31. März 2025

Schaum im Mund

Zucker, Eischnee, Fruchtmus und Gelantine - was ist das? Mäusepeck? Krembo? Marshmellow? (Wikipedia) Oder sollten wir uns erst einmal darum kümmern, wie eigentlich der "echte Eibisch" aussieht? Diese Malvenart kommt jedenfalls in Lettland so gut wie gar nicht vor (Latvijasdaba)

Süße Kindheit

Was Lettland betrifft, geht es hier um "Zefīrs". Nein, Kefir ist hier nicht gemeint. "Zefīrs, das sind süße Kindheitserinnerungen!" schwärmt das Portal "Padegas". "Ein Genuss, in Lettland geschaffen!" meint die Supermarktkette RIMI und führt an, die Rezepte und die Herstellungsverfahren seien in den 1970iger Jahren in Lettland entwickelt worden. 

Auffällig wäre vielleicht zunächst der hohe Zuckergehalt. Aber "Zefīr-Fans" ("zefīrmīļi") gibt es offenbar viele. Ein Beitrag in der NRA versucht es so darzustellen, dass sogar die lettische Vereinigung der Diatärzte Zefīrs als "wertigen Snack" empfehlen würde. "Immerhin enthalte es kein Fett", heißt es. Ähnliches behauptet die Firma "Laima", einer der Hersteller, in der eigenen Produktwerbung. Als Quelle für diese Behauptung muss vielleicht eine sehr allgemeine Aussage in der Zeitschrift "Uztura ieteikumi" ("Ernährungsberatung", ein Blatt finanziert von der Diätärztevereinigung) herhalten; hier werden Ratschläge für in Behandlung befindliche Tumorpatienten gegeben (die Patienten benötigen dann zusätzliche Energie und Eiweiß). 

Es gibt aber auch Warnungen vor Zefīrs. Anna Junga, Autorin des Blogs "Nutrition", weist vor allem darauf hin, dass 100g Zefīrs meist 70g Zucker enthalten ("ein völlig ungesunder Snack"). 

Pektin, Agar, oder was?

"Den Zefīrs, den wir in Lettland kennen, anderswo auf der Welt zu finden, ist fast unmöglich" (Zitat RIMI). Hier werden die Inhaltstoffe einfach in anderer Reihenfolge beschrieben: vor allem "30% Apfelmus" sei enthalten. Das ist tatsächlich, bei dieser Variante, ein kleiner Unterschied in der Herstellung: das im Apfelmus enthaltene Pektin bringt die mit Eischnee und Zucker geschlagene Masse tatsächlich auch ohne Zugabe von Gelantine in eine einigermaßen feste Form. 

Die Zeitung "Dienas bizness" bot im Jahr 2013 einen Besuch in einer "Zefīr-Fabrik". Hier wird als Bestandteil nicht Gelantine, sondern Agar angegeben, das aus Algen gewonnen wird. Hier ist nachzulesen, dass in Lettland jedes Jahr 500-600 Tonnen Zefīrs hergestellt wird, davon 200 Tonnen für den Export! Rita Vornokova verkündet dabei für den Marktführer "Laima", dass die Zefīr-Produktion sich eigentlich immer nur erhöht habe, und allein in Estland pro Halbjahr 46 Tonnen Zefīr-Leckereien vernascht würden, und sogar in Deutschland hätten pro Halbjahr 37 Tonnen Zefīr-Spezialitäten die Leckermäuler erreicht. "Laima", seit 2015 zum norwegischen Konzern "Orkla" gehörend, begann in den 1970iger Jahren, Zefīrs zu produzieren. Ein nicht ganz lettisches Produkt in diesem Fall, denn den für die Herstellung notwendigen Agar importiert "Laima" aus Estland. 

Sanfte Winde, schöne Blumen

Der Name "Zephir" sei von dem gleichnamigen griechischen Gottheit entlehnt worden, heißt es. Ein Gott des "milden" Westwindes, und die entsprechend "luftige" Süßigkeit werde "in Ländern der ehemaligen Sowjetunion produziert", so ist es bei Wikipedia nachzulesen. Also wird Ähnliches wohl auch in der Ukraine oder Russland zu finden sein - in Litauen heißt das Produkt "Zefyras", aber als Produktionsort wird meist "Lettland" angegeben. 

Wo wurde der erste "Zefīrs" hergestellt? Spuren führen zum russischen "Pastila" - charakterisiert als "effiziente Verwendung überschüssiger Apfelernte" (Wikipedia), und wegen eines entsprechenden "Pastila-Museums" eng mit der Stadt Kolomna verknüpft. Eine andere Spur führt zum "Pestil", und zu ganz anderen Ländern: Armenien, Anatolien, Iran, Libanon oder Syrien. Wieder andere weisen auch auf "Vogelmilch"-Produkte aus Polen hin (in Lettland "putna piens" genannt).
In Sigulda können Interessierte für 3 Stunde und 45 Euro an einer "Zefīr-Meisterklasse" teilnehmen (siehe auch: Siguldas zefīrs). Wer Zefīrs online bestellen möchte, findet ein eigenes lettisches Zefīrs-Bestellportal.

Und auch Rezepte zum "Zefīrs-Selbermachen" gibt es immer wieder, wie auch erst kürzlich beim lettischen Fernsehen LSM. "Wie die Zefīrs-Meisterin Anita in Daugavpils essbare Rosen, Tulpen und Peonien herstellt", so die Schlagzeile. Jahrelang habe sie an dem besten Rezept herumprobiert, so heißt es hier, um als Endprodukt schöne Blumen formen zu können. Und sie sei auf dem Weg, Zefīrs auch mal ganz ohne Zucker herstellen zu wollen, sagt die Meisterin. Es könne viel schief gehen, warnt Anita: die Masse könne anbrennen, zu fest werden, oder falsche Farbtöne annehmen. Aber ob selbst gemacht, oder aus der Fabrik: aktuell ist in Lettland der "Zefīrs" nicht aus den Süßwarenregalen wegzudenken.

19. März 2025

Mein Elend, dein Elend

Die lettische Hauptstadt Riga ist bekannt für ihren Bestand an Häusern aus sehr unterschiedlichen Bauperioden: sowohl das 19. Jahrhundert, der Jugendstil, die 1920iger und -30iger Jahre der lettischen Unabhängigkeit, wie auch sowjetische Nachkriegsbauten sind im Rigaer Stadtbild vertreten. Manches reicht noch bis zum Klassizismus zurück, es gibt einen großen Anteil an Holzbauten, und nach 1990 ist einiges, wie Lettinnen und Letten vielleicht gerne sagen würden, "wie Pilze aus dem Boden gewachsen". Parallel zu den vielen Veränderungen im Stadtbild hat sich der Charakter vieler Stadtteile stark verändert, manch Möchtegern-Prunkvolles wirkt wie gewaltsam eingefügt, und Einkaufstempel wie Konzernzenralen heischen um Aufmerksamkeit und Dominanz. 

Schönheit kommt von außen

Die Stadtverwaltung hat nun eine neue Parole herausgegeben, die, deutsch übersetzt, in etwa so lautet: "Lasst uns die heruntergekommenen und umweltschädigenden Gebäude sanieren, um Riga schöner zu machen!" Gleichzeitig taucht ein neuer Begriff der Klassifizierung auf: "grausti". (grausti.riga) Wer das zu übersetzen versucht, landet im englischsprachigen Bereich bei "Slum" - aber sind hier wirklich "verwahrloste Elendsviertel" gemeint? 

Benutzt wird die neue Klassifizierung von einer "Komission zur Qualitätssicherung und -entwicklung der städtischen Umwelt" in Riga, wo Mitglieder des Stadtrats und der Verwaltung vertreten sind. 2018 erstmals einberufen, stellt man sich hier zur Aufgabe, Gebäude zu klassifizieren, die "nicht regelgemäß erhalten" werden. Inzwischen sind 1285 Gebäude in Riga auf einer Liste der "Grausti" gelandet, was für die Eigentümer auch einen erhöhten Satz von Immobiliensteuer bedeutet - gezahlt werden muss 3% (statt 1,5%) entsprechend dem Katasterwert der Immobilie.  

Faceliftung - am Haus

Notwendige Arbeiten: lettische Baufirmen freuen
sich über Aufträge (hier: "Bergafasades")
"Fassadenfieber" nennt es Journalistin Ieva Jakone in einem Beitrag für die Zeitschrift "IR". Hunderte Hauseigentümer seien kürzlich aufgefordert worden, zumindest die Hausfassade zu verschönern bzw. in Ordnung zu bringen. Die Steuersumme für sein Haus habe sich von einem Monat auf den anderen verfünffacht, erzählt Hauseigentümer Kristaps Epners. Aber amtliche Verwarnungen habe es sogar schon vor der Pandemie gegeben, gibt er zu - wenn auch, seiner Beschreibung nach, in "typischer Bürokratensprache". Zwar habe er schon einige andere Arbeiten am Haus in Auftrag geben müssen, so etwa die Erneuerung der Wasserrohre oder die Ausbesserung des Schornsteins. Nun zeige es sich, dass eine vernachlässigte Fassade "am meisten kostet". ("IR")

Für 977 Häuser sei bis Dezember 2024 ein erhöhter Steuersatz eingefordert worden, berichtet Ieva Jakone. Zu 255 Objekten habe die Komission Fragen an den Eigentümer gestellt - und dabei sei es eben nicht darum gegangen, ob ein Haus etwa einsturzgefährdet sei, sondern es gehe um das "Outfit" des Gebäudes. Verblasste Farbe oder Risse im Putz können da schon für eine Herabstuftung ausreichen. 

Weniger Menschen, mehr Steuer

Während die Einwohnerzahl Rigas weiterhin von Jahr zu Jahr sinkt, steigen die Einnahmen aus der Immobiliensteuer: 2021 waren das insgesamt 111 Millionen Euro, 2025 werden es wohl noch 5 Millionen mehr werden. Die wegen Fassadenmängeln erhobene erhöhte Steuersumme machte 2015 noch 825.000 Euro aus, inzwischen stieg die Summe auf 3,3 Millionen Euro. "Das dürfte aber kaum für einen der Hauseigentüber überraschend gekommen sein," meint Vladimirs Ozoliņš, Chef der städtischen Immobilienbehörde. Erste Warnungen würden immer schon ein Jahr im voraus verschickt, und die Stadt sei immer offen für jegliche sachliche Vorschläge die Verbesserungen bringen könnten, auch in solchen Fällen, wo am Haus erst noch andere Arbeiten nötig seien. Außerdem gäbe es aber schon seit 2017 ein Angebot der Co-Finanzierung von Fassadenarbeiten durch die Stadt Riga. 2024 habe man so insgesamt 97 Projekte von insgesamt 2 Millionen Euro unterstützen können. 

Die Liste der "Grausti" in Riga - vielleicht besser mit "heruntergekommene" oder "schlecht erhaltene" Gebäude zu übersetzen - wird aber nicht kürzer, meint Ozoliņš. 2023 wurden 151 Objekte restauriert, 2022 wurde an 161 Objekten etwas getan. Aber die Erhaltungsmaßnahmen dauern eben meist immer etwas länger. ("IR") Beim Blick zurück zeigt sich, dass im Jahr 2011 nur 16 Gebäude in ganz Riga wieder in guten Zustand gebracht werden konnten, 2018 waren es schon 207 (lps)

Langzeitpatienten

Eines der bekanntesten Beispiele für ein sehr vernachlässigtes Gebäude ist das Haus Marijas iela 6, das schon seit Wiedererlangung der lettischen Unabhängigkeit auf ein "Facelifting", oder besser noch eine Komplettsanierung wartet. Geschaffen wurde das 1904 erbaute Haus in Bahnhofsnähe von einem der bekanntesten lettischen Architekten: Konstantīns Pēkšēns. Die Eigentümer wurden 1941 mit der gesamten Familie nach Sibirien verbannt, das Gebäude verstaatlicht; als eine Tochter schließlich 1993 nach Riga zurückkehrte, konnte sie das Eigentum zwar zurückerhalten, musste aber feststellen dass eine Renovierung riesige Geldsummen verschlingen würde. Inzwischen gibt es zwei verschiedene Eigentümer, aber erst 2015 wurde das nun seit 30 Jahren nicht mehr bewohnte Haus von der Stadt Riga in die Kathegorie der "vernachlässigten" (Grausti-)Häuser aufgenommen. Bis dahin wurde nur 488 Euro Immobiliensteuer pro Jahr verlangt. Seit Riga nun die abgestufte Verschärfung eingeführt hat, fallen immerhin mehr als 17.000 Euro pro Jahr an (TVnet / Dienas bizness). 

Im März 2024 brach in der Pētersalas ielā in Riga ein Haus zusammen, dass nach einem Brand drei Jahre lang unverändert gelassen wurde. (NRA) Um verlassene Häuser in Riga kümmert sich auch die Initiative "grauzti", wie zum Beispiel im Fall des Gebäudes Kalnciema iela 2b (Kas Jauns / TVnet)

6. März 2025

Dänisch einkaufen

Vor einiger Zeit schien sich der Wettbewerb der Lebensmittel-Ketten in Lettland vor allem bei der Wahl zwischen "Rimi" oder "Maxima" zu entscheiden. “Maxima Latvija” gibt es schon seit dem Jahr 2000, und ist im Besitz der litauischen Unternehmergruppe “Vilniaus prekyba” - die Werbung lautet hier: eine Million m² Verkaufsfläche, 2500 Läden in sechs Ländern (gegenwärtig 173 in Lettland), 7,8 Milliarden Euro Gesamtumsatz. Und auch das litauische "Aibė", 1999 gegrünet, hat inzwischen über 500 Läden in Lettland eröffnet. 

Ketten und Netzwerke

"LaTS", die Bezeichnung angelehnt  an die ehemalige lettische Währung, ist lettisch organisiert - von der lettischen Händlervereinigung ("Latvijas tirgotāju savienība"), die seit 2007 besteht. Wer hier die Marken-Nutzungsrechte von "Lats" erwirbt, wird gleichzeitig Mitglied der Händervereinigung. Hier sind gegenwärtig 270 Firmen mit insgesamt 700 Handelsplätzen zusammengeschlossen - das kann auch ein Café, eine Tankstelle oder ein Stand auf dem Wochenmarkt sein.
Und es gibt auch noch "Citro", erst 2019 gegründet, eine kleine Kette geführt von der lettischen "SIA Latvian Retail Management", mit 70 Läden.

"Lidl Latvija” gibt es seit 2016, nachdem einige Versuche auf dem lettischen Einzelhandelsmarkt Fuß zu fassen zuvor gescheitert waren. Schnelles Wachstum wurde u.a. auch durch die Pandemiefolgen gebremst, gegenwärtig unterhält "Lidl" in Lettland 34 Läden (18 davon in Riga).

Und auch die niederländische "Spar" hat die Fühler längst nach Lettland ausgestreckt: “SPAR Latvija”, oft nach dem Franchise-Prinzip  arbeitend, ist seit 2021 im Besitz einer lettischen Lizenz. Als im August 2022 der erste lettische "Spar-Markt" in Saldus eröffnet wurde, verkündete die Firmenleitung, innerhalb von fünf Jahren 500 Läden in Lettland betreiben zu wollen - inzwischen gibt es 25 (sieben davon in Riga). 2023 waren 23 Läden zu "Spar" gewechselt, die zuvor “ELVI Latvija” angeschlossen waren. Aber auch "Elvi", im Jahr 2000 als Franchise-Unternehmen gegründet, unterhält derzeit noch 80 Läden in Lettland (nur 7 davon in Riga) und wirbt mit besonderer "lettischer Atmosphäre".  (Liste aller Supermarktketten)

Flaggenwechsel 

Wie gesagt: es gab mal Zeiten, da waren vor allem "Rimi" und "Maxima" überall in Lettland präsent. Aber wer dann glaubte, wenn ich "nicht bei Maxima" kaufe, dann kaufe ich "lettisch", lag schon immer falsch. 1997 eröffnete der erste "Rimi" in Lettland, aber schon seit 2007 war die schwedische "ICA-Gruppe" alleiniger Besitzer von "Rimi Latvija". - Seit Anfang März 2025 nun aber nicht mehr: ICA verkauft sein gesamtes "baltisches" Segment für 1,3 Milliarden Euro an die dänische "Salling Group" - und fällt durch exklusive Wortwahl auf: nun wird nicht mehr "investiert", sondern "divestiert". Da schlagen wir besser nicht im Wörterbuch nach (denn dort steht "divest" auch für etwas rauben oder stehlen), sondern im Handbuch für Betriebswirtschaftslehre (= Kapitalfreisetzung durch Veräußerung von Vermögensgegenständen). Laut Wikipedia auch „Beendigung oder Aufhebung einer Investition“. (lsm)

Man wolle sich nun mehr auf den schwedischen Markt konzentrieren, so eine ICA-Pressemitteilung. "Rimi Baltic" hatte zuletzt 11.000 Angestellte und 314 Läden in allen drei baltischen Staaten (135 in Lettland). Im Gegensatz zum bisherigen schwedischen Besitzer betonen die neuen dänischen Eigentümer, ihr Unternehmen konzentriere sich schon lange auch auf das Geschäft außerhalb des eigenen Landes Dänemark. Zu "Salling" (bis 2018 noch "Dansk Supermarked A/S") gehören unter anderem auch "Starbucks" und der Discounter "Netto" (seit 1990 auch in Deutschland). 2019 hatte die Salling-Gruppe ihrerseits verkündet, sich aus Schweden zurückzuziehen (Lebensmittelzeitung). 

Wird es günstiger? 

Bei Lebensmitteln sei längst "europäisches Niveau" erreicht, stellte Ende 2024 eine Analyse des lettischen Radio fest, und fragte nach Gründen für teilweise "astronomisch hohe" Lebenmittelpreise (lsm). Die Redaktion hatte einen Einkaufskorb für Vergleichskäufe zusammengestellt, bestehend aus Mehl, Toastbrot, Milch, Zucker, Hühnerfilet, Eier, Äpfel, Kartoffeln und Orangensaft.

"Rimi" selbst schreibt: "71% der Käuferinnen und Käufer nutzen beim Einkauf Sonderangebote" - ein bekannter Markenname oder das Design der Verpackung dagegen seinen weniger wichtig. Sogar ob ein Produkt aus Lettland stamme oder nicht, sei von geringer Bedeutung. In einer anderen Umfrage sagen 40%, wenn es um Einsparungen gehe, würden sie es zuerst beim Lebensmitteleinkauf versuchen. 

"Latvijas Radio" verglich die Preise bei "Rimi", "Maxima" und "Lidl", und befragte zudem auch Lettinnen und Letten in verschiedenen anderen EU-Ländern. Es wird auch darauf hingeweisen, dass Menschen in drei EU-Ländern 20-25% ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben: Bulgarien, Rumänien und auch Lettland (in anderen EU-Ländern unter 15%). 

Beim Blick auf die Kassenzettel der drei getesteten Anbieter muss vielleicht hinzugefeügt werden, dass für das Jahr 2024 "Maxima" wie auch "Rimi" Gewinne bilanzierten, während "Lidl Latvia" 14,8 Millionen Euro Verluste verbuchte. Die langfristige Strategie von "Lidl" sei es, den niedrigsten Preis mit der besten Qualität für einen täglichen Warenkorb an Lebensmitteln zu bieten, heißt es. Eine Sprecherin von "Rimi" wies darauf hin, dass dort 700 Produkte unter dem Label "wahrscheinlich den niedrigsten Preis auf dem Markt" angeboten würden, eine Preislage, die jede Woche neu überprüft werde. (lsm)

Für Deutschland wurde zwar festgestellt, dass für den festgesetzten Warenkorb etwas mehr Geld bezahlt werden muss - aber der durchschnittliche Einkommensunterschied beider Länder sei auch enorm: wer mit Mindestlohn arbeiten muss, verdiene in Deutschland etwa 2000 Euro monatlich, in Lettland aber nur 700 Euro, so heißt es. 

Regionale Verhältnisse

Eine Kommission des lettischen Parlament macht sich derweil Sorgen um den Anteil einheimischer, also lettischer Produkte im Lebensmittelsortiment.  Eine Studie des lettischen Wirtschaftsministeriums weist für Brot einen (lettischen) Eigenanteil von 80% und bei Fleisch von 60% aus. Bei "Rimi" liege der Anteil lokaler Produkte bei insgesamt 30-40%, bei "Maxima" allerdings nur bei 20-30%. Jānis Šolks vom Verband der lettischen Milcherzeuger weist darauf hin, dass bei einem so einfachen Produkt wie pasteurisierter Milch der Eigenanteil von Milch aus Lettland nur bei 50% liege - die andere Hälfte stamme aus Estland und Litauen. (lsm)

Iveta Liniņa, Professorin an der Hochule Turiba in Riga, weist darauf hin, dass die geopolitische Lage wohl die "ICA-Gruppe" dazu bewegt habe, "Rimi" zu verkaufen. Schließlich habe auch die schwedische "Södra" erst kürzlich beschlossen, ihren gesamten Besitz an lettischen Waldflächen zu veräußern. ("IR") "So wie es aussieht, wollen sich die Schweden vielleicht auch auf Distanz zur östlichen Grenze der EU bringen", vermutet die Ökonomin. Es sei aber auch ein Kaufkraftrückgang in Lettland zu beobachten. (lsm)

Zudem habe sich die Hoffnung auf ein starkes Wirtschaftswachstum in den baltischen Staaten vorerst zerschlagen, meint Henriks Danusēvičs, Präsident der lettischen Händlervereinigung. Zudem habe der Markteinstieg von "Lidl" einen Teil des Marktes weggenommen. Dass aber insgesamt die schwedischen Investitionen in Lettland nicht zurückgegangen sind, bestätigt auch Laura Štrovalde, Chefin der lettischen Investitionsagengtur (Latvijas Investīciju un attīstības aģentūras LIAA): "Von insgesamt 25,8 Milliarden Euro an Investitionen halten schwedische Unternehmen gegenwärtig einen Anteil von 30,5%", berichtet sie. (lsm)