Vor einiger Zeit schien sich der Wettbewerb der Lebensmittel-Ketten in Lettland vor allem bei der Wahl zwischen "Rimi" oder "Maxima" zu entscheiden. “Maxima Latvija” gibt es schon seit dem Jahr 2000, und ist im Besitz der litauischen Unternehmergruppe “Vilniaus prekyba” - die Werbung lautet hier: eine Million m² Verkaufsfläche, 2500 Läden in sechs Ländern (gegenwärtig 173 in Lettland), 7,8 Milliarden Euro Gesamtumsatz. Und auch das litauische "Aibė", 1999 gegrünet, hat inzwischen über 500 Läden in Lettland eröffnet.
Ketten und Netzwerke
"LaTS", die Bezeichnung angelehnt an die ehemalige lettische
Währung, ist lettisch organisiert - von der lettischen
Händlervereinigung ("Latvijas tirgotāju savienība"),
die seit 2007 besteht. Wer hier die Marken-Nutzungsrechte von "Lats"
erwirbt, wird gleichzeitig Mitglied der Händervereinigung. Hier sind
gegenwärtig 270 Firmen mit insgesamt 700 Handelsplätzen
zusammengeschlossen - das kann auch ein Café, eine Tankstelle oder ein
Stand auf dem Wochenmarkt sein. Und es gibt auch noch "Citro", erst 2019 gegründet, eine kleine Kette geführt von der lettischen "SIA Latvian Retail Management", mit 70 Läden."Lidl Latvija” gibt es seit 2016, nachdem einige Versuche auf dem lettischen Einzelhandelsmarkt Fuß zu fassen zuvor gescheitert waren. Schnelles Wachstum wurde u.a. auch durch die Pandemiefolgen gebremst, gegenwärtig unterhält "Lidl" in Lettland 34 Läden (18 davon in Riga).
Und auch die niederländische "Spar" hat die Fühler längst nach Lettland ausgestreckt: “SPAR Latvija”, oft nach dem Franchise-Prinzip arbeitend, ist seit 2021 im Besitz einer lettischen Lizenz. Als im August 2022 der erste lettische "Spar-Markt" in Saldus eröffnet wurde, verkündete die Firmenleitung, innerhalb von fünf Jahren 500 Läden in Lettland betreiben zu wollen - inzwischen gibt es 25 (sieben davon in Riga). 2023 waren 23 Läden zu "Spar" gewechselt, die zuvor “ELVI Latvija” angeschlossen waren. Aber auch "Elvi", im Jahr 2000 als Franchise-Unternehmen gegründet, unterhält derzeit noch 80 Läden in Lettland (nur 7 davon in Riga) und wirbt mit besonderer "lettischer Atmosphäre". (Liste aller Supermarktketten)
Flaggenwechsel
Wie gesagt: es gab mal Zeiten, da waren vor allem "Rimi" und "Maxima" überall in Lettland präsent. Aber wer dann glaubte, wenn ich "nicht bei Maxima" kaufe, dann kaufe ich "lettisch", lag schon immer falsch. 1997 eröffnete der erste "Rimi" in Lettland, aber schon seit 2007 war die schwedische "ICA-Gruppe" alleiniger Besitzer von "Rimi Latvija". - Seit Anfang März 2025 nun aber nicht mehr: ICA verkauft sein gesamtes "baltisches" Segment für 1,3 Milliarden Euro an die dänische "Salling Group" - und fällt durch exklusive Wortwahl auf: nun wird nicht mehr "investiert", sondern "divestiert". Da schlagen wir besser nicht im Wörterbuch nach (denn dort steht "divest" auch für etwas rauben oder stehlen), sondern im Handbuch für Betriebswirtschaftslehre (= Kapitalfreisetzung durch Veräußerung von Vermögensgegenständen). Laut Wikipedia auch „Beendigung oder Aufhebung einer Investition“. (lsm)Man wolle sich nun mehr auf den schwedischen Markt konzentrieren, so eine ICA-Pressemitteilung. "Rimi Baltic" hatte zuletzt 11.000 Angestellte und 314 Läden in allen drei baltischen Staaten (135 in Lettland). Im Gegensatz zum bisherigen schwedischen Besitzer betonen die neuen dänischen Eigentümer, ihr Unternehmen konzentriere sich schon lange auch auf das Geschäft außerhalb des eigenen Landes Dänemark. Zu "Salling" (bis 2018 noch "Dansk Supermarked A/S") gehören unter anderem auch "Starbucks" und der Discounter "Netto" (seit 1990 auch in Deutschland). 2019 hatte die Salling-Gruppe ihrerseits verkündet, sich aus Schweden zurückzuziehen (Lebensmittelzeitung).
Wird es günstiger?
Bei Lebensmitteln sei längst "europäisches Niveau" erreicht, stellte Ende 2024 eine Analyse des lettischen Radio fest, und fragte nach Gründen für teilweise "astronomisch hohe" Lebenmittelpreise (lsm). Die Redaktion hatte einen Einkaufskorb für Vergleichskäufe zusammengestellt, bestehend aus Mehl, Toastbrot, Milch, Zucker, Hühnerfilet, Eier, Äpfel, Kartoffeln und Orangensaft."Rimi" selbst schreibt: "71% der Käuferinnen und Käufer nutzen beim Einkauf Sonderangebote" - ein bekannter Markenname oder das Design der Verpackung dagegen seinen weniger wichtig. Sogar ob ein Produkt aus Lettland stamme oder nicht, sei von geringer Bedeutung. In einer anderen Umfrage sagen 40%, wenn es um Einsparungen gehe, würden sie es zuerst beim Lebensmitteleinkauf versuchen.
"Latvijas Radio" verglich die Preise bei "Rimi", "Maxima" und "Lidl", und befragte zudem auch Lettinnen und Letten in verschiedenen anderen EU-Ländern. Es wird auch darauf hingeweisen, dass Menschen in drei EU-Ländern 20-25% ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben: Bulgarien, Rumänien und auch Lettland (in anderen EU-Ländern unter 15%).Beim Blick auf die Kassenzettel der drei getesteten Anbieter muss vielleicht hinzugefeügt werden, dass für das Jahr 2024 "Maxima" wie auch "Rimi" Gewinne bilanzierten, während "Lidl Latvia" 14,8 Millionen Euro Verluste verbuchte. Die langfristige Strategie von "Lidl" sei es, den niedrigsten Preis mit der besten Qualität für einen täglichen Warenkorb an Lebensmitteln zu bieten, heißt es. Eine Sprecherin von "Rimi" wies darauf hin, dass dort 700 Produkte unter dem Label "wahrscheinlich den niedrigsten Preis auf dem Markt" angeboten würden, eine Preislage, die jede Woche neu überprüft werde. (lsm)
Für Deutschland wurde zwar festgestellt, dass für den festgesetzten Warenkorb etwas mehr Geld bezahlt werden muss - aber der durchschnittliche Einkommensunterschied beider Länder sei auch enorm: wer mit Mindestlohn arbeiten muss, verdiene in Deutschland etwa 2000 Euro monatlich, in Lettland aber nur 700 Euro, so heißt es.
Regionale Verhältnisse
Eine Kommission des lettischen Parlament macht sich derweil Sorgen um den Anteil einheimischer, also lettischer Produkte im Lebensmittelsortiment. Eine Studie des lettischen Wirtschaftsministeriums weist für Brot einen (lettischen) Eigenanteil von 80% und bei Fleisch von 60% aus. Bei "Rimi" liege der Anteil lokaler Produkte bei insgesamt 30-40%, bei "Maxima" allerdings nur bei 20-30%. Jānis Šolks vom Verband der lettischen Milcherzeuger weist darauf hin, dass bei einem so einfachen Produkt wie pasteurisierter Milch der Eigenanteil von Milch aus Lettland nur bei 50% liege - die andere Hälfte stamme aus Estland und Litauen. (lsm)
Iveta Liniņa, Professorin an der Hochule Turiba in Riga, weist darauf hin, dass die geopolitische Lage wohl die "ICA-Gruppe" dazu bewegt habe, "Rimi" zu verkaufen. Schließlich habe auch die schwedische "Södra" erst kürzlich beschlossen, ihren gesamten Besitz an lettischen Waldflächen zu veräußern. ("IR") "So wie es aussieht, wollen sich die Schweden vielleicht auch auf Distanz zur östlichen Grenze der EU bringen", vermutet die Ökonomin. Es sei aber auch ein Kaufkraftrückgang in Lettland zu beobachten. (lsm)
Zudem habe sich die Hoffnung auf ein starkes Wirtschaftswachstum in den baltischen Staaten vorerst zerschlagen, meint Henriks Danusēvičs, Präsident der lettischen Händlervereinigung. Zudem habe der Markteinstieg von "Lidl" einen Teil des Marktes weggenommen. Dass aber insgesamt die schwedischen Investitionen in Lettland nicht zurückgegangen sind, bestätigt auch Laura Štrovalde, Chefin der lettischen Investitionsagengtur (Latvijas Investīciju un attīstības aģentūras LIAA): "Von insgesamt 25,8 Milliarden Euro an Investitionen halten schwedische Unternehmen gegenwärtig einen Anteil von 30,5%", berichtet sie. (lsm)
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