30. Dezember 2015

Gebändigte, Dressierte und Entrüstete

Ungewöhnliche Aktivitäten ereignen sich in letzter Zeit vor dem Eingang einer sehr traditionsreichen Kultureinrichtung in Riga: der Zirkus, der in einem inzwischen (seit 2003) unter Denkmalschutz stehenden Gebäude unweit des heutigen Hauptbahnhofs zu finden ist. Schon am 29. Dezember 1888 wurde dort die allererste Vorstellung angeboten - der Zirkus ist also noch glatte 30 Jahre älter als der Staat Lettland. Zirkusdirektor und Ex-Kunstreiter Alberts Salamonskis (auch sein Vater, Wilhelm Salamonskis, und seine Mutter Julia waren schon Zirkusleute gewesen), der auch in Berlin, Odessa und in Moskau einen Zirkus betrieb, baute ihn damals in Riga auf; der Architekt Jānis Fridrihs Baumanis gestaltete das Gebäude ungewöhnlicherweise aus Eisenbahnschienen. Bis zur Eröffnung mussten einige Diskussionen mit der zuständigen Bauverwaltung überstanden werden, die Sorge um die Sicherheit der Nachbarn des Zirkus hatte.

Rigaer Zirkusgeschichte:
mit Albert Salamonskis Pferde-
dressur fing es einst an
Mit Pferdedressur, Akrobaten, Seiltänzern und Clowns fing es an, mit Beleutung durch Gaslampen, mit eigener Plattform für ein Orchester und bequemen Sitzen fürs Publikum. Salamonskis hatte Geschäftssinn, und er versprach seinem Publikum immer die neuesten Wunder der sich schnell wandelnden modern Welt zu präsentieren. Konzerte fanden im Gebäude an der Merkela iela statt, Kinovorführungen, aber auch spezielle Programme für Kinder. "Zirkus ist der Ort, wo es ein wenig erlaubt ist, öffentlich zu lachen," soll Salamonskis gesagt haben. Der Zirkus machte sein Publikum aber auch mit Vorstellung von Ringkämpfen im griechisch-römischen Stil und Gewichtheben bekannt.

Der Zirkusgründer starb 1913, seinen Namen trug das Haus noch bis 1941, als er verstaatlicht und in „Staatlicher Zirkus der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik“ umbenannt wurde. Auch Erinnerungen an das Riga der 1930iger Jahre erwähnen den Zirkus meist als einer der beliebtesten Orte zur Unterhaltung der Rigenser.
Heute beträgt die Kapazität 1000 Zuschauer, und von September bis Mai ist Saison mit vier bis sechs Vorstellungen pro Woche.

Jedes Jahr wird ein neues Programm vorbereitet - doch zuletzt gab es andere Schlagzeilen um den Zirkus. Der Verein Dzīvnieku brīvība ("Tierfreiheit") organisierte schon mehrere Protestaktionen gegen angebliche Tierquälerei im Zirkus. Der Verein setzt sich gegen jede Nutzung von Tieren im Zirkus ein, spricht sich dafür aus Veganer zu werden und auch auf die Pelztierzucht zu verzichten. Viele Ziele in einem Topf, könnte man sagen - in sofern hat auch die Protestparole "Für einen menschlichen Zirkus" zumindest doppelte Bedeutung: sollen die Menschen sich nur noch an menschlichen Kunstücken und Kapriolen erfreuen dürfen? In der Vorweihnachtszeit schreckten Schlagzeilen wie "Lettische Intelligenz für Tierverzicht im Zirkus" die Besucher auf; tatsächlich ließen sich einige lettische "VIP's" wie die Schriftsteller Inga Ābele und Pauls Bankovskis, sowie Ex-Präsidentschaftskandidat Egils Levits für die Kampagne einspannen. Auslöser der Proteste war 2014 ein Gastspiel des Elephantendresseurs Lars Hölscher (Ex-Gründer Zirkus Fliegenpilz), gegen den bereits Protestkampagnen auch in anderen Ländern liefen (siehe PETA).
Im gleichen Jahr geriet auch eine Löwendressur in Riga in starke öffentliche Kritik (fokus.lv).

Protestaktionen vor dem Gebäude des Zirkus in Riga
Die Rigaer Zirkusdirektion versucht sich zu wehren (in Deutschland gibt es ja inzwischen auch die Kampagne "Tiere gehören zum Zirkus"). Eines der häufig gehörten Argumente ist sicherlich, dass vor allem Kinder die Tiervorführungen lieben. Höhepunkte sind auch regelmäßig Kinder- und Jugendzirkusfestivals in Riga - ganz ohne Inanspruchnahme von Tieren. Der Zirkus führte Befragungen der Besucher durch, denen zufolge sich 95% zugunsten der Tierdressuren aussprachen. Zirkusdirektorin Lolita Lipinska betont, alle Regularien des Tierschutzes einzuhalten, die europaweit inzwischen üblich seien. Am meisten gelitten haben die Tiere des Rigaer Zirkus am 19.März 2015, als in einer der Künstlergarderoben im 2.Stock des Hauses ein Brand ausbrach und alles evakuiert werden musste; zwar mußten umfangreiche Renovierungen vorgenommen werden, aber Kuppel und Manege blieben weitgehend unbeschädigt. Noch kurz vor Weihnachten wurde im Rahmen einer Presseerklärung bekräftigt, dass alle Sicherheitsbestimmungen weiterhin eingehalten seien. Das zuständige Kulturministerium bewilligte aber Geld für weitere notwendige Arbeiten an der Außenfassade des Gebäudes, die auch die Verankerung von Fahrdrähten für den Öffentlichen Nahverkehr betreffen.

Der Rigaer Zirkus ist weiterhin der einzige in den baltischen Staaten (Salamonsky hatte damals auch in Tallinn einen Zirkus gegründet, doch der brannte bald darauf ab). Im Januar 2016 steht zum fünften Mal das Festival "Zelta Kārlis" (Goldener Karl) an, zu dem bisher vor allem Gäste aus Frankreich, der Ukraine und Russland zu erwarten waren. Der Titel des laufenden aktuellen Zirkusprogramms kommt dabei schon ganz ohne Tierisches aus: von "drei wundersamen Wassertropfen" ("Trīs burvju ūdens lāses") ist da die Rede, von Effekten mit Licht und Wasser, plus Autritt des "Ziemassvētku vecītis" (Weihnachtsmann, ganz traditionell). Als tierische Akteure ist in der aktuellen Liste der Mitwirkenden noch von Tauben, Katzen und Hunden - Tierarten, deren artgerechte Haltung und "Dressur" sicher auch in vielen Privathaushalten (Stichwort: "Verhätschelung") in Frage stehen könnte. Die Protestaktivisten wollen weitermachen und erreichen, dass in Rigas Zirkus zukünftig auf Tierdressuren ganz verzichtet wird.

25. Dezember 2015

Liepājnieks in New York

Kristaps Porziņģis könnte gegenwärtig der bekannteste Lette der Welt sein, nach Schlagzeilen in den Medien gemessen - das spekulierte kürzlich die "Latvijas Avize", nicht ohne ihren Leserinnen und Lesern die beruhigende Weihnachtsbotschaft zur Lektüre überbringen zu können: "Ich werde nie vergessen, woher ich komme!"

Wieder einmal also ein Auslandslette. Nur, dass die Basketball-begeisterten Letten genau wissen, wo ihr Olymp steht: in der NBA, der "National Basketball League" der USA. Was sind schon "Sportler des Jahres"? Gegenwärtig reden alle vom neuen Star der "New York Knicks", am 2.August gerade einmal 20 Jahre alt geworden, stolze 2,21m groß, als "bester Neuling" ("Rookie") dieser Saison in der "Eastern Conference" bereits nominiert. Auf "Sport1" war von "Lettlands Antwort auf Dirk Nowitzki" und vom "lettischen Giganten" zu lesen, den englischsprachigen Fans wird sogar sein Name in Lautsprache angeboten, damit er korrekt angefeuert werden kann: " Latvian pronunciation ['kris.taps 'pʊ͡ɔr.ziɲ.ɟis]". Als Sohn basketballspielender Eltern begann er früh mit 6 Jahren, spielte bis 15 bei den "BK Liepājas Lauvas" ("Liepāja-Löwen"), mit 17 debütierte er schon in der höchsten spanischen Liga (Sevilla). "Von den Bars und Kneipen musste man ihn nicht fernhalten, er hat immer sehr ernsthaft seine Ziele verfolgt", meint sein Vater, ebenfalls ein Ex-Basketballspieler ("IR"). Aber in Spanien hatte er Gesundheitsprobleme, tat sich nicht ganz leicht Spanisch zu lernen und man sagte ihm Kommunikationsprobleme mit seinen Trainern nach.

Am 25.Juni 2015 gab es noch Buh-Rufe, als die New York Knicks verkündeten, den Letten in ihre Mannschaft zu holen - inzwischen werden neue Spitznamen geschaffen: Porziņģis Treffsicherheit am Korb, dazu seine Rebound-Stärke, ließen die schnell wachsende Fanschar von "Porzingod", "Zingis Khan" oder "Godzingis" schwärmen. "Kristaps hat Glück gehabt, dass er gerade bei den 'Knicks' gelandet ist," meint der lettische Sportjournalist Guntis Keisels. "In einer anderen Mannschaft gäbe es auch andere Stars, aber die 'Knicks' suchten gerade nach neuen Helden, die dem Team ein Gesicht geben." (lsm)  Im ersten Jahr kann Porziņģis bereits auf über 4 Millionen Dollar hoffen (brutto); einige gut bezahlte Werbeverträge kamen inzwischen ebenfalls hinzu. "Das große Geld wird ihn nicht verderben," ist sich sein Ex-Trainer in Liepāja, Edvīs Sprūde, sicher.

Dafür, dass der junge Basketballstar sich in den USA wohlfühlt, trägt auch bei, dass Mama Ingrīda und Papa Tālis nun eine Wohnung im Norden New Yorks bezogen haben, und so - obwohl außerhalb Lettlands - die Familie wieder beisammen ist, inklusive beide ältere Brüder Mārtiņš und Jānis. Gefragt nach seiner liebsten Freizeitbeschäftigung, antwortet Kristaps ohne Zögern: zu Hause sein und genießen was Mama kocht.

Anfangs gab es allerdings auch andere Schlagzeilen - zumindest in der Heimatpresse. Kurz nachdem er in den USA angekommen war, gab er dem Newsportal TMZ ein Interview, und diese titelte: "Lettisch lernen ist Zeitverschwendung!" (TMZ 5.6.15) "Lettisch wird nur in Lettland gesprochen, und keiner fährt nach fucking Latvia!" sprach Porziņģis in eine laufende Kamera. Der TMZ-Reporter, nicht faul, suchte in der lettischen Tourismuswerbung und fand - ein Puppenmuseum in Preili. "Na, wie es aussieht, echt gruselig - vielleicht hat Porziņģis Recht - niemand fährt nach Lettland!"
Das erregte in Lettland doch ein wenig die Gemüter. Zur Aufmunterung trug das lettische Duo "Transleiteris" (Lauris Mihailovs und Edžus Ķaukulis, die ansonsten u.a. mit "Modern-Talking"-Parodien auftreten) mit einem eigenen Rap-Song auf Porziņģis bei. - Die lettische Tourismuswerbung bemüht sich inzwischen mit Anzeigen im Jahrbuch der "Knicks" um ein besseres Image - ob die New Yorker sich also in Riga mal sehen lassen?

Webseite Kristaps Porziņģis

17. Dezember 2015

Flucht, Flüchtende, am flüchtendsten

Wer immer in der deutschen Kulturszene bisher noch keinen Kulturschaffenden aus Lettland kannte - vielleicht nimmt diese Rolle nun der Regisseur Alvis Hermanis ein. Seit etwa 10 Jahren inszeniert der fünfzigjährige Lette nun an deutschsprachigen Bühnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz - leitet gleichzeitig das "Neue Theater" in Riga (Jaunais Rīgas Teātris - JRT) und versucht sich neuerdings auch an Opern. Seit am 4.Dezember aber das Hamburger Thalia-Theater eine knappe Pressemitteilung zur Absage einer für April 2016 geplanten Hermanis-Inszenierung herausgab, hat die Person Alvis Hermanis einen neuen Symbolwert aufgeklebt bekommen: ein Theaterregisseur, der Hilfe für Flüchtlinge für falsch hält und sogar deshalb die Zusammenarbeit aufkündigt? Ein Ignorant, ein Faschist, ein herzloser Mensch, ein Pegida-Anhänger, ein versnobter abgehobener Künstler, oder gar ein gefährlich Verwirrter?

Nonkonformismus als Lebenslinie
Zumindest gilt Hermanis auch in seinem Heimatland als jemand, der bei fast jeder öffentlichen Diskussion dabei ist - nicht nur wenn es um Kultur geht. 2007 weigerte er sich, zur Verleihung des "Dreisterneordens" (ähnlich dem deutschen Bundesverdienstkreuz) zu erscheinen, weil "es dort einige Personen gebe, denen er nicht die Hand geben wolle". Er schlug vor, man könne ihm den Orden ja auch per Post schicken, und erklärte gleichzeitig den Staat Lettland für "moralisch bankrott" (tvnet). Damals wurde heftig über die Art und Weise diskutiert, wie Präsident Valdis Zatlers ins Amt gekommen war; erst fünf Jahre später, als Zatlers Nachfolger Andris Berziņš das Amt übernommen hatte, erklärte sich Hermanis dann auch bereit, den Orden aus dessen Händen entgegenzunehmen (kasjauns).

Und als 2013 die damalige Kulturministerin Žaneta Jaunzeme-Grende die Leitung der Rigaer Oper lieber neu aussschreiben wollte, als weiter dem international bekannten und seit 1996 amtierenden Opernchef Andris Žagars zu vertrauen (siehe Blogbeitrag), stellte sich auch Hermanis, zusammen mit vielen anderen lettischen Kulturschaffenden, dagegen. "Wenn wir nicht aufpassen, kommt es in Lettland auch so wie in Ungarn, wo Nationalradikale versuchen die Kulturlandschaft in ihrem Sinne zu säubern", sagte Hermanis damals (lsm), wohl wissend, dass Jaunzeme-Grende von der nationalradikalen Partei (Nacionālā Apvienība) in die Regierung berufen war. In Deutschland vielleicht unvorstellbar, aber das Faktum eines ins Abseits gestellten Operndirektors veranlasste den damaligen Regieungschef Dombrovskis, die Kulturministerin kurzerhand zu entlassen (lsm). Aus lettischer Sicht ungewöhnlich waren die offenen Protestmethoden im Kulturbereich - T-Shirts, Facebook-Gruppen und Demos mit dem Slogan "Grende, atkāpies!" (Grende, tritt zurück).
"Graue Eminenz des europäischen Theaters", so bezeichnete ein Kritiker der FAZ 2010 Hermanis: auch wenn man das gelten ließe, ein "Mentor des lettischen Kulturlebens" ist er wohl auch. 

Generationen, Nationen, Heimat und Familie
Viele von Hermanis' Inszenierungen drehen sich um die essentiellen Lebensfragen wie Liebe, Tod, Identität und Selbstbehauptung. In seiner Anfangszeit als Chef beim JRT sagte er einmal in einem Interview: "Nach meinen ersten Aufführungen hielten sie mich für einen sexuellen Maniak, nach der zweiten für einen Homosexuellen, nach der dritten schimpften sie mich als dekadent." (KasJauns) Er hatte vieles ausprobiert vorher, nachdem er in den 80iger Jahren nach eigener Aussage darauf gewartet hatte, irgendwie dem Sowjetsystem zu entkommen; Anfang der 1990iger ging er zunächst in die USA - anfangs mit der Absicht, nicht mehr zurückzukehren.

Spätestens seit der Inszenierung von Gogols "Revisor" bei den Salzburger Festspielen 2003 (er gewann dort den "Young directors Award") wurde Hermanis international bekannt und gefragt; er ging jedoch keinesfalls als Eremit oder Einzelgänger durch die Welt. Alvis Hermanis ist gegenwärtig Vater von sieben Kindern: mit seiner zweiten Frau, der Schauspielerin Kristīne Krūze-Hermane hat er drei Kinder, weitere drei stammen aus erster Ehe mit der Estin Merle Kiiver, eines aus einer vorehelichen Beziehung. Gar nicht so einfach, als Vater für diese Kinder zu sorgen: gegenwärtig lebt eines in Deutschland, drei in Estland und drei in Lettland. Auch beruflich hielt sich Hermanis oft in Deutschland auf - eines kann ihm also nicht vorgeworfen werden: die Situation in Deutschland nicht zu kennen. Bei so viel Vaterschaft liegt nahe, dass er auch mit seinem Stück "Väter" irgend etwas von sich selbst mit auf die Bühne brachte (siehe Burgtheater, Hebbel am Ufer), und dies dann sogar noch um zwei Dimensionen - die Generationen, verschiedene Nationalitäten - erweitert. Wen wird es noch wundern, wenn er auch jede seiner Inszenierungen mal als seine "Kinder" bezeichnet hat? "Jede Aufführung hat eine eigene Seele, und sie sind wie Spiegel deiner selbst."

Auch in Russland war Hermanis oft zu Gast, inszenierte dort erfolgreich sein Stück "Langes Leben" ("Gara dzīve"), erhielt dafür 2007 die "Goldene Maske", und wiederholte das 2010: "Goldene Maske" für "Shukshins Geschichten", ein Stück, das er auch in New York (in russischer Sprache) auf die Bühne bringen wird. "Zwar gehen wir jeden Abend ins Theater, aber etwas besseres haben wir nie gesehen!" jubelte damals die russische Fachpresse (zitiert nach "KasJauns") Und Perestroika-Held Mihail Gorbatschow, bei der "Golden Maske" unter den Organisatoren, soll gesagt haben, das Stück habe ihn "emotional sehr bewegt und zum Weinen gebracht, wie ein Kind."
Doch 2014 setzte Putin höchstpersönlich Hermanis auf eine "schwarze Liste" von in Russland unerwünschter Personen - wohl als "Revanche" dafür, dass in Lettland einigen russischen Künstlern die Einreise verweigert worden war, die sich allzu offen zugunsten der russischen Seperatisten in der Ukraine geäussert hatten. - Der Freundschaft Hermanis mit einigen russischen Kollegen schadete das offenbar nicht, Hermanis erklärte lediglich seine "physische Präsenz in Russland" als "gegenwärtig nicht nötig", forderte aber Putin auf, dann konsequenterweise auch das Theaterstück zu verbieten (lsm). Schon 2012 hatte Hermanis zur Uraufführung der Oper "Die Soldaten" an die "Pussy Riot" erinnert, die in Russland verhaftet worden war (KasJauns).

Sowjetische Vergangenheit, erweiterter Horizont
Hermanis, aufgewachsen im Rigaer Stadtteil Ķengarags, schöpft daraus, einen Teil der Sowjetvergangenheit mit anderen Lebensrealitäten zu verknüpfen: das Resultat auf der Bühne erscheint auch lettischen Zuschauern oft paradox, grotesk, absurd, voller Seltsamkeiten. “Als in der Sowjetunion die Veränderungen anfingen, war ich ungefähr 20 Jahre alt," sagte Hermanis einmal (KasJauns). "Ich habe nicht mehr unter diesem Regime gelitten, ich kam da raus wie trocken aus dem Wasser. Das erlaubt mir heute, auch etwas melancholisch über die Vergangenheit nachzudenken. Aber ohne Nostalgie - wohl aber über meine Jugend. Als ich Aufführungen in Westeuropa machte, begann ich zu verstehen, dass man mich wegen dieser Erfahrungen auch beneiden könnte; sie erweitern meinen Horizont."
Hermanis gesteht sich zu, dass manche seiner Inszenierungen ortsgebunden sind: was in Berlin inszeniert wird, könnte in Moskau schwierig zu verstehen sein, und "Shukshins Geschichten" waren nur für Moskau gedacht. In Lettland muss Hermanis manchmal erklären, warum die Aufführungen des Jaunais Rīgas Teātris gerade im deutschsprachigen Raum so gut ankamen, und er erklärt das so: "Das deutsche Theater hat es schon immer vermocht, Ästetik, Intellektualität und meisterhafte Darstellerkunst zu vereinen." (KasJauns)

Danach gefragt, welche Fähigkeit ihm selbst die beste Grundlage bei seiner Arbeit sie, kommt wieder eine erstaunliche Antwort: "der Sport". In seiner Jugend habe er zunächst Eishockey, dann Fußball gespielt; der Held seiner Kindheit sei Helmūts Balderis gewesen, der zunächst Eiskunstläufer, dann Hockeyspieler war. In der lettischen "Yellow Press" ist Hermanis selten zu finden; während andere scheinbar gern Auskunft darüber geben, welche Schokolade ihnen am besten schmeckt, mit welchen Möbeln sie die eigene Wohnung einrichten, oder welche Wiskeysorte sie trinken - Hermanis überlässt die Pressearbeit oft der Marketingabteilung seines Theaters. Auch ein auffälliger Kleidungsstil ist seine Sache nicht. Gefragt danach ob es stimme, dass er am liebsten eine Wand um sich herum bauen würde, sagte er: "Ich bin eben ein typischer Lette, eher zurückhaltend. Alle Emotionen kommen auf der Bühne zum Ausdruck." Aber er sagt auch: "Jeder Künstler hat die Illusion, irgendwann weltberühmt und reich zu werden. Wenn du aber qualitatives Arbeiten wählst, dann isoliert dich das nur; es besteht die Gefahr, dass dich eine immer kleinere Gruppe von Menschen versteht."

Allzu viel Ehrfurcht vor gesellschaftlich scheinbar Bessergestellten kann Hermanis nicht nachgesagt werden. Interessant seine Geschichte über eine Opernaufführung in Salzburg, zu der viele Adelige aus ganz Europa angereist seien. "Plötzlich verstand ich, dass nahezu die Hälfte dieser Personen chronische Alkoholiker mit roten Gesichtern, schlechten Leberwerten und kranken Nieren sind", erzählte Hermanis. "Das ist doch eine traurige Geschichte: all diese reichen Alten, die mit ihren Brillianten spielen, und jeden Tag Champagner trinken." (KasJauns)

Das Theater sei keine gesunde Umwelt, von Zeit zu Zeit muss jeder da raus, sagt Hermanis. Vom Honorar gutbezahlter Aufführungen kaufte er sich ein Haus mit 40 ha Wald drumherum, der nächste Laden 20 km entfernt. Dort verbringt er eigenen Angaben zufolge drei bis vier Monate im Jahr.

Flucht vor den Flüchtlingen? Oder vor den Flüchtlingsfreunden?
Alvis Hermanis also nun plötzlich ein Fremdenfeind, Menschhasser, Antihumanist? Das mögen so ohne weiteres nur diejenigen glauben, die nie etwas mit Hermanis zu tun hatten - zugegebenermaßen viele. Wer Fragen habe, meint er selbst, solle den Text seiner persönlichen Erklärung ganz lesen, unverkürzt, aus erster Hand. Das sei zugestanden. 

Aber manchem wird es gehen wie mir: auch wenn ich mir die Zeit nehme alle Einzelheiten seiner Stellungnahmen in Ruhe durchzulesen, auch wenn ich alles über seine Arbeit und seinen verschiedenen künstlerischen Arbeiten und Ausdrucksweisen dazunehme: seine pauschale Verknüpfung von Flüchtlingsschicksalen mit Terroristen kann ich nicht teilen - allenfalls aus einer spontanen persönlichen Befindlichkeit heraus, die dann durch spätere Äußerungen zum Thema wieder relativiert werden könnten. Doch Hermanis schweigt.

Verhältnismäßig differenziert zeigen sich auch die Reaktionen in den deutschen Kulturspalten und Feuilletons - auch wenn Hermanis es anders darstellt, und einzig die NZZ lobt (da diese ihn ausführlich wörtlich zitiert). Populistisch beifallheischend reagierte lediglich die TAZ, die einen recht schlichten, sachlichen Kurzbeitrag schrieb, um dann in der Überschrift eben noch mal den Begriff "rassistischer Regisseur" draufzusetzen. Wobei man wohl richtigstellen muss: nicht die Hilfe für Flüchtlinge hatte Hermanis kritisiert, sondern lediglich die Begeisterung dafür (und für die Grenzöffnung). Ein Theater vor allem zum Refugees-Welcome-Zentrum machen zu wollen, damit will Hermanis nichts zu tun haben, zumal dies seiner Meinung nach gleichzeitig bedeutet, dass andere Meinungen nicht gelten gelassen werden.  
Andere Einordnungen muss Hermanis wohl verdauen - wenn er schon eine öffentliche Distanzierung für wichtiger hält, als seine persönlichen Auffassungen eben in Form von Theaterstücken zu verarbeiten. Er ist zu gut mit den Diskussionen innerhalb der deutschen Gesellschaft vertraut, um als "ahnungsloser Idiot" abgekanzelt werden zu können. Aber Begriffe wie "flüchtlingsfeindlicher Regisseur" (Die Welt) oder der Satz von "zu kurz gedachten Wutreden und pauschale Tiraden" (Süddeutsche) sind verständlich. "Auf diesen Regisseur kann das Theater gut verzichten", schlußfolgert sogar "DeutschlandradioKultur", und Jan Küveler legt in der Welt nach: "So paranoid sind ja nicht mal die von Pegida".

Nur schwarz oder weiß?
Es gibt auch andere Stimmen. Was Hermanis in seiner auf der Homepage des Jaunais Rīgas Teātris veröffentlichten Gegenstellungnahme unterschlägt ist, wie wenig "propagandamaschinenhaft" die deutsche Kulturszene reagiert. Das deutsche Theater habe sich "im Konformismus eingerichtet", schreibt der "Tagesspiegel". Bühne und Parkett, im Aktionismus vereint - da setze Hermanis zu recht etwas dagegen. Die "FAZ" konstatiert, Thalia-Indendant Lux habe seinen Regisseur "zum Abschuß freigegeben". Nun ja, offenbar stammte die ganze Auseinandersetzung, die im Ergebnis in der Presseerklärung des Thalia-Theaters resultierte, lediglich aus verschiedenen Emails. Theaterindendant Lux zog seine Schlüsse offenbar nur daraus, was Hermanis ihm schrieb, und machte das Surrogat dann öffentlich. Im Magazin "Kulturzeit" bei 3sat sagte Lux es zwei Tage später dann so:

"Ich habe verstanden, dass das Jaunais Rigas
Teatris das einzige Theater ist, wo ich mich wirklich
zu Hause fühle", eine Hermanis-Aussage aus
einem neuen Dokumentarfilm von Mārīte Balode,
Andis Mizišs und Aldis Šēnbergs für das
lettische LTV
"Ich habe mehr und mehr den Eindruck, dass nicht die baltischen Staaten sich isolieren, sondern dass Deutschland mehr und mehr isoliert ist in Europa, weil eben in Osteuropa völlig andere Stimmungen und Strukturen da sind. Und ich glaube es ist auch an der Zeit, dass wir uns mit diesen Stimmungen und Strukturen näher beschäftigen."...
"Der Reflex, jetzt wieder nationaler zu denken - der sich in der Flüchtlingsfrage ein Ventil sucht - der beruht auch darauf, dass nachdem man jahrzehntelang fremdbeherrscht war jetzt plötzlich in das westliche System hineinkommt, und man sich darauf besinnt zu sagen: nein, wir sind unter anderem auch Letten. Und das sind natürlich Bewegungen, die man auch ernst nehmen muss. Das sind Bewegungen die letztendlich globalisierungskritisch sind." (3sat) Jan Küveler sagt es kürzer und direkter: "Der Lette an sich mag keine Fremden" (Welt), und versucht dort zu treffen, wo Hermanis zu Hause ist: tatsächlich steht zu vermuten dass dort, wo gerade mal einige einzelne (handverlesene!) Familien zur Aufnahme in den Flüchtlingsstatus zu erwarten sind (im Laufe der nächsten zwei Jahre!), es mit der innenpolitischen Debatte um das Zusammenleben mit unterschiedlichen Kulturen, Mentalitäten und Glaubensrichtungen nicht weit her sein kann.

Das alles könnte auch eine sehr interessante Kulturdebatte sein - wenn da nicht die tatsächliche Gefahr der Rassisten, Fremdenfeinde und Deutschtümler wäre, Pegida-Verblendete und AfD-Zündler eingeschlossen, die offenbar jederzeit bereit sind, Flüchtingsheime entweder selbst anzuzünden oder das zu tolerieren. Zurecht wies Frieder Reinighaus in seinem Beitrag für die "Neue Musikzeitung" darauf hin, dass offensichtlich auch sehr viele Muslime unter den Sicherheitskräften in Paris gewesen seien, die Alvis Hermanis und die Besucher des „La Damnation de Faust“ geschützt haben. Angesprochen auf die Buh-Rufe, die nach den Aufführungen der vergangenen Woche mehrfach in Richtung Hermanis zu vernehmen waren, meinte der Betroffene übrigens in der lettischen Presse, man müsse verschiedene Aufführungen sehen. In der Uraufführung seien übermäßig viele sehr alte Leute gewesen - im Schnitt über 70 Jahren. Bei der Generalprobe dagegen seien es zumeist junge Leute unter 28 gewesen, und diese hätten mit stehenden Ovationen reagiert ("IR").
Nun ja, wir hoffen, dass der Herr Regisseur sich nicht doch noch im Nachhinein zu "Realitätsverschiebung" hinreißen läßt, die schon der polnische Schriftsteller Andrzej Stasiuk attestierte, und den Osteuropäern eine "Quarantäneunion" empfiehlt. Gleichfalls ist zu hoffen, dass Lux' These vom "Auseinanderbrechen Europas" falsch ist. "Wer Ärger vermeiden will, muss nur das Vorgegebene nachplappern" wirft Regiekollege Leander Haußmann ein (Welt). Während Alvis Hermanis tatsächlich meinte, sich bereits in "Zeiten des Krieges" zu befinden, wo "man sich für die eine oder die andere Seite entscheiden" müsse, sagt Haußmann: "Ja, es ist die Zeit der Ideologien. In solchen Zeiten heißt es: Nerven behalten." Wir hoffen das beste - im Sinne der Meinungsvielfalt, der notwendigen Unterstützung für Notleidende, und für ein gemeinsames Europa.


Erklärung des THALIA-Theaters vom 4.12. / Jaunais Rīgas Teātris

7. Dezember 2015

Vairas Revival

Die Vergabe des Hannah-Arendt-Preises ist in der Regel eine sehr seriöse Veranstaltung. Seit 1995 wird dieser Preis verliehen - mit dem Zusatz "für politisches Denken" versehen. Die ungarische Philosophin Agnes Heller hat ihn bekommen, der deutsch-iranische Schriftsteller und in diesem Jahr auch Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, Navid Kermani, auch der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch. 2005 war es Vaira Vīķe-Freiberga, damals noch als Präsidentin Lettlands im Amt.

Vaira Vīķe-Freiberga, Imants Freibergs - im
Gespräch mit Antonia Grunenberg
Als sie am 16. Dezember 2005 im Festsaal des Bremer Rathauses ihre Dankesrede hielt, konnte sie nicht sicher sein, wie viel der deutschen und der bremischen Öffentlichkeit über Lettland bekannt war. Zudem sagte sie damals, fast entschuldigend, sie sei den größten Teil ihres Lebens kein besonders politisch denkender Mensch gewesen - bis Lettland wieder frei und unabhängig wurde (siehe Preisträgerrede). Die Preisverleihung war damals fokussiert auf zwei Hauptthemen: die Ambivalenz des 8.Mai 1945, für die einen Tag der Befreiung, für die anderen - wie Ralf Fücks es in einem Grußwort formulierte - "geprägt durch die Doppelerfahrung von nationalsozialistischer und stalinistischer Herrschaft". Als zweites Thema redete 2005 natürlich jeder von Europa - und von Vīķe-Freiberga als große Mentorin der Europa-Orientierung ihres Landes. Außerdem war noch nicht ganz verklungen, dass Vīķe-Freiberga damals am 9.Mai als einzige der drei baltischen Präsidenten nach Moskau fuhr und die Einladung Putins zur Ehrenparade annahm.

Am 4.Dezember 2015 waren Heller, Kermani, Andruchowytsch und Vīķe-Freiberga erneut im Bremer Rathaus anzutreffen - zum 20.Jubiläum der Gründung des Hannah-Arendt-Preises hatte der Trägerverein, der Senat der Hansestadt, zusammen mit Heinrich-Böll-Stiftung und Institut Francais zum sortierten Nachdenken eingeladen, unter dem etwas reißerischen Titel "Welt in Scherben".

Dany Cohn-Bendit, György Dalos, VVF, Juri Andruchowytsch
Im Verlauf zeigte sich, dass auch 10 Jahre nach der Erweiterung von EU und NATO noch immer Kommuni-kationshilfen nötig sind zwischen Ost und West. Auch wenn sich die lettische Ex-Präsidentin zunächst aufgeräumt und locker zeigte. In Zeiten, wo wieder große Flüchtlingsströme durch Europa ziehen, begann "VVF" nur allzu gern bei ihren Erfahrungen als lettischer Flüchtling in Deutschland; sie bat das Bremer Publikum um Verständnis, wenn "diese alte Dame" so eine "Kindersprache" spreche, was ihre Deutschkenntnisse angehe. "Ich bin im Jahre 1945 mit 7 Jahren in Deutschland angekommen, und im Alter von 11 Jahren sind wir damals nach Marokko und später nach Kanada gegangen. Mein Wortschatz ist leider nicht auf derselben Ebene wie mein Verständnis von Deutsch."

Frisch im Amt, zum ersten Mal Gastgeber anläßlich des
Hannah-Arendt-Preises: Bürgermeister Carsten Sieling
"Was ich als Kind gesehen habe, war nur Krieg, und Macht, und nicht Recht," gibt Vīķe-Freiberga zu Protokoll. Es gibt Erinnerungen, die sie bis heute prägen, und offenbar hindert sie nichts, den Deutschen von Deutschland zu erzählen: "Wenn wir heute von einer schwierigen Situation sprechen - direkt nach dem Krieg galt das besonders für Deutschland. Vom Flüchtlingslager in Lübeck sind wir mit dem Zug nach Hamburg gefahren, und ich habe gefragt: wann kommen wir endlich an? Die Antwort war: seit einer halben Stunde fahren wir schon durch Hamburg."

Ihr Fazit: "Das einzige, was ich schon immer gewußt habe ein Recht darauf zu haben ist, Lettin zu sein." Solch ein Satz erweckt erst Beifall unter den deutschen Zuhörern als sie fortfährt: "Die Letten sagten zu mir 'Ja, du bist eine von uns!' - allerdings auch der König von Marokko. Als ich dort einen Staatsbesuch machte, wo wir einmal in Marokko gewohnt hatten, da warteten Tausende von Menschen, und auch sie sagten: 'Wir sind so froh, das einmal eine von uns Präsidentin eines anderen Landes werden konnte!' "

Distanz zum Nationalstolz, eine der Grundvoraussetzungen offenbar für das, was sich in Deutschland ein "kritisches Bewußtsein" nennt. Andererseits war diesmal weder Lettlands sehr zögerliche Haltung zur aktuellen Flüchtlingsproblematik, noch die Frage des Zusammenlebens von Letten und Russen ein Thema. Dany Cohn-Bendit, keiner der Ex-Preisträger, aber geladener Podiumsgast zum Thema "Menschenrechte versus Selbstbestimmungsrecht der Völker" (Zitat: "Ich leide an Europa"), fühlte sich offenbar berufen genug um Frau Präsidentin zu ermahnen, den lettischen Anteil am Holocaust an den Juden stärker kritisch zu beleuchten. Eigentlich auch in Lettland kein Tabuthema mehr - und noch 2005 (anläßlich der Bremer Preisverleihung an die Präsidentin) hatten sich sowohl die jüdische Gemeinde in Riga wie auch Margers Vestermanis, Historiker und Holocaust-Überlebender, positiv zu Vīķe-Freiberga's Initiativen zur Aufarbeitung von Nazi-Herrschaft und Holocaust geäussert.

An dieser Stelle fehlte es Frau Ex-Präsidentin etwas an "Centenance", wie man vielleicht sagen könnte. Etwas gar zu verbissen meinte sie nun den  "roten Dany" als "Marxist" entlarven zu müssen - was dieser lachend, die Publikumsgunst auf seiner Seite wissend, zurückwies. Kein Paradebeispiel hoher Diskussionskultur - und wie viel Cohn-Bendit abseits der allgemeinen Schlagzeilen wirklich von Lettland weiß - oder sich überhaupt für dieses Land interessiert - blieb ebenfalls offen. Vīķe-Freiberga verstieg sich noch darin, Cohn-Bendit auf die jüdische Beteiligung am Stalinistischen Regime 1939/40 hinweisen zu wollen - hier wurde es fast peinlich, hatte sie doch noch in ihrer eigenen Amtszeit die lettische Historikerkommission ins Leben gerufen, welche die Verbrechen der beiden totalitären Regime in Lettland aufarbeiten soll; über Gerüchte und Verleumdungen gegen Juden ist in den seither jedes Jahr regelmäßig publizierten Kommissionsberichten genügend nachzulesen. Einem schräges Argument ist eben nicht mit einem noch schrägeren Argument zu begegnen - in sofern war der 4.Dezember im ex-präsidialen Tagebuch sicher kein Termin qualitativ hochstehender Diskussion über Lettland damals und heute.

Sehr wechselhaftes Diskussionsniveau also im Bremer Rathaus - der Abstand zur lettischen Innenpolitik ist offenbar nicht so groß; noch nach dem Rücktritt des damaligen Regierungschefs und jetzigem EU-Kommissars Valdis Dombrovskis gab es eine in Umfragen merkbare Anzahl Menschen, die Vaira Vīķe-Freiberga auch als Regierungschefin für tauglich halten - wohl angesichts des Angebots an sonstigen Alternativen. Zwei Tage nach der Bremer Veranstaltung trat in Lettland Laimdota Straujuma zurück. Nein, die immer noch parteilose Ex-Präsidentin wird wohl kein Allheilmittel sein, solange es in Riga vor allem um interne Ränkespiele geht.