26. August 2010

Mitmachen bei "StreetView"?


Ob man sich nun eher über die neuen Dienste von Google aufregt, oder sie mit aller Gelassenheit selber nutzt, eines ist in Lettland in dieser Woche aktuell: möchten Sie selbst mitmachen bei Google? Dann gehen Sie doch mal ausgiebig an den Straßen der Städte in Lettland spazieren - Sie haben eine gute Chance ungewohnter Aufmerksamkeit.

Lettischen Pressemeldungen zufolge sind nämlich gerade in DIESER WOCHE die inzwischen einschlägig bekannten Fahrzeuge von Google in Lettland im Einsatz; mindestens in Daugavpils, Jēkabpils, Jelgava, Jūrmala, Liepāja, Rēzekne, Valmiera  und Ventspils (TVNet - komplette Liste der Orte hier).

Außerdem wird die lettische "Datu valsts inspekcija" (DVI), eine für Datenschutz zuständige Behörde im lettischen Justizministerium in der Presse zitiert mit Aussagen zur gleichzeitig durch Google vorgenommenen Erfassung von Daten aus mobilen Netzen (open WiFi networks). Dies wurde ja auch anderswo in Europa schon kritisch diskutiert.

Eine Sprecherin des Justizministeriums meint dazu, dass Google in Lettland nachweisen müsse in der "breiten Öffentlichkeit" über die Fotoaufnahmen aufgeklärt zu haben (damit die möglicherweise zufällig Abgebildeten die Chance haben vorher von dem Vorgang zu wissen). Aber ist das realistisch? Oder nur eine Schutzbehauptung um das Ministerium vor zusätzlicher Arbeit zu retten? Anzunehmen ist es, denn das Ministerium sagt gleichzeitig, dass "demzufolge" die Durchführung der Aufnahmen nicht vom Ministerium abhängen würden. Und der Autor des Beitrags bei TVNet meint gar, das Ministerium solle doch bitte "die Arbeit der Firma nicht behindern, die dieses Projekt ja in allen anderen Ländern der Welt auch bereits erfolgreich durchführen würde."

25. August 2010

Vaira Vīķe-Freiberga als Wirtschaftsexpertin

Die während des Krieges über Deutschland ins kanadische Exil geflohene spätere Präsidentin Lettlands hatte sich in ihren Amtsjahren im Inland großer Belebiebtheit erfreut und war auch im Ausland angesehen. Sie brachte es bis zur Kandidatin für das UNO-Generalsekretariat und die Präsidentschaft des EU-Rates. Immer wieder wurde über neuerliche innenpolitische Ambitionen gemunkelt. Doch die 1937 geborene ehemalige Professorin für Psychologie verweigerte sich dem, was sich wohl mancher in Lettland gewünscht hätte.


Vor einigen Tagen äußerte sie sich anläßlich eines Besuches zur Konferenz der Freunde Estlands in der estnischen Hauptstadt Tallinn plötzlich über Wirtschaftsfragen, genauer über den Euro.


Angesichts der großen Schwierigkeiten der Eurozone seien viele Länder derzeit gar nicht unglücklich, daß sie der Europäischen Währungsunion nicht angehörten. Sie beglückwünsche die Esten für ihre Erfolge einschließlich der bevorstehenden Einführung des Euro, doch daheim sagten viele „Thanks God“, daß Lettland die Maastricht-Kriterien nicht erfüllt habe. In ihrem Referat wiederum erwähnte sie, daß sie während ihrer Amtszeit eine ähnlich vorsichtige Politik in Lettland angemahnt habe wie in Estland.


Kommentar: Währungspolitik ist ein Thema, das gewiß neben 50% Weisheiten der Wirtschaftswissenschaften ebenso 50% aus der Psychologie enthält. Neben ökonomischen Daten ist Vertrauen wichtig. Oft genug ist erwähnt worden, wie problematisch eine gemeinsame Währung für eine Gruppe von Staaten ist, die keine gemeinsame Wirtschafts- und Sozialpolitik betreiben. Neben Griechenland stecken auch die anderen sogenannten PIIGs-Staaten in Schwierigkeiten. Dennoch handelt es sich bei Griechenland und eine sehr kleine Volkswirtschaft. Zum Vergleich: In den USA, die ebenfalls nur eine Währung haben, ist das unvergleichlich wichtigere Kalifornien quasi pleite.


Folglich hätte die Ablehnung der Aufnahme eines Landes in die Währungsunion, welches die Maastricht-Kriterien im Gegenteil zu vielen bereits in der Zone befindlichen Staaten die Kriterien ad absurdum geführt. Darüber hinaus ist es fraglich, wer in der Welt in eine Währung Vertrauen entwickeln soll, deren ausgebende Nationen ihr offensichtlich selbst nicht vertrauen.


Daß die Einführung des Euros in Estland nicht nur erfreuliche Folgen für die Durschschnittsbevölkerung zeitigen wird, mag zutreffen. Aus den Worten der lettischen Ex-Präsidentin hingegen spricht offenbar auch Neid. Jene Politik, die über Jahre hinweg in Tallinn mit dem Ziel des Eurobeitritt betrieben wurde, hält sie für richtig, den Beitritt jedoch für falsch. Wer also jahrelang auf etwas spart, daß er sich lange gewünscht hat, soll es nicht kaufen, wenn er es sich leisten kann?

15. August 2010

Sommernachrichten - heiß oder zu heiß?

Mitte August gehen auch in Lettland die Sommerferien langsam zu Ende. Die Schulen bereiten sich jetzt auf den Schulanfang am 1.September vor und hoffen, dass weniger Schulen schließen müssen als befürchtet. Hier einige weitere Themen aus der lettischen Presse.

Einfach zu heiß
Saunafreuden zählen in ganz Nordeuropa zu einem der beliebtesten Freizeitvergnügen. So auch in Lettland. Dieser Tage schütteln die Letten allerdings den Kopf über allzu übertriebene Sauna-Lust eines Russen, der in Finnland bei einem Saunawettbewerb ums Leben kam (TVNet, Kas jauns, NRA). Auch in Lettland war der Sommer war ungewöhnlich heiß - da kommt kaum jemand in Versuchung, sich freiwillig noch größerer Hitze auszusetzen. Dennoch wird natürlich heftig diskutiert, was die Finnen oder Russen beim Saunieren falsch gemacht haben könnten. Zu hohe Temperatur? Zuviel Dampf? Oder gar: Drogen in der Sauna, die das Schmerzempfinden verhindern? "Die Sauna ist doch für das Wohlbefinden da, nicht für einen Wettbewerb!" empört sich das Portal TVNET und bringt ausführliche Ratschläge von Gvido Zinkevičs, Gründer einer Vereinigung lettischer Saunierer.

Wenn der Nachbar brennt
Die großflächigen Brände beim Nachbarn Russland machen auch in Lettland Schlagzeilen. Nun hat der Wind gedreht, und die Rauch- entwicklung könnte auch Grenzgebiete Lettlands erreichen, meint der lettische Wetterdienst. Allerdings ist für die nächsten Tage auch Regen vorausgesagt. Lettische Feuerbekämpfungstrupps waren nach Russland zur Hilfestellung entsandt worden (apollo.lv).

Arbeit gesucht
Sehr gemischte Nachrichten kommen aus dem Bereich Arbeit und Beschäftigung. Während allgemein die Arbeitslosigkeit in den Sommerwochen von 20% auf knapp über 15% Landesweit gesunken sein soll, berichtet die staatliche lettische Arbeitsagentur (Nodarbinātības valsts aģentūra)von 23.778 arbeitslosen lettischen Jugendlichen im 1.Halbjahr 2010 - 6549 mehr als im Jahr zuvor (apollo, LETA).
Angesichts vieler Arbeitssuchender kommt lettischen Kommentatoren merkwürdig vor, dass ausgerechnet beim Bau der neuen lettischen Nationalbibliothek - einem nationalen Prestigeprojekt - vermehrt Arbeiter aus anderen Ländern eingesetzt werden. "Wo ist der versprochende Patriotismus geblieben, dass dieses stolze Objekt die Letten selbst bauen sollen?" fragt der Kommentator der "Latvijas Avize". Drei lettische Baufirmen sind hier mit der Durchführung beauftragt ("RBSSKALS", "Skonto būve", "Re & Re"). Ein Sprecher der Baufirmen sagte dazu, dass Arbeiter aus vielen Staaten am Bau beteiligt seien, darunter Italiener, Spanier und Bulgaren, die besonders als Spezialisten für die Betonierungsarbeiten benötigt würden. Da gleichzeitig viele lettische Bauspezialisten gut bezahlte Arbeit in anderen Ländern suchten, sei der Bedarf hier entstanden.
Näheres ist in der Wirtschaftszeitung DIENAS BIZNESS nachzulesen: die in der lettischen Bauwirtschaft herrschende Personalnot sei teilweise durch Bankrott lettischer Firmen sowie durch Baustopp und Finanzmangel bei vielen Projekte verursacht. "Nun müssen wir Wege suchen, unsere Facharbeiter wieder zurückzuholen," sagt Māris Saukāns vom Verband der lettischen Bauunternehmen.

Fliegen und Geld verdienen
Mehrfach in den Schlagzeilen war die lettische Fluggesellschaft "Air Baltic" in der vergangenen Woche. Einerseits deshalb, da bei den lettischen Wettbewerbswächtern Protest eingelegt wurde gegen ein immer noch geltendes "Sonderabkommen" des lettischen Staates mit dem Billigflieger "Ryanair". Ein Sprecher des Flughafen Riga erläuterte dazu in der lettischen Presse (Apollo /LETA), 2004 sei ein Abkommen mit dem irischen Billigflieger geschlossen worden, das 2007 durch ein vertrauliches Protokoll ergänzt worden sei. Diese Verträge, die bis 2014 laufen, könne der Flughafen Riga nicht ändern. Gegenwärtig zahle AIR BALTIC etwa doppelt so viel an Gebühren pro abgefertigten Passagier als RYANAIR.
Eine andere Schlagzeile war diese Woche, dass die Namensrechte für die Marke "AIR BALTIC", zusammen mit einigen damit zusammenhängenden weiteren Firmen, Dienstleistungsgesellschaften und Infoportalen, im Dezember 2009 von "Baltic Aviation Systems" (BAS) aufgekauft wurden - also nicht mehr dem lettischen Staat gehören. BAS besitzt einen Anteil von 47,2% der Anteile an AIR BALTIC, beschäftigt mehr als 1200 Angestellte und hat 31 Flugzeuge im Einsatz. Berthold Flick, ehemals als Wirtschaftsberater nach Lettland gekommen und heutiger Geschäftsführer bei AIR BALTIC, ist mit seiner gegenwärtigen Pressepräsenz vielleicht der in Lettland momentan bekannteste Deutsche. Aber von illegalem Handeln war in dieser Sache nicht die Rede - eher von flexiblen Maßnahmen zur Überwindung der Wirtschaftskrise. So erzeugt allein die Feststellung, dass eine vermeintlich "nationale" Marke sich nicht in lettischen Händen befindet, für etwas sommerliche Aufregung.

Vierzigtausend auf Pilgerfahrt
Tausende Menschen zieht es jedes Jahr zum 15.August (Mariä Himmelfahrt) nach Aglona in Lettlands Osten. 40.000 sollen es dieses Jahr gewesen sein, und ihnen wurde vor allem empfohlen viel zu trinken und schattige Orte aufzusuchen - auch hier waren Temperaturen über 30 Grad Hauptgesprächsthema. Weitere Besonderheiten: es gab auch eine Messe auf Latgalisch, und das neue Oberhaupt der katholischen Kirche in Lettland, Zbigņevs Stankevičs, dessen Amtseinführung als Nachfolger von Kardinal Jānis Pujats unmittelbar bevorsteht.

Mehr Info:

6. August 2010

13 Wahllisten zur Parlamentswahl im Oktober

Lediglich zwischen 13 verschiedenen Partei- und Wahllisten müssen sich die lettischen Wählerinnen und Wähler bei der Parlamentswahl am 2.Oktober 2010 entscheiden. Das gab die staatliche zentrale Wahlkommission (Centrālajā vēlēšanu komisijā CVK) nach Ablauf der Einreichungsfrist am 3.August bekannt. Mit 1239 Einzelkandidaten ist aber die Zahl der in Lettland zur Wahl stehenden Personen die höchste seit den ersten freien Wahlen nach Wiedererringung der Unabhängigkeit.

Von den 13 Listen sind sieben Listen von einzelnen Parteien aufgestellt, der Rest sind Vereinigungen verschiedener Parteien. Den Anstoss zur Tendenz, sich gemeinsam zur Wahl zu stellen, gaben vielleicht die Wahlergebnisse der Kommunalwahl in Lettland 2009: zum wiederholten Male war das lettische Parteienspektrum derart zersplittert, dass teilweise nur wenige Parteien die Hürden (die zumeist bei 5% liegen) für den Sprung in in die Ortsparlamente schafften - am auffälligsten war dieser Effekt im Stadtrat Riga; dort sind nun nur noch 4 Parteien im Stadtrat vertreten und die Partei "Saskaņas centrs" (Deutsch meist übersetzt mit "Harmonie-Zentrum oder "Zentrum des Ausgleichs") konnte mit einem Ergebnis von 34,29% der Stimmen 26 von 60 Stadtratssitze übernehmen (also im Verhältnis etwa 43% der Sitze) und den einflußreichen Posten des Rigaer Bürgermeisters dazu.

Dieser Art "Harmonie" hätten andere Interessenvereinigungen wohl auch gern: daher ist abzuwarten, wie lange die verschiedenen Zusammenschlüsse nach den Wahlen halten werden.

Gegenwärtig würden nur fünf Parteien und Wahllisten Sitze im Parlament bekommen, einer Umfrage der Agentur GFK zufolge. Allerdings ist die Zahl der Unentschlossenen traditionell so hoch, dass genaue Voraussagen auf den tatsächlichen Wahlausgang abseits des konkreten Wahltermins schlecht gemacht werden können. Klar ist nur, dass sich sehr viele Menschen entweder zur "linken Mitte" der "Saskaņas centrs" bekennen (die auch Interessen der Russischsprachigen zu berücksichtigen versucht und sich einen sozialdemokratischen Anstrich zu geben versucht), oder zu "Vienotība", einer Wahlkoalition die man vielleicht als "rechtsliberale Mitte" bezeichnen könnte und der viele bereits in der verganganen Jahren politisch Aktive beigetreten sind. Es folgen die Liste der "Grünen und Bauern" (Zaļo un zemnieku savienība), die mit Aivars Lembergs einen zweifelhaft "populären" Kandidaten zum Ministerpräsident vorschlagen wollen - gegen ihn gibt es immer noch ein schwebendes Gerichtsverfahren wegen umfangreicher Korruption bei Geschäften der 90er Jahre. 

Die Reihenfolge der Wahlvorschläge, soi wie sie dann auf dem Wahlzettel stehen werden, wird in Lettland übrigens "traditionell" ausgelost (und nicht wie in Deutschland nach dem Ergebnis vorangegangener Wahlen gestaffelt). Wer oben als Nr. 1 oder 2 auf dem Zettel steht, ist also gewissermaßen "gewollter Zufall". Diese "Durchmischung" nahm die zentrale Wahlkommission heute vor. Demnach sehen die Wahlvorschläge für den 2.Oktober folgendermaßen aus: 
1. PCTVL (für Menschenrechte in einem einigen Lettland)
2. Vienotība (Einigkeit)
3. Ražots Latvijā (erzeugt in Lettland)
4. Saskaņas centrs ("Harmonie-Zentrum")
5. Tautas kontrole (Volkskontrolle)
6. Zaļo un Zemnieku savienība (Vereinigung der Grünen und Bauern)
7. Par prezidentālu republiku (für eine präsidentiale Republik)
8. Par labu Latviju (zum Guten Lettlands)
9. Atbildība (Verantwortung)
10. Daugava – Latvijai (Daugava - für Lettland)
11. Pēdējā partija (Letzte Partei)
12. Visu Latvijai! - TB/LNNK (Alles für Lettland! + Vaterlands-undFreiheitspartei)
13. Kristīgi demokrātiskā savienība (Christlich demokratische Vereinigung)
Mehr Infos: Lettisch / Englisch