30. April 2009

2.Wahl für Lettland

Feiertage & Wahltage
Nur noch wenige Feiertage sind zu überstehen, bis es politisch wieder interessanter wird in Lettland. Nach dem 1.Mai (Tag der Arbeitslosen), dem 4.Mai (Tag der Unabhängigkeitserklärung), dem 9.Mai (den einige als Tag des Sieges über den Faschismus feiern, andere ziehen den Tag als Europatag vor), dem 16.Mai (Nacht der Museen), dem 17.Mai (Riga-Marathon), dem 5.Juni (internationaler Umwelttag) ...

Dann der 6.Juni. Zweifache Wahl. Wählen gehen, das funktioniert am 6.Juni 2009 in 2 Farben: erstmals finden im demokratischen Lettland zwei Wahlen an einem Tag statt. Ein blauer Wahlzettel für Europa, ein roter für die Kommunalwahl. Fast wirkt es wie eine Bestrafung fürs Wahlvolk, dessen Leit-Slogan ja längere Zeit war: "Atlaist Saeimu!" ("löst das Parlament auf!"). Gerade Parlament und Regierung bleiben durch die kürzliche Neuformierung der Regierung (durch einen nach Riga zurückgekehrten Europa-Parlamentarier!) nun im Amt, aber die beiden anderen Ebenen sollen neu bestimmt werden. Bei den Kommunalwahlen wird erstmals nach der Gebietsreform in neuen, größeren Wahlkreisen abgestimmt. Eigentlich sollten die Motivationen ja unterschiedlich sein, aber vielleicht beschreibt auch ein Beitrag in DIENA vom 27.April die Stimmung richtig; es gäbe auf kommunaler Ebene momentan gar keine eigene Themen, da alle nur über den drohenden Staatsbankrott reden.

Gerade diejenigen, die sich eher für Persönlichkeiten als für Parteiprogramme entscheiden möchten, werden es diesmal schwer haben. Nicht nur Regierungschef Dombrovskis kehrte vom Europajob nach Riga zurück - viele haben "die Stühle gewechselt" und tauchen nun mit veränderten Zielen und Ambitionen an anderer Stelle wieder auf (Kandidatenlisten zur Europawahl sind HIER einzusehen, Kommunalwahllisten HIER).
Bei den zurückliegenden Wahlen war die Wahlbegeisterung auch schon nicht überwältigend: 53% beteiligten sich zuletzt 2005 bei den Kommunalwahlen, und nur 41% bei den Europawahlen.

Ein Trost blieb an diesem 1.Mai - wenigstens sportlich hat er Schlagzeilen gemacht. Bei der Eishockey-WM bezwang das lettische Team nach Schweden nun auch die Schweiz. Gerade rechtzeitig um zum Jahrestag die Stimmung ein wenig zu heben.

Bilanzen
5 Jahre nach dem EU-Beitritt gibt es wenig Euphorie für die Politik. Feierlichkeiten, gemeinsames Liedersingen zu Tausenden am Daugava-Ufer wie am 30.4.2004, das fiel diesmal aus. In Altstadtnähe (Vērmanes dārzs) werden Informationen zu den EU-Mitgliedsstaaten angeboten.
Der Fernsehsender LNT zitiert unterschiedliche Meinungen zu "5 Jahre EU-MItgliedschaft". Während die einen vor allem an offene Grenzen denken ("die Kinder haben es jetzt besser"), weisen andere auf den Zusammenbruch ganzer Produktionsbereiche wie Zuckerfabriken und Fischerei hin und schieben das auf die EU.

Auch die neuesten Zahlen des lettischen Statistikamtes lohnen zu lesen. Einige der lettischen Pressestimmen meinen, nach dem Zusammenbruch der größten lettischen Bank, nach dem Beinahe-Staatsbankrott und den bereits erfolgten massiven Lohnkürzungen im eigenen Landes stünde nun ein weiteres Ausschweifen einer Welle von Arbeitsmigranten über ganz Europa bevor. In den offiziellen Migrationsstatistiken erfasst sind nur knapp 10.000 Menschen (3465 davon wanderten nach Lettland im Jahre 2008 ein, der Rest wanderte aus). Oft ist zu hören und zu lesen, diese Zahlen müsse man eigentlich verdoppeln, um sich der realen Zahl der Arbeitsemigranten anzunähern. 269 Menschen wanderten im Jahr 2008 übrigens aus Deutschland nach Lettland ein (Rückkehrer?) Die Statistik erfasst nur die Herkunftsländer, so auch 198 Menschen aus Irland (wohl kaum Iren).
1383 Lett/innen meldeten sich 2008 nach Irland ab (14,6% aller Auswanderer), 879 auch nach Deutschland (9,3%).
59,2% aller Auswanderer hatten die lettische Staatsbürgerschaft. Bei den Einwandern dominieren mit 60,2% die Männer, während bei den Auswanderer/innen mit 56,3% die Mehrzahl Frauen sind.
Die lettischen Statistiken verraten auch noch, dass 58,6% derjenigen, die 2008 zur Arbeitsaufnahme ins Ausland zogen, vorher in Lettland eine Beschäftigung hatten - nur 23,6% waren Arbeitssuchende, der Rest Schüler und Studierende.

Wer die Qual hat, hat keine Wahl?
Mit "Horror-Szenarien" für Deutschland titelt wieder mal nur die ZEITUNG MIT DEN GROSSEN BUCHSTABEN - illustriert von Uni-Professor Klaus Segbers. "Billig-Arbeiter werden auch 2010 nicht den deutschen Arbeitsmarkt überschwemmen", sind sich die Autoren hier sicher. Nun ja, wessen Lohn in Lettland drastisch sinkt - bei Preisen fast wie in Westeuropa - was möchten wir den lettischen Brüdern und Schwestern denn zurufen? Harret aus auf eurer landschaftlich wunderschönen Lauku sēta, seid freundlich zu den deutschen Touristen, und haltet die Steuern niedrig für deutsche Unternehmer, die in eurem Lande investieren möchten? Zumindest die europäische Stimmung möchte sich die deutsche Politik ja nicht vermiesen lassen - und kommunal wird zumindest der Stuhl des Bürgermeisters von Riga konzentrierte Aufmerksamkeit bringen. Also mal gespannt, in welche Richtung die lettischen Wahlergebnisse weisen.

24. April 2009

Über Rumpelstilzchen und lettische Kühe II*

Wir haben es nur vermutet, Wissenschaftler haben es jetzt auch bewiesen: Die Kühe, die einen Namen tragen, geben durchschnittlich 258 Liter Milch pro Jahr mehr (ein Plus von 3,5 Prozent), als namenlose Tiere. Das hat eine dreijährige Studie der Universität Newcastle herausgefunden, so berichtet das frisch erschienene Heft GEO 05/2009.

Die Forscher begründen das mit einem persönlichen Verhältnis zwischen Bauern und Kühen. Die zusätzliche Aufmerksamkeit während der Aufzucht, wenn die Kühe zwischen 15 und 24 Monate alt sind, wirke sich positiv auf das Verhalten der Tiere aus und erleichtere den Kühen den stressigen Übergang in die Melkherde.

Die Wissenschaftler haben in ihrer Studie leider nicht die lettischen Kühe mit den Flussnamen einbezogen; es ist aber auch durchaus möglich, dass die Kühe mit einem Flussnamen sogar noch 0,1 Prozent mehr Milch geben, als die Kühe mit einem einfachen Namen ...

*Den ersten Teil Über Rumpelstilzchen und lettische Kühe habe ich am 13.03.2009 im Lettland Blog geschrieben.

23. April 2009

23.April - Tag des Buches


Ronalds Briedis | Das Buch

Auf dem Deckel
Sind ein paar Hundert
Fingerabdrücke

Auf den ersten zehn Seiten
Hundertundacht

Auf den nächsten zehn zweiundfünfzig
Auf den nächsten sechsunddreißig

In der Mitte des Buchs
Sind es nur noch elf
Dann fünf, vier, drei, zwei, einer...

Nach Seite zweihundertzweiundvierzig
Kein einziger mehr

In die letzte Seite
Hat jemand ein Lesezeichen gelegt

Deutsch von Matthias Knoll

http://www.literatur.lv/

22. April 2009

Geburtstagsfeier ohne Geburtstagskind

Heute vor 139 Jahren wurde Wladimir Iljitsch Uljanow Lenin geboren. Dieser Tag wurde heute auch in Riga von den Anhängern des Sowjetregimes gefeiert – an der Stelle, an der bis zum 24. August 1991 sein Denkmal stand – an der Kreuzung der Brivibas Straße (ehemalige Lenin-Straße) und Elisabetes Straße, gegenüber dem Ministerkabinett von Lettland. Sein Denkmal stand dort für 41 Jahre bis Anfang der neunziger Jahre, als in Lettland alle Lenin-Denkmale als Symbole der alten sowjetischen Ordnung abgebaut wurden.
Die Letten haben auch eine andere Beziehung zu dem großen Revolutionär gehabt: In der Zeit der russischen Revolution 1917-1918 kämpften viele Letten in dem lettischen Schützenregiment für die Macht Lenins. Noch heute werden in vielen Familien Geschichten über die Vorfahren, die für eine klassenfreie Gesellschaft in Russland kämpften, erzählt.

20. April 2009

Warnung vor Öl aus Lettland

Wie einige Nachrichtenagenturen heute morgen meldeten, hat aus Lettland importiertes Heizöl Probleme bei privaten Ölheizungen in Westfalen, Niedersachsen und Bremen verursacht (AFP). Der Geschäftsführer des Außenhandelsverbandes für Mineralöl und Energie, Bernd Schnittler, bezifferte den Schaden auf 3,5 Millionen Euro.Die Brennstoffhändler müssen nun Reinigungsaktionen bei den betroffenen Kunden durchführen und über dies hinaus sämtliche Tanks neu befüllen.
Das Öl sei per Schiff nach Deutschland gekommen und bei D&S in Bremen gelöscht und weiter transportiert worden.
"Günstiges Öl per Mausklick" - diesen Service hatte D&S noch vor kurzem seinen Kunden angeboten. Nun wird geklärt werden müssen, wo und wie die Verschmutzung in das Heizöl gelangen konnte, und ob Schadenersatzklagen geltend gemacht werden können.
Diersch & Schröder wurde bereits 1920 in Bremen gegründet und ist heute mit 15 Tochterunternehmen und Beteiligungen einer der größten konzernunabhängigen Mineralölhändler Deutschlands (Die Welt).

Siehe auch: Westfalenblatt vom 19.4.09

Für Nachfragen beim Händler: Diersch & Schröder Tanklager Bremen

16. April 2009

Adler online live beobachten

Lettland ist ein beliebtes Reiseziel der Ökotouristen und der Hobbyornithologen.
Jetzt kann man einer Adlerfamilie aber auch vom Heimcomputer aus ins Nest schauen. Das Ziel des Projektes des Teiču Naturreservates, einem Regenmoor in Lettland, ist es das Schreiadlerbaby Aquila pomarina bei der Nahrungsauswahl zu beobachten und dabei detaillierte Information zu seinem Fressverhalten zu bekommen. Der Anlass dafür ist der zunehmende Schwund der Adlerpopulation in Lettland. Der Grund dafür könnte die ansteigende menschliche Einmischung in den natürlichen Lebensraum der Vögel sein.

Allerdings ist das Jungvogel noch nicht da – Die Eiablage erfolgt meist Anfang bis Mitte Mai. Die Gelege bestehen meist aus zwei Eiern, seltener aus nur einem und sehr selten aus drei Eiern.

Allerdings ist das Jungvogel noch nicht da – Die Eiablage erfolgt meist Anfang bis Mitte Mai. Die Gelege bestehen meist aus zwei Eiern, seltener aus nur einem und sehr selten aus drei Eiern.

Ab dem ersten Ei wird gebrütet, der Legeabstand beträgt 3 bis 4 Tage. Die Brutdauer beträgt 38 bis 41 Tage, wobei überwiegend das Weibchen brütet. Falls zwei Küken schlüpfen, wird das zweite Küken vom zuerst geschlüpften Küken durch Schnabelhiebe getötet, sodass außer in seltenen Ausnahmefällen immer nur ein Jungvogel ausfliegt. Ende Juli bis Mitte August fliegen die Jungvögel aus. Bis zu ihrem Abzug um Mitte September werden sie von den Eltern gefüttert und jagen nur ausnahmsweise selbstständig. (Wikipedia)

Aquila pomarina in Teici

Das Pflanzen und Tierreich Lettlands


11. April 2009

Bei nicht Gefallen – Abwahl

Jetzt ist es also beschlossen: In Lettland wird das Volk künftig per Referendum das Parlament auflösen können. Eine ungewöhnliche Regelung im internationalen Vergleich, denn anderswo können die Legislativen sich entweder selbst auflosen oder stehen im Falle einer Beschlußunfähigkeit unter dem Verdikt des Staatsoberhauptes. Die Saeima hat mit dieser Verfassungsänderung jedoch ihr Versprechen an Präsident Zatlers auch terminlich eingehalten. Und das war in diesem Fall ebenso wichtig wie der Inhalt.

Rückblende
Noch am Nachmittag des 31. Märzes wurde spekuliert, ob Präsident Valdis Zatlers am Abend ankündigen werde, die Auflösung des Parlaments zu veranlassen. Er nahm schließlich mit einer ausführlichen Begründung davon Abstand.

Zur Erinnerung, in Lettland ist die Parlamentsauflösung nach der Verfassung von 1922 nur auf Anregung des Präsidenten möglich, worüber dann ein Referendum stattfinden muß, daß im Falle eines ablehnenden Ergebnisses den Präsidenten selbst das Amt kostet.

Das Staatsoberhaupt hatte in seiner Reaktion auf die Ausschreitungen vom 13. Januar Parlament und Regierung aufgefordert, einige konkrete Beschlüsse zu fassen. Sollte dies nicht bis zum 31. März geschehen, werde er der Verfassung entsprechend die Parlamentsauflösung anregen. Da Zatlers damit der Politik eine Frist setzte, kam seiner Forderung einem Ultimatum gleich.

Die Einmischung des Präsidenten in die Arbeit von Legislative und Exekutive war verfassungsrechtlicht fragwürdig. Lettland ist eine parlamentarische Demokratie. Trotzdem erhielt Zatlers hinreichenden Beifall, weil in Bevölkerung und Medien begrüßt wurde, daß überhaupt einmal ein politischer Würdenträger durchgreift. Zustimmung gab es auch zum Inhalt. Der Präsident forderte:

- Die Wahl eines neuen Chefs der Anti-Korruptionsbehörde. Diese Position war seit der Absetzung von Andrejs Loskutovs im Frühjahr 2008 vakant.
- Neue Gesichter in die Regierung.
- Die Änderungen des Wahlgesetzes und damit die Abschaffung der Möglichkeit, in mehr als einem der fünf Wahlkreise zu kandidieren.
- Eine Ergänzung der Verfassung, die der Bevölkerung das Recht zur Parlamentsauflösung per Referendum gibt. Ein Referendum über eben diese Ergänzung auf Volksinitiative war 2008 wegen zu niedriger Beteiligung gescheitert.

Politische Hyperaktivität
Tatsächlich haben Parlament und Regierung es geschafft, diese Aufgaben in ungewohnter Eile zu erfüllen, obwohl im selben Zeitraum nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Ivars Godmanis auch noch eine neue Regierung gebildet werden mußte – aber auch das war freilich ein Teil der Forderungen Zatlers’.

Zunächst wurde eine neue Koalition unter Einschluß und sogar Führung der bisher oppositionellen Neuen Zeit gebildet. Ein neuer Chef der Anti-Korruptionsbehörde wurde eingesetzt, wenn auch umstritten blieb und kritisiert wurde, daß erneut die stellvertretende Leiterin, Juta Strīķe, nicht berufen wurde. Das Wahlgesetz wurde ebenfalls wie verlangt geändert.

Nur der Verfassungzusatz, im Gesetzgebungsverfahren die komplizierteste Forderung, war zwar bis zum 31. März nicht abgeschlossen; das Parlament versprach jedoch, dies bis zum 8. April nachzuholen.

Gesagt – getan; nun hat Ministerpräsident Valdis Dombrovskis alle Aussichten, daß seine Regierung bis zu den turnusmäßigen Wahlen im Herbst 2010, wie er sich anläßlich seiner Nominierung bereits gewünscht hatte, wird im Amt bleiben können. Denn, regt der Präsident die Auflösung des Parlamentes nicht jetzt an, was wegen der verschiedenen juristischen Fristen eine vorgezogene Wahl erst im Herbst 2009 nach sich ziehen würde, ist eine nur um wenige Monate vorgezogene Wahl anschließend wenig sinnvoll und daher unwahrscheinlich.

Veränderte Situation?
Die Drohung des Präsidenten ist damit weitgehend verpufft, wenn auch Kommentatoren bereits vorschlugen, Zatlers möchte nun den nächsten Forderungskatalog aufstellen.

Andererseits hatte Zatlers kaum eine Alternative. Und so begründete er auch seinen Rückzug. Hätte der Präsident die Parlamentsauflösung angeregt, wäre die gerade erst angelobte neue Exekutive bis zum allfälligen Urnengang ein Kabinett auf Abruf gewesen, eine lahme Ente. Doch gerade in der Krise ist eine handlungsfähige Regierung für Lettland von großer Bedeutung. Bereits Godmanis beklagte nach seinem erzwungenen Rücktritt, daß sich die Königsmörder hätten überlegen müssen, welche Folgen für das Land entstehen, wenn in die Verhandlungen mit dem IWF eine nicht unterschriftsberechtigte Regierung geht.

Gewiß, die neue Regierung wird nun angeführt nicht nur von einem an Jahren jungen Politiker. Es gibt auch eine Reihe von Ministern, die bislang keine hohen politischen Ämter innegehabt hatten. Andere Spitzenpolitiker haben allerdings nur eine Rochade vollzogen.

Andererseits stellt sich die Frage, warum dies alles nicht auf dem gewöhnlichen parlamentarischen Weg funktionieren konnte. Noch Anfang März hatten alle Koalitionspartner bei einem oppositionellen Mißtrauensvotum Ivars Godmanis gestützt, um ihn nur zwei Wochen später zum Rücktritt zu drängen. Der Präsident erklärte damals, Godmanis genieße sein Vertrauen nicht mehr. Bereits damit überschritt er seine Kompetenzen, denn in einer parlamentarischen Demokratie benötigt der Regierungschef nur das Vertrauen des Parlaments.

Der damalige Innenminister Māreks Segliņš hätte als Parteivorsitzender der Volkspartei ganz einfach durch seinen Rücktritt und den aller Minister seiner Partei aus der Koalition ausscheiden können, um Godamnis die Mehrheit zu entziehen.

Der Zusatz zur Verfassung
In der Diskussion um die Verfassungsergänzung stritten die Parteien über die erforderlichen Quoten. Bekanntlich sieht die Verfassung schon bisher Unterschiede für die Volksabstimmungen über Verfassungsänderungen und einfache Gesetze vor – die Beteiligung der Hälfte aller Wahlberechtigten oder nur der Beteiligung bei den letzten Parlamentswahlen. Bei einer durchschnittlichen Beteiligung von ungefähr 70% ist die Anforderung bei einfachen Gesetzen also deutlich abgeschwächt.

Volkspartei, Erste Partei / Lettlands Weg sowie Bauernunion und Grüne verlangten für die Parlamentsauflösung die qualifiziertere Quote, während die pro-russischen Parteien Harmoniezentrum und Für die Rechte des Menschen in einem integrierten Lettland wie auch die Bürgerliche Union und die Gesellschaft für eine andere Politik für die abgeschwächte Variante eintraten. Die nationalkonservative Für Vaterland und Freiheit lehnte die Ergänzung der Verfassung grundsätzlich ab.

Der Kompromiß sieht nun zwei Drittel der Wahlbeteiligung der letzten Parlamentswahlen und die Hälfte der Wahlberechtigten vor. Das ist zweifellos eine eher hohe Hürde.

Der Parlamentsauflösung auf Volksinitiative werden weitere Zeitbeschränkungen auferlegt. Ein Referendum kann im ersten Jahr nach einer Wahl und im letzten vor dem nächsten Urnengang wie auch während der letzten sechs Monate der Amtszeit des Präsidenten nicht stattfindet. Darüber hinaus muß zwischen zwei angestrengten Versuchen mindestens ein halbes Jahr liegen.

Der Verfassung innere Widerspruche
Dzintars Rasnačs von Für Vaterland und Freiheit, der in den 90er Jahren Justizminister war, kritisiert, die Letten wurden nun zu Versuchkaninchen. Der Politiker begründet diese Auffassung mit der Unüblichkeit des nun verabschiedeten Mechanismus in der demokratischen Welt. Doch warum soll eine exotische Regelung allein aufgrund ihrer Einzigartigkeit zweifelhaft sein?

Demokratietheoretisch fragwürdig sind andere Aspekte. Die Möglichkeit einer Auflösung des Parlaments ist generell nicht an Verfahrengründe, sondern an Einschätzungen und Zufriedenheit gebunden. Die Legislative Lettlands steht folglich nicht wie anderswo unter dem Verdikt einer vorgezogenen Neuwahl nur dann, wenn sie etwa über einen konkreten Zeitraum außerstande ist, eine neue Regierung zu bestätigen oder den Haushalt zu verabschieden, wenn also das politische Prozeß ins Stocken gerät.

Als Grund dafür bennenen andere Verfassungen sowohl die Unfähigkeit einer Mehrheitsfindung trotz entsprechender Bemühungen der Abgeordneten, wie auch die Erkenntnis der Abgeordneten, in der gegebenen Parlamentszusammensetzung nicht mehr arbeiten zu wollen.

In Lettland ist statt dessen einerseits wie bisher das Mißfallen der Rigaer Burg ausschlaggebend, dem nun jenes der Bevölkerung hinzugefügt wird. Im ersteren Fall mag ein Präsident eine tatsächliche Beschlußunfähigkeit des Parlamentes zum Anlaß nehmen. Wenn aber das Volk bereits ein Jahr nach seiner eigenen Wahlentscheidung bereits sein Mißfallen zum Ausdruck bringen kann, dann geht es nicht um die Fähigkeit des Parlamentes zur Gesetzgebung, sondern um die Unzufriedenheit mit Abgeordneten, also Personen und mit Inhalten, also Policy. Beides ist de facto eine Annäherung an die Idee des imperativen Mandats. Damit stellt sich die Frage, ob dem nun beschlossene Verfassungszusatz nicht eine Portion Verfassungswidrigkeit innewohnt, weil Ablehnung der konkreten Politik ein Widerspruch zur Gewissensfreiheit des Agbeordneten ist.

Doch nicht nur das gibt zu denken. Auch die Diskussion um die Quoten gilt es demokratietheoretisch zu beleuchten. Die geringere, von einigen Parteien geforderte, jedoch nicht realisierte Quote hatte nämlich bedeuten können, daß bei einer geringen Wahlbeteiligung ein Jahr nach dem Urnengang mitunter 16% der Wahlberechtigten ein Parlament auflösen, welches 60% der Wahlberechtigten gewählt haben. Aber auch die verabschiedete, qualifizierte Quote ermöglicht es, daß zahlenmäßig weniger Wähler ein Parlament aufzulösen in der Lage sind, als sich an seiner Wahl beteiligt haben.

Alle diskutierten Probleme sind darauf zurückzuführen, daß Lettland 1993 die alte Zwischenkriegsverfassung wieder in Kraft gesetzt hat, die ähnlich wie die Weimarer Verfassung, unter dessen Eindruck sie entstanden war, keine konsequente Gewaltenteilung vorsieht und damit deutlich über das in parlamentarischen Demokratien allgegenwärtige Problem der Mehrheitskongruenz in Parlament und Regierung hinaus geht.

Fazit
Weder der Entstehungsprozeß der Verfassungsänderung ist über alle Zweifel der demokratischen Willensbildung erhaben, noch ihr Inhalt, der außerdem an schon bestehenden Unzulänglichkeit nichts ändert. Ganz im Gegenteil: Die Schwierigkeiten, an denen die lettische Politik krankt, werden nicht repariert. Statt dessen zementieren derzeit policy und politics, Inhalt und Prozeß der Verfassungsänderung die oligarchische Struktur des Regierens in Lettland.

Freilich bleibt anzumerken, daß wie gewöhnlich bei derartigen Verfassungsänderungen diese erst nach der kommenden Wahl in Kraft treten. Wie Vineta Muižniece, die Vorsitzende des Justizausschusses sagt, müsse das jetzige Parlament in dem gesetzlichen Rahmen arbeiten, unter dem es gewählt wurde.

Die turnusmassigen Wahlen finden im Herbst 2010 statt. Welche Rolle könnte die Verfassungsergänzung ab Herbst 2011 spielen?

9. April 2009

„Küste“ auf dem Weg zu neuen Ufern

Das ist ein kleines Wortspiel. Küste ist einer der vielen Begriffe aus der Natur, die in Lettland häufig auch Nachname sind. Die lettische Übersetzung von Küste ist Krasts und so heißen eben auch viele Menschen in Lettland, darunter der ehemaliger Regierungschef Guntars Krasts. Der Politiker sitzt seit 2004 im Europäischen Parlament, wo er die nationalkonservative Partei “Für Vaterland und Freiheit” vertritt, welche vor Jahren mit der Unabhängigkeitsbewegung zum lettischen Kürzel TB/LNNK fusionierte.

Krasts vertrat diese Partei, ist nunmehr die bessere Formulierung, denn er kandidiert zwar erneut für das Europaparlament, dieses Mal aber auf der Liste von Libertas, der vom irischen Unternehmer Declan Ganley gegründeten euroskeptischen Partei.

Verblüffend bei dieser Umorientierung, gerade die nationalkonservative bisherige Heimat Krasts’ hat immer großen Wert auf den Schutz der lettischen Sprache gelegt. Jetzt ergreift er Partei für eine Partei mit einem lateinischen Namen, der für die örtliche Wählerschaft weder übersetzt noch lettisiert wird. Letzteres geschieht sonst mit allen ausländischen Eigennamen, in vielen Fällen bis zur Unkenntlichkeit – z.B. war Džons Meidžors mal Prime Minister in Großbritannien. Libertas sollte also Brīvība heißen oder wenigstens doch Libertass oder auch Libertasa, denn die Freiheit ist auf Lettisch wie im Deutschen auch weiblich. Libertase wäre deshalb ebenso möglich.

Guntars Krasts wirkte in den 90er Jahren in verschiedenen Kabinetten und Koalitionsregierungen. Den Posten als Ministerpräsident bekleidete er von 1997 bis 1998. Die damalige 6. Saeima war ein stark fragmantiertes Parlament mit drei Kräften, die als größte Parteien jeweils nur 15% der Stimmen erlangt hatten. Die Regenbogenkoalition führte zunächst mit zwei Kabinetten der damals parteilose Andris Šķēle, dessen steigende Popularität ihm den Rückhalt unter den Koalitionspartnern untergrub. Nach seinem Rücktritt führte Krasts die Regierung bis zu den turnusmäßigen Wahlen 1998.

Die Partei Libertas wirbt damit, die einzige politische Kraft zu sein, die paneuropäisch denkt und Europa bürgerfreundlicher machen möchte. Und so warb jüngst auch Krasts für eine Reform in Richtung einer nachhaltigen EU. Krasts sagte, Europa müsse demokratisch, verantwortlich und für die Bürger erreichbar sein. Europa sollte ökonomischem Wachstum und der Freiheit der Bürger dienen und nicht den Brüsseler Eliten. Die Partei lehnt den Reformvertrag von Lissabon als bürgerfeindlich ab.

Der Vorsitzende der Partei, Declan Ganley, lobte Krasts als einen Vertreter jener großartigen Generation in Europa, die aufgestanden sei und das Joch einer unfreien Herrschaft abgeschüttelt habe.

Der Parteigründer war 1992 kurzzeitig auch Wirtschaftsberater der lettischen Regierung.

8. April 2009

Euro = teuro? Aber für wen?

Rund um die gemeinschaftliche Währung in der Europäischen Union hat es zu keinem Zeitpunkt an Skepsis und Kritik gemangelt.

Zunächst und in Westeuropa ging es um Nutzen und Risiken. Die deutschen Professoren Wilhem Hankel, Wilhelm Nōlling, Karl Schachtschneider un Joachim Starbatty warnten vor der Einführung und jüngst im Rahmen der Finanzkrise erneut vor den Gefahren. Die Währungsunion werde scheitern. Einige Staaten wollten den Euro gar nicht erst einführen und blieben entsprechend bei ihrer nationalen Valuta.

In den 2004 beigetretenen Staaten ging es um dan Namen selbst. Vom allgemein französisch ausgesprochenen, eigentlich englischen Kürzel ECU abrückend hatten sich die beteiligten lAnder auf den – meiner Meinung nach einfallslosen – Namen Euro geeinigt. Die Griechen traten dank unkorrekter statistischer Angaben der Euro-Zone sofort bei und durften einen griechischen Aufdruck auf den Banknoten durchsetzen, weil ihre Sprache nicht das lateinisch Alphabet verwendet. Nach 2004 foderten die Letten, es möge Eiro oder besser noch Eira als dritte Variante hinzugefügt werden, damit sich der Name der Währung in ihrer Sprache deklinieren läßt.

Darum aber soll es hier nicht gehen.

In der Finanzkrise gibt es nun erneut eine Kakophonie der Meinungen. Während Professor Nölling den Zusammenbruch der Euro-Zone prognostiziert, weil die reichen Länder die ärmeren de facto unterstützten, so behauptete der im lettischen Ventspils lehrende Ökonom Dmitrij Smirnow, der für seine markigen Sprüche schon einmal vom Verfasungsschutz verhaftet worden war, daß für sein wirtschaftliche bedrängtes Land die EU generell kein Rettungsanker sei, denn die Union werde sowieso binnen der nächsten zwei bis drei Jahre zerbrechen.

Andere Länder hingegen spekulieren mit der Einführung der Gemeinschaftswährung. Island diskutierte sogar über den dafür erforderlichen Beitritt zur EU.

Die Regierungen Ostmitteleuropas wiederum setzen angesichts eines Abwertungsdruckes auf ihre nationalen Währungen jetzt noch mehr auf den als stabiler geltenden Euro und wollen die Einführung der Gemeinschaftswährung in ihren Länder beschleunigen. Im Baltikum trat insbesondere der estnische Ministerpräsident Andrus Ansip in den letzten Wochen mehrfach mit Prognosen an die Öffentlichkeit. In Lettland war Smirnow gerade wegen seiner Abwertungsspekulationen 2008 zwei Tage lang festgehalten worden.

Nun prescht nach einem Bericht der Financial Times der IWF vor. Ungarn, Rumänien, der Ukraine und Lettland wurde bereits Hilfe zugesagt und auf dem G20 Gipfel in London die großzügige Aufstockung der IWF-Mittel beschlossen. In einem vor einem Monat erstellten, vertraulichen Dokument schlägt der Währungsfond vor, die ostmitteleuropäischen EU-Mitglieder sollten den Euro als Zahlungsmittel einführen, auch ohne der Währungsunion formal beizutreten. Dieser Vorschalg würde bedeuten, daß die betreffenden Staaten zwar den Euro als Bargeld einführen, aber keine Sitze in der Europäischen Zentralbank einnehmen.

Das wäre ein Zustand ähnlich wie im Kosovo. Das nur halb unabhängige Land verfügt allerdings nicht nur nicht über eine eigene Währung.

Der IWF begründet seinen Vorschlag damit, daß die Stabilität der Länder damit erhöht werde, weil die auswärtige Schuld kalkulierbarer und nicht mehr als nötig steigen werde. So könne Unsicherheit abgebaut und Vertrauen erhöht werden. Die Alternative sei, so heißt es, einen drastischen Sparkurs im Inalnd gegen zunehmenden Widerstand durchsetzen zu müssen. Dieses Szenario verfolgte die Regierung Godmanis in Lettland ebenso wie der neue Ministerpräsident Dombrovskis.

Dieser IWF Report wurde zur Unterstützung einer gemeinsamen Kampagne mit der Weltbank und der Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erstellt, mit der die EU-Länder überredet werden sollten, einen speziellen Fond für die ostmitteleuropäischen Mitglieder einzurichten. Diese Idee aber war am Widerstand sowohl aus Westeuropa wie auch aus dem Ostteil des Kontinents gescheitert. Die Länder der Eurozone wie auch die EZB lehnen eine Änderung oder Abschwächung der Beitrittskriterien ab.

Der IWF prognostziert für die ostsueropäischen Staaten inklusive der Türkei 413 Milliarden US-$ Auslandschulden und weitere 84 Milliarden US-$ Außenhandelsdefizit. Die Finanzierungslücke für 2009 und 2010 werde 186 Milliarden US-$ betragen.

4. April 2009

Polizei, Freund und Helfer und ... Übel?

Die Polizei soll für Ordnung sorgen, sowohl prophylaktisch als auch ermittelnd. Wie erleben die Menschen in Lettland die Polizei und was erlebt die Polizei selbst in der Krise?

Das lettische Radio berichtete jüngst von einem Autorfahrer, der sich wohl demnächst gezwungen sieht, mehrere hundert Lat Strafe zu bezahlen und die theoretische Führerscheinprüfung zu wiederholen. Grund dafür ist, daß er nach eigenen Angaben an einer unübersichtlichen Kreuzung in Richtung Vecāķi – ein Vorort von Riga nahe der Daugavamündung – mehrfach von der Polizei angehalten worden sei. Ein Polizist habe ihm ganz offen vom Hinweis eines Vorgesetzten berichtet: wo keine Sünder bestraft würden, werde es auch keine Arbeitsplätze für Polizisten geben: Der Fahrer unterstellt nun, daß die Polizei lieber an kritischen Stellen abkassiere, als über selbige Meldung an die Verwaltung zu erstatten, damit die Verkehrsführung verbessert werden kann. Gegen die Strafe klagen werde er aber nicht, weil das nur Geld und Nerven koste.

Zwar gab es, besonders unter Ausländern schon in der Vergangenheit wenig Positives über die Verkehrspolizei und deren Korrumpiertheit zu berichten. Der nun erhobene Vorwurf entbehrt aber nicht einer gewissen Fragwürdigkeit, denn die Verkehrspolizei könnte in Riga umfangreich zur Kasse bitten, da es beinahe nirgends an Verstößen mangelt. Oft wird der Wechsel der Fahrtrichtung oder auch der Spur nicht angezeigt. Gerne wird an großen Kreuzungen mit langen Wartezeiten für Linksabbieger statt dessen rechts abgebogen, um anschließend an der roten Ampel der kreuzenden Straße vor dem ersten dort wartenden Fahrzeug stehen zu blieben.

Ein weiteres Problem ist freilich, daß sich einer Mißachtung der Straßen- verkehrs- ordnung gerne auch die Polizei selbst schuldig macht. Manchmal ist sogar nicht schlüssig, warum ein Streifenwagen plötzlich vor einer roten Ampel Blaulicht und / oder Sirene einschaltet.

Ein Moderator der Verkehrssendung Zebra meint, die Autofahrer müßten sich selbstverständlich wehren. Wer Ordnung wolle, müsse auch für diese kämpfen. Nichts geschehe von alleine, und darum sei es manchmal sogar sinnvoll, wegen zehn Lat zu streiten.

Der Chef der Verkehrspolizei, Edmunds Zivtiņš, widerspricht dem eingangs zitierten Polizisten. Es gäbe keine derartigen Anweisungen. Die Höhe der Strafe hinge beispielsweise davon ab, wie häufig der konkrete Kraftfahrer bereits vorher aufgefallen sei und wie sehr er seine Dokumente in Ordnung habe.

Die neue Innenministerin, Linda Mürniece, hat im Rahmen der Verhandlungen über die vorzunehmenden Haushalteskürzungen jedenfalls betont, sie werde keine Kürzungen der Einkommen des operativen Dienstes zulassen.

Das könnte auch als bitter nötig bezeichnen werden, denn eine schlechter bezahlte Polizei wird nicht motivierter arbeiten. Und wenn die Gelder für Kraftstoff gekürzt werden, droht eine verschlechterte Einsatzfähigkeit. Das aber ist in der Krise ebenfalls ein Problem. Denn die Zahl von Verbrechen und auch Gewaltanwendung ohne räuberische Absichten hat sich erhöht.

Im März wurden im Park Esplanāde zwei zusammengeschlagene junge Männer gefunden. Einer von ihnen, erst 20 Jahre alt, verstarb später im Krankenhaus. Eine aus Aizkraukle stammende Gruppe von fünf jungen Männern hatten an diesem Tag noch mindestens 20 weitere Personen überfallen. Da es sich, wie die Polizei erklärte, nicht um Personen mit körperlicher Überlegenheit handelte, bewaffneten sie sich und überfielen an der Oper sogar eine Frau. Bald darauf konnten zwei der Täter auf frischer Tat im Park verhaftet werden, während die verbliebenen in Aizkraukle festgenommen wurden. Ein Mann versuchte durch einen Sprung aus dem Fenster im dritten Stock zu fliehen.

Eine vergleichbare Gruppe von Gewalttätern reiste aus Saurieši an und überfiel Passanten in Purvciems und anderen Wohnsiedlungen.

Die Polizei konstatiert darüber hinaus eine generelle Zunahme von Gewalt. Im Januar wurde in Saulkalne eine Verkäuferin ermodert. Der später verhaftete 28jährige Täter gab an, die Frau wegen eines Streites ermordet habe und erst anschließend auf die Idee gekommen zu sein, die Kasse zu rauben. Im März war in einer Rigaer Vorstadt eine 67jährige Damen in ihrer Wohnung mit der Axt erschlagen worden. Wie sich später herausstellte, war die Täterin eine gleichaltrige Bekannte, die so offenbar einen alten Konflikt beendete und anschließend 100 Lat stahl.

Vor wenigen Wochen hatte das Radio bereits berichtet, daß die Menschen zunehmend Angst haben, Opfer einer Gewalttat zu werden und deshalb alleine und in der Dunkelheit nicht mehr unterwegs seien.

3. April 2009

Der moderne Mensch und lettische Osterbräuche

In Lettland, genauso wie in Deutschland, wird Ostern seit Jahrhunderten gefeiert. Und genauso wie in anderen christlichen Ländern, wurden Kirchenfeiertage auch in Lettland schlauerweise von den Kirchenmännern auf die alten heidnischen Feiertage verlegt. In dem Gedächtnis der Letten lebt immer noch der Dualismus der paganischen und christlichen Traditionen fort. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass im Baltikum das Christentum ein paar Jahrhunderte später eingeführt wurde, als in Westeuropa. In dem lettischen Heidentum symbolisierte das Osterfest das Erwachen der Natur.

Aber was kann ein moderner Mensch von den lettischen Osterbräuchen lernen? Vieles.

Ein sehr wichtiger Oster - brauch ist das Gesichtwaschen in einem Bach. Dieser Brauch wird leider heutzutage nur noch sehr wenig praktiziert, aber zu unrecht: Er wirkt wie eine Art Anti–Aging- und Sonnenschutzprodukt zugleich – wer sich das Gesicht vor dem Sonnenaufgang in einem von Westen nach Osten fließenden Bach oder Fluss wäscht, der wird schön und bekommt im Sommer keinen Sonnenbrand. Nur einmal im Jahr früh aufstehen, Gesicht waschen und schön werden – es gibt kein günstigeres Schönheitsmittel!

Ein weiterer Nebeneffekt des Gesichtwaschens in einem gegen die Sonne fließenden Bach ist seine antidepressive Wirkung – denn er wird das ganze Jahr munter sein und kann morgens früh aufstehen.

Die gleiche Wirkung wird auch dem obligatorischen Osternschaukeln zugesprochen. Das wird öfter praktiziert und es soll auch vor den Mückenstichen im Sommer schützen, denn in Lettland gibt es viel mehr Mücken und andere lästige Insekten als in Deutschland. Sehr wichtig - die Schaukeln sollten nach Ostern verbrannt werden, damit die Hexen nicht darin schaukeln können. Aber mit den modernen Anti-Mückenstichprodukten wird das Problem auch schon auf eine moderne Weise gelöst.

Wenn ein moderner Mensch jetzt sagt, das alles sei nur Aberglaube und es wirke nichts, hat er damit auch recht – ein unreines Wasser kann keine gesundheitsfördernde Wirkung mehr haben. Außerdem sind die Menschen heutzutage sehr sparsam und selten werden die Schaukeln nur für das Osterfest gebaut und danach verbrannt. Damit verliert das Schaukeln seine magische Wirkung.

Überdies glaubt der heutige Mensch lieber an die Wirkung der Medizin und der Schönheitsindustrie als an die der Volkstraditionen – auch hier hat der Placeboeffekt keine Chance mehr.

Ostern in Lettland

Lieldienas