Die während des Krieges über Deutschland ins kanadische Exil geflohene spätere Präsidentin Lettlands hatte sich in ihren Amtsjahren im Inland großer Belebiebtheit erfreut und war auch im Ausland angesehen. Sie brachte es bis zur Kandidatin für das UNO-Generalsekretariat und die Präsidentschaft des EU-Rates. Immer wieder wurde über neuerliche innenpolitische Ambitionen gemunkelt. Doch die 1937 geborene ehemalige Professorin für Psychologie verweigerte sich dem, was sich wohl mancher in Lettland gewünscht hätte.
Angesichts der großen Schwierigkeiten der Eurozone seien viele Länder derzeit gar nicht unglücklich, daß sie der Europäischen Währungsunion nicht angehörten. Sie beglückwünsche die Esten für ihre Erfolge einschließlich der bevorstehenden Einführung des Euro, doch daheim sagten viele „Thanks God“, daß Lettland die Maastricht-Kriterien nicht erfüllt habe. In ihrem Referat wiederum erwähnte sie, daß sie während ihrer Amtszeit eine ähnlich vorsichtige Politik in Lettland angemahnt habe wie in Estland.
Kommentar: Währungspolitik ist ein Thema, das gewiß neben 50% Weisheiten der Wirtschaftswissenschaften ebenso 50% aus der Psychologie enthält. Neben ökonomischen Daten ist Vertrauen wichtig. Oft genug ist erwähnt worden, wie problematisch eine gemeinsame Währung für eine Gruppe von Staaten ist, die keine gemeinsame Wirtschafts- und Sozialpolitik betreiben. Neben Griechenland stecken auch die anderen sogenannten PIIGs-Staaten in Schwierigkeiten. Dennoch handelt es sich bei Griechenland und eine sehr kleine Volkswirtschaft. Zum Vergleich: In den USA, die ebenfalls nur eine Währung haben, ist das unvergleichlich wichtigere Kalifornien quasi pleite.
Folglich hätte die Ablehnung der Aufnahme eines Landes in die Währungsunion, welches die Maastricht-Kriterien im Gegenteil zu vielen bereits in der Zone befindlichen Staaten die Kriterien ad absurdum geführt. Darüber hinaus ist es fraglich, wer in der Welt in eine Währung Vertrauen entwickeln soll, deren ausgebende Nationen ihr offensichtlich selbst nicht vertrauen.
Daß die Einführung des Euros in Estland nicht nur erfreuliche Folgen für die Durschschnittsbevölkerung zeitigen wird, mag zutreffen. Aus den Worten der lettischen Ex-Präsidentin hingegen spricht offenbar auch Neid. Jene Politik, die über Jahre hinweg in Tallinn mit dem Ziel des Eurobeitritt betrieben wurde, hält sie für richtig, den Beitritt jedoch für falsch. Wer also jahrelang auf etwas spart, daß er sich lange gewünscht hat, soll es nicht kaufen, wenn er es sich leisten kann?
1 Kommentar:
Ich habe diese Aussagen auch gelesen - auch in der lettischen Presse wird das diskutiert. Aber für entscheidend halte ich dabei das Stichwort "Psychologie": schon als Präsidentin war Vike-Freiberga eine Meisterin der "ermunternden Ansprache". Wir sind stark, wir können etwas. Ich glaube also, dass die Aussagen eher eine Ermunterung (oder Trost?) für die Letten sein sollen als eine Kritik an den Esten.
Außerdem hat die Diskussion einen anderen Vorteil: Vike-Freiberga ist immer noch parteilos. Viele Leute haben die Nase von diesen neureichen Schnöseln voll, die sich durch schwer durchsichtige Geschäfte an den Schalthebeln halten und Entscheidungen immer nur von oben nach unten durchgeben.
Soll Lettland doch offen diskutierne, ob sie wirklich den Euro wollen! Allerdings machen vielen Leuten die Preissteigerungen auch mehr zu schaffen als das Aussehen der Münzen.
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