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8. Januar 2024

Ski-Prinzessin

Gerade in diesem Winter gilt: Lettland ist sowohl schneesicher wie auch frostsicher. Aber nicht in allen Sportarten, die mit Schnee zu tun haben, erwartet die internationale Öffentlichkeit lettische Erfolge. 

Winterträume

Dazu zählen auch die Disziplinen des sogenannten "alpinen Skisports". "Was für eine Art Skifahren gibt es in einem Land, in dem wir einen 311 Meter hohen Hügel als höchsten Gipfel ehren?!" So fragte auch schon  Sportjournalist Jānis Freimanis für die lettische "Sporta Avīze" (infoski). Aber in Zeiten, wo andernorts in immer wärmeren Wintern der Schnee wegschmilzt, verstellt allein schon die Masse der pro Disziplin antretenden Sportlerinnen und Sportler aus erfolgsverwöhnten Skinationen wie Österreich, Schweiz, USA, Frankreich oder Italien den Blick auf überraschende Erfolge kleiner Nationen. - Seit vergangenem Wochenende titelt die lettische Sportpresse stolz: "Dženifera Gērmane erreicht das beste Weltcup-Resultat in der Skisport-Geschichte des unabhängigen Lettland!" (lsm)

Am 7. Januar 2024 war es Platz 12 beim Weltcup-Slalom in Kranjska Gora - im zweiten Lauf war es sogar die fünftschnellste Zeit (SportaCentrs / Youtube). Mit Startnummer 48. 

"Achtung Establishment!", warnte "Olympics.com" schon vor ein paar Jahren, "die Jugendolympionikin Dzenifera Germane ist eine der vielversprechendsten Nachwuchsskifahrerinnen..."

Der lettische Skiverband jubelte auch schon über ihre Erfolge bei den U14- und U16-Wettbewerben (infoski) und berichtete schon 2017, dass Dženifera die ganze Wintersaison in Österreich verbringt, zusammen mit Mamma Ulla Ģērmane, selbst eine lettische Skisportlerin, die ihre Erfolge in den 1980iger Jahren erreichte. Wir lernen: es gibt auch schon "Kinder-Weltmeisterschaften", und auch die hatte Dženifera schon dreimal gewonnen (Jauns). 

Lettische Ski-Historie

Journalist Freimanis versucht, die neue lettische Leidenschaft für alpine Skisportarten mit einem Zitat des lettischen Schriftstellers Rūdolfs Blaumanis zu begründen: "Der Zaun, den der Verstand errichtet, kann durch Leidenschaft und Enthusiasmus überwunden werden!"(infoski). Und Freimanis kennt die lettische Skisportgeschichte. Bei Olympia 1936 in Garmisch-Partenkirchen starteten drei Lett/innen: Mirdza Martinsone (dreifache lettische Slalommeisterin 1937, 1938, 1940, sowjetlettische Meisterin 1941), Herberts Bērtulsons und Askolds Hermanovskis. Alle drei starteten in der "alpinen Kombination", alle drei wurden diskvalifiziert, bzw. konnten im Slalom wegen schlechter Ergebnisse in der Abfahrt nicht mehr starten und erreichten kein Ergebnis, auf das Lettland stolz sein könnte. Weniger bekannt ist, dass Martinsone sich gleichzeitig journalistisch betätigte und ihr sogar ein Interview mit Adolf Hitler gelang (RTU). 

Folgen wir weiter der historischen Auflistung von Freimanis. 1974 in St.Moritz wurde dann Jānis Ciaguns zum ersten lettischen Skisportler, der an einer Ski-WM teilnahm (Resultat 42.Platz in der Abfahrt, kam beim Slalom nicht ins Ziel / infoski). Ulla Lodziņa, später verheiratete Ģermane, also die Mutter der heutigen Ski-Heldin Dženifera Ģērmane, gelang 1988 der größte lettische Erfolg: bei der Junioren-Weltmeisterschaft im italienischen Madonna di Campiglio gewann sie (als Mitglied des sowjetischen Teams) die Bronzemedaille, kam aber in den Weltcuprennen nie über Platz 38 hinaus. Damals war der genannte Jānis Ciaguns Trainer von Lodziņa-Ģermane - was wohl zeigt, dass vieles in dieser kleinen lettischen Ski-Szene eng zusammenhängt. "Mein Trainer ist immer herumgefahren, um Orte zu finden, wo wir das ganze Jahr Skifahren konnten", erzählt Mama Ulla (infoski). 

Erst 1997 gab es dann mit Jānis Korde den nächsten Ski-Weltcup-Teilnehmer aus Lettland - dessen ausbleibende Erfolge auch damit erklärt wurden, dass er ausschließlich im lettischen Sigulda trainierte. Sein einziger Trainer war sein Vater, Reisekosten musste er selbst bezahlen, und seine Rennski kosteten ihn damals 600 Dollar. Im Interview erzählte Korde damals, er habe im Weltcup-Slalom 69 Tore zu absolvieren gehabt - auf den "Hügeln" von Sigulda könne man aber höchstens 25 aufstellen. (periodika). Zu den Olympischen Spielen Nagano 1998 schickte Lettland dann den Ciaguns-Sohn Ivars, zusammen mit Ilze Ābola (er wurde 34., sie 31. im Riesenslalom). Beide nahmen in den Jahren danach auch an Weltcuprennen teil, mit Platz 27 als Bestresultat für beide. 

Erst 2010 bei der Olympiade in Vancouver  gab es wieder ähnliche Platzierungen. Lettland entsandte Roberts Rode, Kristaps Zvejnieks un Liene Fimbauere (letztere trainiert von Jānis Korde). Zvejnieks erreichte immerhin einen 37. Platz und nahm auch 2014 in Sotschi (43.) und 2018 in Pyeongchang (35.) teil. An der Ski-WM 2013 und 2015 gab es dann sogar jeweils 11 bzw. 14 Athlet/innen aus Lettland - damals zahlte der Weltverband noch eine kleine Unterstützung an den nationalen Verband dafür. Von diesen jüngeren konnte Lelde Gasūna, in Sigulda geboren, 2014 in Sotschi immerhin einen Platz 30 im Slalom erringen. Ihre Kollegin Agnese Āboltiņa, die in Norwegen trainiert hatte, kam im Super-G auf Platz 31.

Skisport-Familien

"Der alpine Skisport in Lettland ist von Familientraditionen geprägt", schrieb Journalist Freimanis schon 2017. "Einen guten Trainer kann man nicht im Internet finden" - ein Zitat von Lelde Gasūna. (infoski) Von derselben Sportlerin stammt die Aussage, die Kostendeckung pro Saison belaufe sich auf etwa 60.000 Euro - und da seien Reisekosten noch nicht eingerechnet. "Alpiner Skisport ist in Lettland ein Indianer-Sport", so wird "Mama Ulla" zitiert (Google möchte es mit "Sport der amerikanischen Ureinwohner" übersetzen). Familie Ģērmane verbringt schon seit mehreren Jahren die Winter in Österreich. Aber Mama Ulla weiß auch dass es ihrer Tochter jeden Herbst wieder schwer fällt, die Freundinnen und Freunde in Lettland zu verlassen. 

Und jedes Mal nach der Rückkehr nach Lettland müssen dort einige Test und Prüfungen in der Schule bestanden werden. Und die Mutter verheimlicht auch nicht, dass die Beziehungen zum Lettischen Skiverband nicht immer die besten waren und schließt nicht einmal aus, dass ihre Tochter vielleicht auch mal gezwungen sein könnte, unter der Flagge eines anderen Landes zu starten. Ob nun, nach der "historischen Platzierung" für Lettland, alles anders wird? Vorerst war es nur der Erfolg in einem einzigen Rennen.

Nachtrag: am 16. Januar 24 folgte mit Platz 8 beim Nachtslalom in Flachau / Östereich gleich der nächste Rekord

14. Dezember 2012

Schnee macht Arbeit - und hilft Autobesitzern


Wer diese Woche als Autofahrer in verschneiten
Straßen steckenblieb, konnte einfach umsteigen:
kostenfrei in Straßenbahn und Trolleybus

Eines der Lieblingsthemen von Bürgermeister Ušakovs scheinen Vergünstigungen bei Straßenbahnen und Bussen der Hauptstadt zu sein. Ob es nun sozial Benachteiligte sind,  Kriegsbeschädigte oder Behinderte - freie Fahrt im Trolleybus ist immer noch ein beliebtes Geschenk an die geschätzten Wählerinnen und Wähler. Über kostenloses Fahren am Nationalfeiertag wunderte sich kein Lette mehr, und als diese Woche sehr viel Schnee innerhalb weniger Stunden vom Himmel fiel, verkündete Ušakovs die freie Busnutzung für alle PKW-Besitzer. Wieso das? Es sollte wohl ein Entgegenkommen dafür sein, dass die Straßenwacht nicht alle Straßen gleichzeitig schneefrei schieben konnte: mit dem Vorzeigen einer PKW-Registrierung hatte auch der Straßenbahnschaffner ein Einsehen. "Danke, dass sie an diesem Experiment teilgenommen haben" schrieb Ušakovs auf einer eigens eingerichteten "Schnee-in-Riga"-Webseite. Seinem Eindruck seien an diesem Tag etwas weniger Autos auf den Rigaer Straßen gewesen - ob es aber Folge oder Wirkung der Umsonst-Tickets gewesen seinen habe man nicht feststellen können. 

Übrigens gelten fürs Schneeräumen für private Hausbesitzer in Riga ebenso strenge Regeln wie fürs Hissen der Nationalflagge an Feiertagen oder das Straßefegen: allein am gestrigen 13.Dezember wurden laut Angaben der Polizei 250 Strafprotokolle ausgestellt an Eigentümer, die ihrer Räumpflicht nicht nachgekommen waren.Ähnliches kann Hauseigentümern passieren wenn Dächer nicht geräumt werden.

Vor wenigen Tagen hatte die Straßenverwaltung eine Vereinbarung mit der lettischen Bauernvereinigung geschlossen, dass den Einsatz bäuerlicher Hilfe mittels Traktoren in der Hauptstadt vorsieht.

Info: Übersichtskarte zu Straßenverhältnissen im Winter

15. Februar 2012

Lettisches Wintervergnügen

Nach mildem Start hat Europa eine Kältewelle erfasst. Auch in Lettland herrschen schon einige Zeit Temperaturen, die häufig um die -20Grad, selten nahe Null kommen. Kälteempfindliche Westeuropäer wird dabei vielleicht die relative Ruhe erstaunen, mit der die weiße Pracht "abgearbeitet" wird. Autos fahren außerhalb der großen Städte wie selbstverständlich auf einer festen Schneeschicht, vor den großen Mietshäusern, vor öffentlichen Gebäuden und sogar in den Parks kennen offenbar viele Tatkräftige ihre Aufgaben: es wird geräumt (im Handeinsatz oft mit einfachen Holzschiebern), gefegt (auch mit Reisigbesen) und gestreut, was das Zeug hält. Abends kann man dann an der weißen Schicht an den eigenen Schuhen erkennen, dass auch eine Menge Salz dabei ist.
Hält das Eis? Für Radeln auf Seen und Flüssen gibt
es auch in Lettland noch keine offizielle
Zulassungsbehörde
Dass der Winter in Lettland "gefühlte" 9 Monate in jedem Jahr ausfüllt, das wissen auch die Fahrradkuriere in Riga. Mit breiten Spikesreifen ausgestattet sind sie auch in der kältesten Jahreszeit noch in Riga wie selbstverständlich unterwegs. Aber das reicht offenbar noch nicht aus: Schnee und Kälte spornen zu neuen Ideen an: könnten nicht die im Winter ziemlich zuverlässig zugefrorenen Wasserflächen in Lettland eine gute Grundlage fürs Radeln dar? Klingt verrückt? Ja, aber was zufriert ist doch meist flach, und wenn sich oben auf dem Eis dann Rauhreif bildet ist es auch nicht zu glatt zum Fahren (Voraussetzung: gute Reifenbreite und Profil, Spikes).
Klare Luft, strahlendes Weiß rundum, und heißer Rum
zwischendurch - ein unentdecktes Wintervergnügen
für Zweiradbegeisterte
Gesagt, getan. Eine Gruppe unerschrockener Fahrradfreunde rund um die Rigaer "Velokurjeri" probierte es kürzlich aus. Der Flußlauf der Loja, in der Nähe der nordlettischen Gemeinde Ragana gelegen, schien geeignet für derlei Experimente. Und siehe da: wer genügend warm gekleidet war (Außentemperatur -22 Grad) konnte ungewöhnliche Einblicke in lettische Winterlandschaften genießen, so wie es sonst nur vom Kanu oder Boot aus möglich ist.
Filmische Eindrücke davon gibt es hier zu sehen.

31. Januar 2011

Ungeliebte Helden?

Es sieht aus wie die nahtlose Fortsetzung einer großen Sporttradition: nach Jānis Ķipurs, der 1988 unter der Flagge der Sowjetunion zusammen mit einem Russen olympisches Gold und dazu noch Bronze im Viererbob gewann (und bereits 1984 Europameister im Zweierbob war), nach Zintis Ekmanis, 1985 Europameister im Zweierbob und Bronzemedaillengewinner, nach Sandis Prūsis (2003 Europameister im Viererbob) und Jānis Miņins (2008 Europameister im Viererbob) nun Edgars Maskalāns, der am vergangenen Wochenende zusammen mit seinen Anschiebern Daumants Dreiškens, Uģis Žaļims un Intars Dambis in St.Moritz überraschend seinen ersten Weltcupsieg holte.

Schon die lange Erfolgsbilanz von Ķipurs zeigt, was die Letten im Bobsport zu verteidigen haben. Aber es ist auch die Art, wie lettische Sportfans die Sportereignisse als verknüpft mit dem Schicksal des Landes darstellen. Das lettische Sportportal Bobslejs.lv legt Wert darauf, dass "die lettischen Bobfahrer" 1990 im Januar nach den blutigen Ereignissen in Vilnius und Riga die Teilnahme an der Bob-WM absagten und sich am Barrikaden-Bau rund um den Ministerrat in Riga beteiligten. Bei den ersten drei olympischen Spielen, an denen Lettland dann wieder mit einer eigenen Mannschaft teilnahm, waren Bobfahrer die Fahnenträger: Jānis Ķipurs 1992 in Albertville, Zintis Ekmanis 1994 in Lillehammer, und Sandis Prūsis 1998 in Nagano.

Doch es ist Ärger im Lager der lettischen Bobfahrer. Die Sportreporter des deutschen Fernsehens wunderten sich am vergangenen Sonntag, warum Maskalāns statt Jubelgesten immer nur schlicht den Finger auf die Lippen legte.  Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise sind es vor allem stark verminderte Finanzierungsmöglichkeiten, die den lettischen Verband bei der Förderung seiner Sportler einschränkt. Aber offenbar ist das nicht das einzige, was die lettischen Bobfahrer entzweit. "Visu tikai Miņinam!" (alles nur für Miņins) sei die Devise des lettischen Bobverbands, beschwerte sich Maskalāns schon vor einem Jahr öffentlich (siehe Kas jauns, NRA)."Wir haben doch zwei Teams, doch wieso wird eines davon so einseitig unterstützt?"

Es läßt sich leicht denken, dass es auch hier vornehmlich ums liebe Geld ging. Im Dezember, wenn die Bobfahrer ihre Wettbewerbe in Nordamerika haben, sparten sich die Letten die Reisekosten völlig. Erst im Januar und Februar sind sie nun in den Wettbewerben wieder dabei. "Es ist nun einmal eine Tatsache, dass im Bobsport die technische Seite sehr ausschlaggebend ist," gibt Ex-Profi Zintis Ekmanis, der heute Vizepräsident des lettischen Bobverbands ist, zu. Dass Lettland überhaupt wenigstens über einen Bob verfügen könne, der technisch auf dem neuesten Stand gebaut sei um in der Weltspitze mithalten zu können, sei völlig dem seit 2006 amtierenden lettischen Verbandspräsidenten und Millionär Jānis Kols zu verdanken (Eigentümer von "Latvijas Energoceltnieks"). Jānis Miņins wiederum hatte auch schon bei den Olympischen Spielen in Vancouver kurzfristig seinen Startplatz Edgars Maskalāns überlassen müssen - der dann aber "nur" den 8. und 11.Platz holte, Lettland also ohne Bob-Gold blieb (dafür holten erstmals die Rodel-Doppelsitzer Andris und Juris Šics Olympiasilber, gleiches gelang auch Martins Dukurs im Skeleton). Und nun hatte auch Miņins - der offenbar im Lager der lettischen WIntersportfans eine wesentlich größere Zahl von Unterstützern hat als seine Konkurrenten - sich kürzlich ernsthaft mit dem lettischen Verband verkracht. Der von Maskalāns ungeliebte Miņins startet nicht mehr - und erneut wurde Bob Nr.1 für Maskalāns frei. Da wird es spannend zu beobachten sein, was sein erster Weltcupsieg am Wochenende in St.Moritz nun auslösen wird.

Am 26.Januar 2011 fand in Lettland eine absichtlich öffentliche Fernsehdiskussion zu den Problemen zwischen Verband und Sportlern veranstaltet (siehe DIENA-Video). Die dortigen Äußerungen, sowohl der Diskutanten wie auch der in verschiedenen Portalen lesbaren Reaktionen der Sportfans lassen darauf schließen, dass noch viele hoffen, Miņins würde es sich noch einmal anders überlegen und zurückkehren. Miņins gab seinerseits noch vor einer Woche bekannt, er werde wohl nun das Bobteam der Slowakei beraten. "Wenn er alle Weltcups fahren würde, hätte Lettland auch wieder einen Gesamtsieger!" So ist in den Sportforen zu lesen. Andere bedauern, dass Bob Lettland 2 mit Oskars Melbārdis am Steuer als Schnellste des 1.Durchgangs wegen zu heißer Kufen disqualifiziert wurden. Tja, in Lettland ist offenbar manchmal das Leben auch nach einem Sieg schwer - wenn es viele Neider gibt.

Webseite lettischer Bobverband

16. Februar 2010

Gesalzene Kontakte

Eigentlich heisst es ja immer, Lettland sei ein Land arm an Bodenschätzen. Kein Öl, keine wertvollen Mineralien. Aber in diesen Tagen des anhaltenden Winters fühlt man sich fast zurückversetzt in die Zeiten der Hanse, als ganz andere Güter sehnlichst erwartet wurden in den Häfen, wo die Koggen anlandeten. Gar manche Hansestadt verdankte ihren Reichtum damals diesem begehrten Gut: dem Salz. 

Manche kennen von ihrem Deutschland-Besuch fast nichts anderes als Autobahnen. Sie gelten als Symbol der selbstverständlich gewordenen Freiheit des individuellen Hin- und Herfahrens. Unter dem Slogan "Freie Fahrt für freie Bürger" gründeten sich einst sogar Parteien, die dies als erste Priorität der deutschen Demokratie ansahen. Am 14.Februar trat die Katastrophe ein: eine ganze Autobahn musste gesperrt werden - wegen Streusalzmangels (siehe DIE WELT / FAZ) . Auf 52 km der Autobahn A44 zwischen Dortmund und Kassel ging nichts mehr, der wochenlang anhaltende schneereiche Winter löst weder Hungersnöte noch Zusammenbrüche der Stromversorgung aus. Aber Salzmangel.

Rettung naht aus einer unverhofften Richtung: aus Lettland. Zwischen Ventspils und Stralsund wird es sogar als eine Art "Amtshilfe zwischen Partner- städten" zelebriert, und dank eisfreiem Hafen kann die lettische Hafenstadt auch direkt liefern (so hätte ich gedacht - nein, sie kam per LKW).
"Stralsund wird diese unkonventionelle Hilfsmaßnahme niemals vergessen!" lässt sich Stralsunds Oberbürgermeister Dr. Alexander Badrow in der lettischen Presse zitieren. Er seit "tief bewegt" gewesen von der Hilfsbereitschaft der Stadt Ventspils und Bürgermeister Lembergs. In der Stralsunder Version des Pressetextes ist stolz von "gelebter Städtepartnerschaft" die Rede. Beide Beiträge schweigen sich allerdings darüber aus, ob es salzige Geschenke waren, die da ausgetauscht wurden, oder Lieferungen zum Vorzugspreis (siehe auch: Hamburger Abendblatt).


Vielleicht ein Glück, dass die Partnerschafts-Beteiligten nicht vorher den Kommentar von Ojārs Kalniņš gelesen hatten, der von Seiten des in Riga ansässigen staatlich betriebenen "Lettland-Insituts" angesichts von Schneekatastrophen in aller Welt, auf die angebliche Mentalität und Einstellung der Letten bezogen, titelte: "Snow what?". Was hat die Welt auch für merkwürdige Probleme mit viel Schnee, so Kalniņš, in Lettland würden deshalb keine Schulen oder Büros geschlossen, manche müssten gar 20km zum nächsten Dorf oder zum Arzt zu Fuß gehen, und immer noch würden die Tageszeitungen eher über Steuererleichterungen schreiben als über Schneekatastrophen. Nun, es ist davon auszugehen, dass Herr Kalniņš ein mit Steuergeldern gewärmtes Büro hat - die vielen Jobber im Einsatz beim Schneeräumen, trotz vollem Einsatz ihrer Arbeitskraft, haben aber wahrscheinlich weder einen gesicherten Arbeitsplatz, noch bekommen sie einen zum Lebensunterhalt ausreichenden Lohn.

Die Salzlieferungen Ventspils-Stralsund waren offenbar nicht die einzigen. Doch leider haben es andere glückliche deutsche Empfänger offenbar - trotz angeblich persönlicher Kontakte nach Lettland - nicht so leicht, die Absender der Hilfe zu identifizieren. Da sind wohl auch ein paar Recherchefahrzeuge der deutschen Journalisten im Schnee stecken geblieben. So meldet die "Neue Westfälische" das Eintreffen einer Salzlieferung aus "Riga in Litauen". Da reagierte der "Vlothoer Anzeiger" schneller, und korrigierte die Angaben in der Online-Ausgabe. Aber schön, dass auch Lettlands Nachbarland offenbar auf Angebot und Nachfrage zu reagieren weiss. 

Gut möglich ist auch, dass momentane Salzlieferungen aus Lettland schon einmal in Deutschland waren. Noch am 28.Januar brachte das "Naumburger Tageblatt" einen Bericht über die überdurchschnittlich gut laufenden Geschäfte der Firma ESCO in Hannover. Einerseits ist da zu lesen, dass die Gemeinden in Deutschland kaum noch Salz selbst einlagern (angeblich aus finanziellen Gründen), andererseits seien Schneeverhältnisse wie in diesem Winter in Skandinavien ja normal, und die Geschäfte mit nördlichen Staaten "eine sichere Bank". Zitat Naumburger Tageblatt: "Vom Seehafen Wismar gehen jedes Jahr hunderttausende Tonnen Salz nach Skandinavien. Auch die baltischen Staaten wie Estland und Lettland werden vom Bernburger Werk beliefert." Vielleicht sollte da mal eine Städtepartnerschaft Wismar - Stralsund angeregt werden?  

Was stand da noch in den "Länderinformationen" des Lettland-Instituts geschrieben? "Da es in Lettland keine Quellen für Salz gibt, wurde es durch Handel oder Tauschgeschäfte erworben und nur sehr sparsam gebraucht."

10. Januar 2009

Ein Halo grüßt aus Lettland

Was ist ein Halo? Aus Nordeuropa sind eher die Nordlichter bekannt, wenn es um ungewöhnliche Himmelserscheinungen geht. Aber es gibt auch die "Halos" - ungewöhnliche Lichteffekte meist an schneereichen, hellen Wintersonnentagen. Sie entstehen an Eiskristallen hoher Cirrusfelder. Ihre genaue Erscheinungsform ist - ähnlich wie beim Regenbogen - vom genauen Standort des Betrachters abhängig.
Im Laufe der ersten Januarwoche sollen Halo-Effekte mehrfach in ganz Lettland zu sehen gewesen sein (siehe auch Bericht DIENA). Dieses schöne Foto schickte uns Valdis Pilāts aus Sigulda - er ist als Biologe oft im Nationalpark Gauja unterwegs, und machte diesen Schnappschuß in unmittelbarer Nähe seines Arbeitsplatzes am Haus der Nationalparkverwaltung in Sigulda.

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