8. November 2019

Lettisch unterwegs sein

Ja, ein wenig "retromäßig" sieht er schon aus, dieser Camping-Anhänger. Und wer ihn von  einem ordentlich spritschluckenden SUV ziehen lässt, wird vielleicht noch mehr Aufsehen erregen. Andere fühlen sich vielleicht an das "Dübener Ei" erinnert - nur umgedreht: der "Kulba Woody" hat es jedenfalls aktuell in einige Camping-Fachmagazine geschafft.

Der aktuelle Werbeclip für das Gefährt lässt die Betrachter staunen: ja, könnte das nicht Kandava oder Kuldiga sein, und rauscht da nicht lettische Landschaft durchs Bild? Einen kurzen Moment lang fühlen wir uns an die alte "Hornbacher"-Werbung erinnert - aber hier gibt es keine schmutzigen Hinterwäldler, sondern nur gut gestylte junge Leute zu sehen (clip / Trigger Happy Productions).

Einstellung aus "KULBA teardrop trailer" Werbespot
Aber ist der "Kulba" wirklich ein lettisches Produkt? Im Netz sind auch weitere Werbeclips zu sehen, auch für die Kombination "Kulba + SUV" - hm. Auf deutschen Campingmessen stellt sich gern ein Mensch namens Ingo Host als der "Macher" vor - und bekennt: "ja, das Konzept ist alt. Wir es 2011 wieder aufgegriffen und bauen seitdem diese Trailer".(Campingwelt.TV). Auf seiner Webseite findet sich dann endlich eine klare Aussage: "Der KULBA Teardroptrailer, aus Riga, hat ein Fahrgestell der Firma Nieper aus Solingen. Der Aufbau ist aus Holz und Aluminium in Handarbeit gefertigt."

Also doch! Und selbstverständlich gibt es auch eine Webseite der "SIA Kulba" mit Sitz in der Amula iela 8, in der südlichen Vorstadt von Riga. Neben dem "Verkaufsbüro Europa" von Ingo Host sind hier noch weitere Verkaufsbüros in Königswinter und Köln - alles weitere scheint sich vorläufig in deutschen Kleinstädten abzuspielen: in Möbris (11.000 Einwohner), Nieder-Olm (10.000), Schwabhausen (6.000), Tellingstedt (2600) und Baiersdorf (8.000).

Ganze 12 Messebeteiligungen innerhalb von nur drei Jahren wurden hier von der Lettischen Investitions- und Entwicklungsagentur (LIAA) finanziell unterstützt: von Düsseldorf (4x), Utrecht (2x), Amsterdam und München, dem schwedischen Jonköping und dem dänischen Herning, bis zu Walsrode und in Basthorst bei Hamburg. "Internationale Konkurrenzfähigkeit" soll hier erreicht werden.

Welche Materialien sind verarbeitet? "Baltischem Birkenschichtholz" verspricht uns der Hersteller, sicher ein hochwertiges Material: es gilt als robust, stabil und dabei doch leicht. Dazu eine Aluminium-Außenhaut - gut, die wächst sicher nicht in Lettland. Die Marke "lettisches Gefährt" soll offenbar in der Produktwerbung hier nicht zu hoch gehängt werden. Und Achtung - der Spruch auf der "Kulba"-Werbeseite könnte wohl eher erschrecken: "Für jeden gebauten KULBA Teardrop-Trailer pflanzen wir eine neue Birke." EINE, in Worte 1 Baum? Wohl kaum ein Ersatz für ein Produkt ganz aus Birkenholz, in wenig umweltfreundlich hergestelltes Aluminium hineingepresst - noch dazu wo in Lettland Birken wirklich überall (sowieso) wachsen. 

Menschen größer als 2 Meter werden in "Teardrops" allerdings auch eher Tränen vergießen - ausgestreckt liegend werden sie in dieses Gefährt nicht hineinpassen. "Teardrop", also "Tränenform", klingt auch ein wenig wie knapp an "Raindrop" ("Regentropfen") vorbeigedacht - aber das klingt wohl nicht so werbeträchtig, zumal in der Reisebranche.Wer will schon zu Hause erzählen: "Ich war mit den Regentropfen unterwegs ...".

Auf Youtube findet sich auch ein Filmchen von einem Campingfan, der uns zeigt, wie man einen "Teardrop" von allen Seiten betastet - mit Zoom auf den Preis: knapp 15.000 Euro. Die Botschaft scheint sich also durchaus herumgesprochen zu haben, so auch der Beitrag auf der "Caravaning". Zumal der Markt in diesem Bereich durchaus umkämpft zu sein scheint: ein "Escapod" (Sitz in Utah / USA) sieht z.B. nicht sehr viel anders aus - scheint weit weg zu sein, aber es gibt auch Fahrzeuge für die eine Herstellung in Ascheberg im Münsterland versprochen wird. Und es gibt auch weit vernetzte Webseiten, die u.a. Treffen für "Teardrop-Camper" ankündigen.

Die lettische Trailer-Träne dagegen scheint sich eher als Angebot für den europäischen Markt zu verstehen. Wie beschrieben, müssten Interessierte eine Weile suchen um zu erfahren, wer dieses Gefährt im Detail herstellt. Mit einem "Kulba" zu reisen bedeutet wohl: Lettisch unterwegs sein, manchmal ohne es zu wissen oder zu ahnen. Ein Glück nur, dass die lettischen Birken auch wachsen ohne dass Anhängsel fürs SUV-Freizeitvergnügen gebaut werden müssen.