28. November 2008

Kunst aus Riga in Bremen hoch im Kurs

Viele der lettische Künstler/innen, deren Bilder gegenwärtig in deutschen Galerien ausgestellt werden, bauen auf persönliche Kontakte: ein Studium in Deutschland, oder ein Arbeitsstipendium helfen oft, auch für eigene Ausstellungsmöglichkeiten die Türen zu öffnen. So ist es auch beim Kunststipendium der Bremer Heimstiftung, die jetzt mit der Vorlage eines Gesamtkatalogs "Fünf Jahre Bremer Kunststipendium" eine erste erfolgreiche Bilanz zog (siehe Pressemitteilung). 

Seit 5 Jahren gibt es jetzt das Kunststipendium der Bremer Heimstiftung - richtig, wer nachrechnet wird feststellen, dass sich Bremen damals als Europäische Kulturhauptstadt 2010 beworben hatte. Das klappte nicht ganz (Glückwunsch, Essen!), aber die Unterstützung der kulturellen Beziehungen zwischen Bremen und seinen Partnerstädten (wofür die Gelder stets knapp bemessen sind) wurde dennoch dankbar angenommen.

Bürgerschaftspräsident und Kunstinteressent Christian Weber hat sich das Projekt ebenfalls zu einem persönlichen Anliegen gemacht, und fachlich wird es begleitet von der Kunsthistorikerin Dr. Katerina Vatsella. Aus "baltischer" Sicht profitiert vor allem Riga und Lettland: seit 5 Jahren läuft das Bremer Stipendienprogramm (Bewerbungen werden auch weiterhin angenommen!), Partner sind hier der Bremer Verband Bildender Künstlerinnen und Künstler (Ansprechpartner: Wolfgang Zach) und "Latvijas Makslinieku savieniba" in Riga. Auch ein Arbeitsstipendium für Bremer Künster/innen in Riga ist bereits ausgeschrieben. 

Allein in den vergangenen 12 Monaten waren es gleich drei lettische Künstlerinnen, die nicht nur für einige Wochen in Bremen arbeiteten, sondern deren Werke teilweise auch mit eigenen Ausstellungen in Bremen zu bewundern waren: Ingrida Irbe (deren aktuelle Ausstellung in der Galerie Lonnes in Bremen läuft noch bis zum 13.12.08!), Diana Adamaite, und Daiga Kruze. Besonders erwähnenswert noch, dass beide Seite bemüht sind, wirklich aktuell interessanten und innovativ arbeitenden Kunstschaffenden in diesem Rahmen eine Förderung zukommen zu lassen: so ist es nicht nur eine Förderung für die Künstler/innen selbst, sondern trägt auch dazu bei, dass die Öffentlichkeit in beiden Städten die Möglichkeit hat, sich "ein Bild zu machen" - wie man so schön sagt - von aktuellen Kunstgeschehen in der jeweiligen Partnerstadt. Mehr Infos dazu: Ausschreibungstext des KunstStipendiums noch einige weitere Fotos Der Katalog „Bremer Kunststipendium 2003 - 2008“, herausgegeben von Dr. Katerina Vatsella, ist im Verlag HachmannEdition erschienen und kostet 12 Euro.

Mann über Bord!

Das ist kein Witz. Ein junger Mann aus Lettland ist tatsächlich vor wenigen Tagen gegen 22 Uhr vom Deck der Fähre Stockholm – Riga in die Ostsee gestürtzt.

Nach bisherigen Kenntnissen hatte eine Gruppe von zehn bis 15 Freunden die Reise von Riga nach Stockholm angetreten. Das Schiff verläßt Riga am späten Nachmittag und benötigt die ganze Nacht, um am nächsten Morgen sein Ziel zu erreichen.

Nach Zeugenangaben haben die jungen Leute bereits während der Überfahrt nach Schweden Alkohol getrunken und durch ihr Verhalten den Eingriff des Sicherheitsdienstes provoziert. Am Ziel angekommen war die Gruppe dann bereits nicht mehr in der Lage, die Fähre für einen Besuch der schwedischen Hauptstadt zu verlassen.

Gegen 18 Uhr legt das Schiff dann abends wieder ab und fährt die Nacht über zurück nach Riga. Etwa vier Stunden nach der Abfahrt wurden dann die Passagiere über Lautsprecher informiert, daß eine Person über Bord gefallen sei.

Der Kapitän begann unmittelbar nach dem Vorfall mit der Suche nach dem Verunglückten und kreiste meherer Stunden an Ort und Stelle. Zwei weitere Schiffe wie auch der Rettungsdienst in Götenburg unterstützten die Versuche. Zwei Hubschrauber waren im Einsatz.

Nachdem der junge Mann aus der Höhe eines ungefähr vierstöckiges Hauses ins Meer gestürzt war, waren nach Zeugenberichten einige Freunde entsetzt und weinten, während andere offensichtlich zu alkoholisiert waren, um den Vorfall überhaupt zu begreifen. Sie amüsiert sich. Einige riefen, er solle durchhalten, er werde gerettet. Es gelang jedoch nicht, den jungen Mann zu finden.

Gegenwärtig ist das Wasser etwa 7 Grad kalt. Ein Mensch überlebt bei dieser Temperatur höchstens 20 Minuten.

21. November 2008

Verfassung in schlechter Verfassung – Stellungskämpfe statt Politik

Ein Präsident wirbt um Sympathie
Valdis Zatlers wurde vor etwa anderthalb Jahren als Nachfolger der populären Vaira Vīķe-Freiberga und entgegen Volkes Willen ins Amt gewählt. Der Artz sei, so hieß es, bei einem Spitzentreffen der Koalitionspolitiker im Zoo ausgewählt worden – nicht aus dem Zoo freilich. Daß er nach der engagierten Vorgängering von den Regierungsparteien bewußt als bequemer Kandidat gedacht war, steht weitgehend außer Frgae. Zatler wurde weiterhin auch deshalb von der Öffentlichkeit belächelt, weil er bei Auftritten wie auch in Interviews mit inhaltslosen Allgemeinplätzen und Stlblüten glänzte wie: “Wer bin ich?”

Im September 2008 dann bestätigte Zatlers plötzlich nicht wie von der Koalition gewünscht, Vaira Paegle von der Volkspartei als neue Botschafterin bei der UNO. Die Betroffene ärgerte sich, das Land war verblüfft, aber eigentlich war dieser Schritt ohne große Bedeutung.

Das etwas im Lande nicht in Ordnung ist, hat Zatlers bereits vor einem Jahr verstanden. Nachdem die Regierung den Chef der Anti-Korruptionsbehörde absetzen wollte, kam es zu einer Manifestation auf dem Domplatz, die wegen des schlechten Wetters als Regenschirmrevolution in die jüngere Geschichte eingegangen ist. Das Volks skandierte: Parlamentsauflösung! Zatlers besucht die Veranstaltung überraschend und sagte: Liebe Mitbürger, erst einmal braucht ihr eine Losung. War der Mann taub?

Nein. Bei seiner Ansprache zum 90. Geburtstag des Republik Lettland mahnte Zatlers die Politiker, die Demokratie könnte durch eine Verfassungsänderung gefördert werden, welche dem Volk die Möglichkeit der Parlamentsauflösung zuerkennt. Die bisherigen Reaktionen demonstrierten Hochnäsigkeit gegenüber dem ausgesprochenen Willen des Volkes. Seit einiger Zeit hat Zatlers neue Berater und Redenschreiber.

Einstweilen kann nach der alten Verfassung von 1922 das Parlament nur aufgelöst werden, wenn der Präsident dies anregt und das Volk in einem Referendum zustimmt. Ein Referendum über das Recht des Volkes zur selbstständigen Initiative scheiterte im Sommer am verfehlten Quorum der Beteiligung – mindestens die Hälfte aller Wahlberechtigten.

Verfassung ändern oder nicht?
Im Unterausschuß des Rechtsausschusses, der mit der entsprechenden Neuregelung befaßt ist, kommt der Gesetzentwurf nicht voran. Regierungsparteien und Opposition straiten darüber, welches Quorum erforderlich sein soll, damit ein Referendum zur Parlamentsauflösung Geltung erlangt. Die Koalition pocht auf die Hälfte der Wahlberechtigten, wie es auch derzeit für Verfassungsänderungen erforderlich ist. Die Opposition kontert, dieses Quorum zu erreichen sei so schwierig, daß eine solche Volksinitative eine bloß formale Möglichkeit wäre. Sie verlangt, daß die Hälfte der Wahlbeteiligung der letzten Parlamentswahl ausreichen solle. Dies gilt auch derzeit bei Referenden über einfache Gesetze. Gestritten wird ebenso über die Änderung der Rechte des Präsidenten.

Die Abgeordneten der Regierungsparteien bremsen nach Auskunft der Ausschußvorsitzenden, Solvita Āboltiņa, von der oppositionellen Neuen Zeit die Arbeit des Ausschusses durch Abewesenheit, um die Beschlußfähigkeit zu unterlaufen. Selbst wenn die Angeordneten erschienen, käme keine Diskussion zustande, weil einige Fraktionen ihren Standpunkt noch nicht intern diskutiert hätten und die Volkspartei, die sich bereits eine Meinung gebildet habe, unter diesen Umständen ihre Position zu vertreten nicht bereit ist.

Es besteht kein Zweifel, daß die Regierungsparteien kein großes Interesse an einer schnellen Lösung dieser Frage haben. Und trotzdem prognostiziert die Volkspartei des abgetretenen Ministerpräsidenten Aigars Kalvītis nun, schon nächstes Jahr könne eine Verfassungsänderung verabschiedet werden. Das stünde Spekulationen über neue Bündnisse bis zur kommenden Wahl 2010 entgegen.

Der frühere Justizminister und Vertreter der konservativen Für Vaterland und Freheit, Dzintars Rasnačs, warnt vor übereilten Entscheidungen; in einer so wichtigen Frage müßten einheimische und internationale Verfassungsexperten gehört werden. Aboltiņa erwidert, nach einem Jahr Diskussion könne nicht von Eile gesprochen werden.

Der Vertreter der Ersten Partei / Lettlands Weg, Jānis Šmits, meinte, die 600.000 Bürger, die im Sommer Jahr für die Verfassungsänderung gestimmt hätten, seien noch nicht das Volk. Wie er das im Detail meint, ließ er offen. Immerhin ist das ein Viertel der lettischen Wohnbevölkerung vom Kleinkind bis zum Greis und eingerechnet der Einwohner, die nicht über die lettische Staatsbürgerschaft verfügen.

Der Präsident hat nach der Verfassung auch selbst das Recht zur Gesetzesinitiative, hätte also längst eine Verfassungsänderung einbringen können. Dies wäre die logische Reaktion auf seinen Auftritt bei der Manifestation 2007 gewesen. Davon hat Zatlers bislang keinen Gebrauch gemacht. Bisher also beschränkt sich seine Emazipation mehr auf Worte als auf Taten.

Unwägbarkeiten zwischen geltendem und zu schaffendem Recht
Āboltiņa meint, der Präsident dürfe nicht vergessen, daß Lettland eine parlamentarische und keine präsidentielle Republik sei, ihm also zunächst mehr representative Aufgaben zukämen, als der Eingriff in die alltägliche Politik.

Das angejährte Gesetzeswerk macht aus dem Regierungssystem tatsächlich einen Zwitter. Der Präsident hat entschieden mehr Rechte als in anderen repräsentativen Demokratien, wird aber gleichzeitig vom Parlament und zwar mit nur absoluter Mehrheit gewählt. Für seine Absetzung hingegen wären zwei Drittel der Abgeordneten erforderlich.

Abgesehen davon, daß Zatlers in einem dann fälligen Referendum über die von ihm angeregte Parlamentsauflösung auch unterliegen und damit sein Amt verlieren könnte, könnte das Parlament im Zeitraum zwischen der Anregung und der tatsächlichen Auflösung den Präsidenten absetzen. Die Verfassung beschränkt nämlich die Handlungsmöglichkeiten eines abgesetzen Parlamentes in diesem Punkt nicht kosequent. Sitzungen eines aufgelösten Parlamentes werden vom Präsidenten anberaumt, der auch die Tagesordnung bestimmt. Zahlreiche Politiker wollen darum auch die Rechte des Präsidenten konkretisieren.

Während der Erfolg eines Referendums nach der Manifestation 2007 zu vermuten gewesen wäre, ist die Frage des Impeachments verbunden mit der Aussicht auch der oppositionellen Parteien bei allfälligen Parlamentwahlen. Alles sieht also danach aus, als würden diese Fragen noch zwei weitere Jahre bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode vor sich hindümpeln.

Dabei ist es eine verfassungsrechtlich interessante Frage, Quoren für die Installation der Verfassungsorgane Parlament und Präsident mit denen ihrer Entlassung zu vergleichen. Ein Parlament ist völlig unabhängig von der Wahlbeteiligung gewählt. Welches Quorum also schiene logisch und vernünftig, damit Wähler und Wahlenthalter das von ihnen selbst gewählte oder hingenommene Parlament aufzulösen? Es macht sicher keinen Sinn, wenn letztlich ein Drittel der Wahlbevölkerung das Parlament aktiv wählt und anschließend die anderen zwei Drittel selbiges in die Wüste schicken können.

Überhaupt erinnert die Parlamentsauflösung durch das Wahlvolk an das imperative Mandat. Das ist ein Rätemodell und heißt auf Russisch Sowjet.

Die Regenschirmrevolution machte auf Kalvītis zwar so viel Eindruck, daß er zurücktrat. Sonst aber änderte sich nichts: der Leiter der Anto-Korruptionsbehörde wurde später doch abgesetzt, die Verfassung ist nicht geändert, das Parlament ist noch immer nicht aufgelöst und die gleichen Koalitionsparteien sind nach wie vor an der Macht.

19. November 2008

90 Jahre, ein stolzes Alter, eine stolze Leistung?

Die durchschnittliche Lebenserwartung des Menschen liegt nicht bei 90 Jahren. Für einen Staat ist das Alter von 90 hingegen ziemlich gering. Selbst so junge Staaten wie Deutschland oder Italien sind ein ganzes Stück älter. Aber gut, man kann den Letten nicht zum Vorwurf machen, daß Expansionsgelüste des Christentums sie unterjocht haben und sich über die anschließenden Jahrhunderte andere benachbarte Großmächte ihres Territoriums bemächtigten.

Um die Verbidung zwischen Staat und Mensch herzustellen: In Lettland erreicht die durchschnittliche Lebenserwartung mit 76 Jahren bei Frauen und 64,9 Jahren bei Männern einen der geringsten Werte in der Europäischen Union.

Aber Lettland als Staat wird auch nicht einfach nur 90, sondern gleichzeitig auch 17, 39 oder 33 – je nach Standpunkt. Die Republik Lettland wurde vor 90 Jahren ausgerufen. De facto bestand sie aber nur 39 Jahre lang, denn ein halbes Jahrhundert währte die Inkorporation in die Sowjetunion: folglich besteht die erneuerte Unabhängigkeit erst seit 17 Jahren. Umfaßt die Summe von 39 Jahren den Zeitraum der Souveränität, so ist die lettische Demokratie abzüglich der sechs Jahre der autoritären Herrschaft von Kārlis Ulmanis erst 33 Jahre alt. Wie wenig diese Zahl die Menschen interessiert, beweist, daß Ulmanis bemerkenswerterweise nach 1991 ein Denkmal gesetzt wurde, an dem die Menschen nach wie vor Blumen niederlegen.

Vergliche man den Staat konsequent mit einem Menschen, so wäre die wieder hergestellte Republik Lettland am Ende der Pubertät. Ein Teenager. Den Bestand der Republik betreffend, aber auch die in Freiheit verbrachten Jahre markieren ein Alter, in dem Energie und Erfahrung sich die Waage halten; mit 33 mag noch ein wenig Übermut vorhanden sein, aber mit 39 beginnt bereits ein Alter, in dem man von alten Gewohnheiten nicht mehr lassen kann?

Mit 90 wiederum kann der Mensch schon einmal ein wenig tüdelich sein. Jedenfalls waren die Feierlichkeiten rund um den 18. November geprägt von Phänomenen, die so sicher nicht in jedem Land passieren.

Bereits der 17.11.2008, ein Montag, also eigentlich ein Werktag, aber eben auch ein Brückentag, begann für jene, deren Arbeitgeber sich für die Brücke entschieden hatten, tariflich im Nahverkehr Rigas als Zahltag. Denn obwohl die Schaffner natürlich arbeiten mußten, galten Monatskarten für Werktage nicht. Da am Nationalfeiertag der ÖPNV immer gratis ist, durften sich die Schaffner wenigstens am Dienstag voll und ganz der Geburtstagsfeier ihres Staates widmen. Brückengewinner und –verlierer müssen jedoch den Arbeitstag am Samstag, dem 22. November, nachholen, ob sie nun persönlich für oder gegen die Brückenregelung waren.

Innerfamiliär kann dies Probleme hervorrufen, da ja nicht alle Mütter, Väter, Omas, Opas, Kinder und Enkel den gleichen Regeln unterliegen. So sehen sich viele sogenannte Fernstudenten, die üblicherweise samstags Vorlesungen hören, gezwungen, am 22. November zu arbeiten. Wegen der Brücke waren die Lehrstunden mancherorts am 9. November vorzuholen – in diesem Jahr ein Sonntag. Dies trifft natürlich gleichermäßen die Lehrkräfte. Wozu also eine Brücke am Monfeiertag, wenn dafür am Sonnwerktag die Werktagmonatskarte natürlich ebensowenig gilt?

Aber zum Jubiläum schlug Lettland, Riga noch eine weitere Brücke. Nachdem während der letzten Jahre viel über eine weitere Daugavaquerung zur Minderung der alltäglichen Staus diskutiert wurde, konnte das Bauwerk, die Südbrücke, jetzt endlich eingeweiht werden – natürlich nicht ohne Skandälchen. Der Direktor der Bauinspektion, Eduards Raubiško, gab kurz vor der Eröffnung bekannt, daß er selbst das Bauwerk mit 7 auf einer 10 Punkte Skala bewerten würde, wo 10 die Bestnote ist: nicht gut, aber auch nicht schlecht. Bekannt geworden waren Mängel am Bau.

Im Fernsehen kommentierte er die Anbindung an beiden Ufern, Passanten wurden um eine Bewertung der Ausschilderung gebeten. Und so schlug Raubiško vor, man solle doch einmal eine Exkursion über die Brücke machen, und dann würden sich die Fahrer schon an die Straßenführung gewöhnen. Dafür nutzt der Pendler freilich am besten einen Feiertag mit weniger Verkehr.

Und so wurde der Abend des Geburstages nach eindrucksollem, musikalisch untermaltem Feuerwerk bei klarem Wetter, intensiv genutzt. Die Schaulustigen der Feierlichkeiten fuhren nach Hause, Technikinteressierte zur Brücke; und in der gesamten Umgebung stand der Verkehr bis 23 Uhr nahezu still.

Präsident Valdis Zatlers und die anwesenden Amtskollegen aus Estland, Toomas Hendrik Ilves, und aus Litauen, Valdas Adamkus, hatten gemeinsam in ihren Ansprachen am Freiheitsdenkmal den Letten noch einen schönen Ausklang des Feiertages gewünscht.

18. November 2008

Finanzkrise mischt politische Karten in Lettland neu

Ivars Godmanis ist zum zweiten Mal Ministerpräsident von Lettland, allerdings erst seit weniger als einem Jahr. Ins Amt gelangte er, weil sein Vorgänger selbst für die eigene Partei unhaltbar geworden war. Kaum ist er im Amt, gerät das Land neuerlich in eine tiefe Wirtschaftskrise. Bereits zu Beginn der 90er Jahre hatte ein großer Teil der Bevölkerung ihm den sozialen Niedergang zum Vorwurf gemacht.

Noch im Sommer lag die Vermutung nahe, daß die deutlich größere Fraktion der Volkspartei Godmanis nicht lange gewähren läßt und selber sein Amt wieder zu besetzen trachtet, so wie es 2004 bereits einmal geschehen war. Doch im Angesicht der tiefen Verunsicherung in der Bevölkerung, deren massenhafter Andrang bei der Parex Bank die Probleme dort innerhalb von Tagen verschärfte wie auch der Sturm der Wechselstuben nach der Verbreitung von Gerüchten über eine bevorstehene Abwertung des lettischen Lat, wird die Volkspartei vorübergehend verschmerzen, nicht in vorderster Front Verantwortung zu tragen.
Das aber ändert nichts am Wunsch der Partei, wieder den Regierungschef und den Bürgermeister von Riga zu stellen. Da sich gerade in der Hauptstadt russischstämmige Einwohner mit Staatsbürgerschaft, also Wahlberechtigte konzentrieren, teilen sich lettische und russophone Parteien die Mandate im Stadtrat etwa zur Hälfte. Mangels anderer Nebenkriegsschauplätze ist der Stadtrat der Hauptstadt sehr politisiert. 2005 hatte die "Neue Zeit" gewonnen. Doch Bürgermeister Aivars Aksenoks regierte nur knapp zwei Jahre, bis er Anfang 2007 durch Jānis Birks von der nationalkonservativen "Für Vaterland und Freiheit" abgelöst wurde.

Nun ist folgendes Szenario denkbar, mit dem sich die Volkspartei stufenweise alle Wünsche erfüllen könnte: Zunächst wird der frühere Bürgermeister Andris Ārgalis, der damals ebenfalls "Für Vaterland und Freiheit" angehörte, dann aber zur Volkspartei wechselte, in Riga inthronisiert und zwar mit Hilfe der Sozialdemokraten und der russophonen Fraktionen des Harmoniezentrums und Heimat (Dzimtene). Dieser Name klingt eher nationalistisch, doch unter dieser Flagge trat 2005 eine Koalition mit der Sozialistischen Partei an, deren radikalerer Flügel in einer anderen Fraktion sitzt.

Dieses Revirement wäre eine Brüskierung von Für Vaterland und Freiheit, die daraufhin wohl die nationale Koalition verlassen würde, was Godmanis die Mehrheit kostete.
Präsident Zatlers beriefe daraufhin Godmanis erneut, der dann mit der Volkspartei und dem russophonen Harmoniezentrum eine Regierung bildete. Das Harmoniezentrum war in Form der Partei der Volksharmonie erst einmal von 1994 bis 1995 Mehrheitsbeschaffer einer Minderheits-Übergangsregierung und drängt seit langem an die Macht. Außerdem könnte die Volkspartei unter Ausschluß von Bauern und Grünen endlich die kommunale Gebietsreform umsetzen.

Einige Monate vor der kommenden Wahl 2010 könnte dann wieder die lettische Karte gezogen werden, die russophonen diskreditierend und mit der "Neuen Zeit" wieder auf den Kampf gegen die Korruption setzend. Die Umfragewerte der Volkspartei sind seit Monaten unterhalb von 5%. Die Partei hat also nichts zu verlieren, sondern nur zu gewinnen und – die Zeit bis zur nächsten Wahl zu nutzen.

11. November 2008

Par und ex - Banka Baltija 2?

Es passiert selten, dass deutsche Medien Nachrichten aus Lettland fast genausoschnell verbreiten, wie sie Lettinnen und Letten selbst auf dem Frühstückstisch haben. Bei der vor wenigen Tagen bekannt gewordenen Pleite der PAREX BANK war es so. "Die Bankenkrise hat Lettland erreicht", so oder so ähnlich klang die Nachricht - und wer sich schon ein paar Jahre mit lettischen Belangen beschäftigt, sieht sich mit Sicherheit an den Zusammenbruch der "Banka Baltija" im Jahre 1995 erinnert.

Damals verloren tausende lettischer Privatkunden ihre Rücklagen - mitten im schwierigen Wirtschaftsumbruch. Gleichzeitig war damals Wahlkampf, und der deutsche Rechtsaußen Siegerist nutzte die Krisenstimmung um mit flotten Sprüchen und kostenlosen Bananen 15% zu holen. Heute dagegen verkündet Ministerpräsident Godmanis schlicht, er sehe keinen Grund, Geld von der PAREX BANK abzuziehen, nur weil der Staat ein Kontrollpaket übernommen hat. Immerhin sind sich deutsche und lettische Medien in sofern einig, das von "panikartigen Abzug von Einlagen" bei der PAREX-Bank die Rede war. Das Handelsblatt nennt sogar Zahlen: 60 Mio. Lats (84 Mio. Euro) seien von der Bank abgezogen worden. Der lettische Fernsehsender LNT wurde bei TVNET so zitiert: "Beobachtungen bezeugen, dass es meist ältere Leute oder Russischsprachige sind, die sich um ihre Geldanlagen sorgen." Da klingt ein wenig der Wunsch durch, ein "echter Lette" möge sich bitte durch den eigenen Staat geschützt fühlen.

Gesichert scheint aber, Finanzexperten zufolge, zumindest die Aussage zu sein, dass die Lage der baltischen Staaten nicht mit derjenigen Islands zu vergleichen ist. Die baltischen Banken sind nicht wie die isländischen auf internationale Raubzüge gegangen. Im Gegenteil: der baltische Finanzmarkt ist fest in ausländischem Besitz. 95 Prozent des estnischen Bankensektors wird von drei schwedischen und einer dänischen Bank dominiert, und auch in Lettland und Litauen ist er mehrheitlich in skandinavischer Hand und damit von den dortigen umfassenden Garantien abgesichert. Die nun verstaatlichte Parex-Bank war die Ausnahme, das größte baltische Institut ohne westliche Beteiligung. (Badische Zeitung 10.11.08) Also darf weiter spekuliert werden, welche Aus- wirkungen die kommende Krise in Lettland haben wird. 

Während Minister- präsident Godmanis der lettischen Presse gegenüber von 1,3% Rückgang des Bruttosozialprodukts für das gesamte Jahr 2008 prognostiziert (Motto: nur nicht übertreiben!), geht das lettischen Statistikamts für das dritte wie für das letzte Viertel 2008 von je 4,2% Rückgang aus. Für die lettische Presse weiterhin interessant scheint die Frage zu sein, was mit dem Vermögen der zwei bisherigen Haupteigentümer der PAREX-Bank, Valērijs Kargins und Viktors Krasovicks, nun passiert. Die Bankübernahme sieht nämlich auch die Beschlagnahme allen Privatvermögens vor, sowie das Einfrieren der Aktionbeteiligungen. Schon haben eifrige Fotografen eine Luxusvilla im Ortsteil Bulduri des Badeorts Jurmala im Visier, die offiziell der Tochter von Krasovicks überschrieben ist, aber als "Residenz" nicht nur gilt, sondern auch so aussieht. Dank offiziell zugänglicher Eigentums- und Steuererklärungen veröffentlichen Zeitungen heute genaue Aufstellungen des gesamten Vermögens der beiden bisherigen Millionäre (DIENA) - ein Vorgehen, wäre es auf Deutschland übertragbar, ja bekanntlich gelegentlich deutsche Politiker dazu verleitet, von "Progromen" zu sprechen. Zwei Luxuskarossen der Marke "Maybach" sollen von den "K&K Millionären" erst Ende Oktober auf eine Firma überschrieben worden sein, die wiederum erst eine Woche zuvor gegründet worden sei, weiß DIENA, und zählt die weiteren Autos im Bankbesitz auf: ein Aston Martin, ein Bentley Continental, ein BMW X5, ein Lexus LS 600HL, zwei Mercedes und ein Porsche Cayenne Jeep. 

Übrig bleibt die Frage, ob neben der Übernahme der Bank-Verbindlichkeiten (von 200 Millionen Lat ist die Rede) durch den lettischen Staat PAREX überhaupt im Bankwesen noch eine Rolle spielen wird. Ein Beitrag bei FINANCE-NET.LV von heute geht davon aus, dass PAREX bisher vor allem von russischen Investoren genutzt wurde, um ihr Geld "im Westen nutzbar zu machen". Dies werde so unter der Eigentümerschaft des lettischen Staates sicher nicht mehr gemacht, so die Schlußfolgerung. Noch Anfang 2008 hatte PAREX stolz verkündet, "eine der am nachhaltigsten wachsenden Banken" in Lettland zu sein, mit Einlagen von über 4,3 Milliarden Euro, 2.500 Angestellten, Filialen in 15 Ländern - darunter Berlin, Hamburg, Stockholm, Mailand, Tallinn and Narva - und Partnerbanken in der Schweiz. Das mit den bisherigen Eigentümern abgeschlossene Übernahmeabkommen sieht übrigens formell auch eine Zahlung an beide vor: je 1 Lat für jeden.

Infos und Berichte zum Thema: PAREX sagt selbst dazu: "Weitere Information können Sie anfragen oder rufen Sie uns an: +49 30 779 077 444. DIE WELT (11.11.): Verstaatlichte Parex-Bank setzt Geschäftstätigkeit normal fort SPIEGEL online (9.11.): Lettland verstaatlicht Parex-Bank SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (11.11.): Anleger in Sorge HANDELSBLATT (9.11.) : Banken-Verstaatlichung in Lettland BADISCHE ZEITUNG (10.11.): Die Krise erreicht das Baltikum DIE ZEIT (9.11.): Lettland verstaatlicht Parex-Bank FINANCIAL TIMES (9.11.): Riga rettet Parex-Bank FAZ (11.11.): Bank für drei Euro - und trotzdem kein Schnäppchen