müssen, auf dem Lande alle Läden größer als 60m². Falls mehr als 36.000 Verpackungseinheiten pro Jahr entgegen genommen werden, empfiehlt der Betreiber einen Automat (dio.lv). Die Händler/innen bekommen dann für ihre Aufwendungen 1,53 Cent pro Verpackungseinheit bei manueller Entgegennahme erstattet, Automatenbetreiber bekommen 1,79 Cent pro Stück.
Kürzlich fiel die Entscheidung zu den Automaten (lettisch "Taromāts" genannt): es wird die norwegische TOMRA sein, die in Lettland ihre Automaten aufstellen wird (siehe Pressemitteilung). Die Firma habe über 35 Jahre Erfahrung und bisher bereits über 84.000 Automaten in Betrieb, heißt es. Damit hat sich das Argument der Praxiserfahrung gegen andere Vorschläge durchgesetzt, die auch schon Tetrapaks, Batterien und Sektflaschen gleichzeitig der Wiederverwertung zuführen wollten (SIA Wingo Deposit).
Diese Klarstellung sollten auch lettische Getränkehersteller wie die Brauerei "Valmiermuižas alus" beruhigen, die auf eine rasche Entscheidung gedrängt hatten, um die eigene Produktion entsprechend umstellen zu können. Brauereichef Aigars Ruņģis betonte, er sie soweit "lettischer Patriot" dass ihm daran gelegen sei, wenn Flaschen mehrfach genutzt und nicht einfach weggeschmissen werden (
lsm)
Auch in Deutschland verrichten offenbar bereits 30.000 TOMRA-Pfandautomaten ihren Dienst (ecoreporter). Die Firma bemüht sich außerdem um einen Markteinstieg in China und Indien. Seit 2016 stehen TOMRA-Automaten auch in Litauen und führten, eigenen Angaben der Firma zufolge, zu einer Rückführungsquote von 91,9% (Tomra). In Litauen liegt der Pfandbetrag ebenfalls bei 10 Cent. "Wir mussten den Verbraucher/innen in Litauen nur erklären, dass sie ihre Pfandobjekte nicht in den Automat werfen sollen," meint TOMRA-Manager Thomas Morgenstern in einem Interview, "sie sollen es einfach sanft auf das Laufband legen." (delfi.lt) Und wenn nun Lettland ebenfalls das 10-Cent-Pfandsystem einführe, dann läge für TOMRA als nächster Schritt eine Harmonisierung der Rücknahmesysteme in allen drei baltischen Staaten nahe.
Gefragt nach weiteren Zukunftsaussichten, weist Morgenstern auch auf das stark zunehmende Online-Shopping hin: "In London macht der Online-Einkauf jetzt bereits 20% aus," weiß der TOMRA-Manager, "diese Leute werden wahrscheinlich nicht zum Supermarkt kommen, um die Flaschen zurückzugeben."