Das ist eine auch in Lettland gern diskutierte Frage. Mythen 2001 sorgte der schwedische Regisseur Pal Hollender mit seinem Film „Buy Bye Beaty” für einen Aufschrei der Entrüstung, auch wenn die meisten Kommentatoren den Film, der angeblich von schlechter technischer Qualität ist, nicht gesehen hatten – den Autor dieser Zeilen eingeschlossen. Hollender behauptete in seinem Streifen, daß in Riga etwa 15.000 bis 18.000 Prostituierte ihrer Tätigkeit nachgehen und wenigstens 50% der Frauen wenigstens einmal im Leben Sex gegen Geld hatten. Die Polizei unternehme nichts gegen dieses illegale Gewerbe, weil sie korrupt sei. Darüber hinaus sieht der Schwede angeblich die Ursache dafür in der Politik ausländischer Firmen, eingeschlossen schwedischer, welche den Letten lächerliche Gehälter zahlten, weshalb viele Menschen unter der Armutsgrenze lebten.
Die Behauptungen über die sozialen Verhältnisse wie auch über die Polizei sind gewiß, vor allem für die damalige Zeit, nicht von der Hand zu weisen. Doch der Autor macht sich selbst unglaubwürdig mit seinen Quellen vorwiegend des Hörensagens und muß sich die Frage gefallen lassen, ob er den Film nicht doch eher zum eigenen Vergnügen gedreht hat. Denn nach seinen Angaben hat er mit sechs Rigaer Mädels für jeweils 200 US-Dollar das Bett geteilt. Fakten Aber dieser Film ist nur ein kleiner Teil des Themas, das sich anhand ernsthafter und bestätigter Fakten diskutieren läßt. Wie einfach oder schwierig es ist, eine Zufallsbekanntschaft aus einer Bar oder Diskothek zu Intimitäten zuüberreden, mag dahingestellt sein. Dies ließe sich nur beim Feldversuch herausfinden, wie ein Kommentator im Internet schreibt, und diese Möglichkeit für sich und seinen Freundeskreis ausschließt, der sich nur selten in der Rigaer Altsstadt aufhalte.
Was noch vor zehn Jahren als Freizeitvergnügen taugte, verdirbt heute schon einmal eher die Laune. Und das ist nicht nur auf Erfahrungen von Touristen zurückzuführen, über welche die Presse berichtet und die dem Autor dieser Zeilen leider als Reiseleiter ebenfalls schon begegnet ist. Ein einfacher abendlicher Gang durch die Altstadt wird durch aufdringliche Verteiler von Flyern für einschlägige Etablissements gestört, worüber sich Ende November sogar der national-konservative Abgeordnete des Rigaer Stadtrates und Livenaktivist, Dainis Stalts, öffentlich echauffierte. Und handelt es sich nicht um dieses Übel, so müssen junge Frauen auch in Begleitung ihrer Partner mit Annäherungsversuchen von betrunkenen Billigtouristen rechnen. Ursache dafür sind die Bemühungen des inzwischen zweitmaligen Verkehrsministers Ainäārs Šlesers, der unter allen Umständen einen unrealistisch großen Ausbau des Rigaer Flughafen vorantreibt. Und darum kommen eben Easy Jet und Ryanair mit der entsprechenden Fracht. Daß am Rigaer Flughafen ein großes Plakat für eine der alstädter Stripteasebars warb, störte denselben man vor einigen Jahren publikumswirksam. Šlesers vetritt die sogenannte Erste Partei, die wegen der zahlreichen dort aktiven Geistlichen auch Priesterpartei genannt wird und sich kategorisch gegen die Ausrichtung der Homosexuellenparade richtet.
Politischer Aktionismus
Dainis Stalts ist offenbar in der Stadtverwaltung nicht der einzige, dem langsam der Geduldsfaden in Sachen Sextourismus reißt. Der für Ordnung verantwortliche Ausschuß des Stadtrates hat nun einstimmig beschlossen, daß es eigentlich überhaupt keine Einrichtungen dieser Art in der Altstadt geben sollte, und eben entsprechende Normen gefunden werden müßten, mit deren Hilfe dieses Business eingeschränkt werden könnte. Einstweilen gibt es in der Altstadt von Riga 21 Einrichtungen, die intime Dienstleistungen anbieten, darunter 14 Striptease Bars. Darüber hinaus gibt es sechs Salons für erotische Massage. Nach Auskunft des juristischen Beraters Ingmārs Freidenfelds ist eine Kontrolle alles andere als einfach. Deshalb setzt der Stadtrat nun auf die Hilfe der Regierung, entsprechende Normen zu setzen. Andere Politiker haben jedoch ihre Zweifel. Riga sei auch historisch keine Stadt gewesen, in der nur Moral und Anstand herrschten. Wie aus Spaß Ernst wird Ob diese Versuche an den derzeit beklagten Umständen wirklich etwas ändern können, ist fraglich, denn die wirklich kriminelle Energie zeitigt ihre Folgen an anderer, schwerer kontrollierbarer Stelle. Junge Damen sprechen auch in ganz normalen Clubs bewußt Ausländer an, die nicht gerade das erste Bier trinken und schlagen nach einem Drink den Wechsel der Lokalität vor. Wenn die Rechnung kommt, kosten 4cl eines handelsüblichen Whisky plötzlich umgerechnet über 200 Euro. Protest hilft dann wenig, denn die Situation wird natürlich von Komplizen kontrolliert.
Andere Bars haben von vornherein einen zweifelhaften Ruf. Selbst wenn der Gast die Dame nicht aktiv anspricht, folgt ihrer Kontaktaufnahme bereits der Zwang zur Übernahme der Kosten für das bereits servierte Getränk. Export Aber der Sextourismus ist inzwischen noch breiter verstehen. Nicht nur Touristen verlangen nach Intimdienstleistungen vor Ort in Riga, sondern vor Ort in Riga werden Mädchen für das Ausland rekrutiert. So verführen Kuppler inzwischen mit Stellenangeboten jungen Frauen, auf ein vermeintlich gut klingendes Angebot zu reagieren. Darunter sind solche, die bei der ersten Kontaktaufnahme ehrlich erklären, um welche Art von Arbeit es sich handelt und solche, die dies zunächst zu verschweigen versuchen. Die tatsächliche Arbeit erstreckt sich von der Darstellerin pornographischer Filme bis hin zur Prostitution. Die Filme werden im Inland produziert, aber die Interessierten dürfen sich das Set nicht erst einmal anschauen, sondern müssen sofort entscheiden, ob sie teilnehmen möchten oder nicht. Adressen werden nicht bekanntgegeben, weil vermutlich die Prosuzenten keine Steuern zahlen. Das horizontale Gewerbe hingegen findet im Ausland statt.
Jüngst berichteten zwei russische Damen in der Presse ziemlich offen über ihre Arbeit in Frankreich. Viel hänge davon ab, so die eine, wie man sich anzubieten verstehe. Die Freier können auf einer Internetseite Bewertungen abgeben; eine positive verhelfe zu verstärkter Nachfrage. An ihrem besten Tag habe sie acht Kunden gehabt. Anfangs habe sie auch noch verhältnismäßig wenig verdient, später dann aber 6.500 Euro in zwei Wochen nach Hause gebracht. Das sei bereits ihr dritter Aufenthalt dort gewesen. Bleibt noch zu erwähnen, daß Kondome zur Verfügung stehen und von den meisten Damen aus Sorge um Infektionen auch benutzt würden. Die Befragte jedoch habe keine Angst, lasse sich nach jeder Rückkehr in Riga untersuchen, und verdiene so eben im Fall noch einmal 100 Euro extra. Allgemeines Desinteresse Gewiß, Prostitution hat es immer gegeben und wird es auch wohl immer geben.
Die Aufregung darüber wirkt künstlich, so lange es sich nicht um Zwang oder Frauenhandel handelt, und zeigt politische Doppelmoral. Ab und zu wird Aufregung in Szene gesetzt, aber sicherlich gibt es eben auch genug Menschen, die am Business gut verdienen. Die Exzesse gegenüber Ausländern ließen sich jedoch durch konsequentes Vorgehen wenigstens einschränken. Touristen wundern sich zumeist über die große Polizeipräsenz in der Rigaer Altstadt, die Kleinbusse mit dem hellgrünen Streifen patroullieren beständig. Diese Munizipalpolizei ist jedoch nichts weiter, als ein aufgerüstetes Ordnungsamt. Sie bestrafen verblüffte Besucher, wenn Sie auf einer Bank sitzend alkoholische Getränke konsumieren. Das ist nämlich seit Jahren verboten. Sie sind aber nicht an den Lokalen anzutreffen, von denen die Behörden nach zahlreichen Vorfällen ja nun wissen, daß dort Ausländer unter Androhung von Gewalt gezwungen werden, überhöhte Rechnungen zu bezahlen. Was wird wohl der Grund dafür sein?
1 Kommentar:
"Buy Bye Beaty" habe ich gesehen - in der schwedischen Originalversion. Kein auszeichnungswürdiger Film, aber eine mutige Provokation. Die Reaktionen zeigen es ja: wegen der Filmförderung durch eine anerkannte schwedische Einrichtung wollten einige Letten damals ganz ernsthaft die diplomatischen Beziehungen mit Schweden abbrechen.
Dabei kommt in dem Film vor allem auch vor, wie hoch der Anteil schwedischer "Geschäftsleute" an diesen netten (billigen) Vergnügungen (damals) war.
Es war also auch als eine Provokation für die Schweden gedacht.
Die darauf folgende Diskussion war interessant, der Film selbst mittelmäßig.
Aber diejenigen, die mir dann allen ernstes erklären wollten, der hohe Anteil Frauen die in Prostitution verwickelt waren, ließe sich auf eine falsche Gleichsetzung von Lettinnen mit den Russinnen zurückführen, das fand ich damals wie heute seltsam abwegig (Prostituierte = Russin?).
Heute meide ich im Gegensatz zu früher die Altstadt (abends), denn vieles was dort angeboten wird, geht mir schlicht auf die Nerven!
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