Dies ist das Manuskript zum Artikel in den Baltischen Briefen.
Die Letten haben gesprochen. Sie wollen nicht, daß Russisch zweite Amtssprache wird. Daß dieses Referendum so ausgeht, war vorher nicht nur absehbar, sondern klar. Allein schon wegen des nötigen Quorums. 50% der Wahlberechtigten hätten mit ja stimmen müssen für eine Verfassungsänderung unabhängig von der Wahlbeteiligung. Wäre also nur jeder zweite an die Urnen gegangenen, hätte es einer 100%igen Zustimmung bedurft.
Es ging aber in diesem Referendum eigentlich nicht darum, ob Russisch zweite Amtssprache wird, auch wenn im Osten des Landes, in Lettgallen der Anteil der Russischsprachigen mancherorts so hoch ist, daß sich ein Fremder wundern mag, wieso die Menschen auf dem Amt nicht in ihrer Muttersprache sprechen können, wo im Alltag im Straßenbild diese Sprache allgegenwärtig ist. Es ging eher um eine Provokation.
Der Initiator des Referendums, Wladimir Linderman, ist ein in Lettland lebender und Lettisch sprechender Nichtbürger des Landes. So nennt man die Menschen, die über überhaupt keine Staatsangehörigkeit verfügen, aber ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Lettland haben und von diesem Staat mit dem grauen Paß auch über ein offizielles Dokument verfügen, mit dem sie visafrei nach Rußland und in der EU reisen können. Einzig gilt für sie nicht die Niederlassungsfreiheit. Linderman ist als Nationalbolschewist kein unbeschriebenes Blatt in Lettland.
Eine Provokation war das Referendum aus verschiedenen Gründen. Die eigene Sprache ist für die Letten nach 50 Jahren Sowjetherrschaft ein wichtiges Symbol. Damals war ihre Sprache wenigstens in der eigenen Republik zwar auch Amtssprache, im realen Alltag aber kam man vielleicht auf dem Land ohne Russischkenntnisse durch, gewiß aber nicht in der Stadt. Außerdem wurden die Letten durch die Ansiedlungspolitik der Sowjetunion beinahe zur Minderheit im eigenen Land.
Die Verfassung sieht vor, daß ein Referendum stattfinden muß, wenn die Initiatoren Unterschriften dafür von 10% der Wahlberechtigten vorlegen können. Diese Hürde ist nicht besonders hoch, bedenkt man, daß viele Russen Nachfahren von Menschen sind, die bereits vor der Sowjetzeit im Land lebten und deshalb automatisch Staatsbürger und viele weitere sich haben im Laufe der Zeit einbürgern lassen. Bei einer Bevölkerung von 2,2 Millionen ist mindestens ein gutes Drittel russisch. Den Status des Nichtsbürgers haben aber nur etwa 300.000 Menschen. Genug Potential also von Staatsbürgern russischer Nationalität. Eine weitere Provokation bestand nun darin, daß ab der erfolgten Einreichung der Unterschriftenliste beim Wahlamt der Staat die Kosten der Organisation der Abstimmung übernimmt.. Die Letten sollten also auf Kosten des Steuerzahlers über ihre eigene nationale Identität abstimmen. Das wurde von vielen Letten als absurd empfunden.
Die Letten haben gesprochen. Sie wollen nicht, daß Russisch zweite Amtssprache wird. Daß dieses Referendum so ausgeht, war vorher nicht nur absehbar, sondern klar. Allein schon wegen des nötigen Quorums. 50% der Wahlberechtigten hätten mit ja stimmen müssen für eine Verfassungsänderung unabhängig von der Wahlbeteiligung. Wäre also nur jeder zweite an die Urnen gegangenen, hätte es einer 100%igen Zustimmung bedurft.
Es ging aber in diesem Referendum eigentlich nicht darum, ob Russisch zweite Amtssprache wird, auch wenn im Osten des Landes, in Lettgallen der Anteil der Russischsprachigen mancherorts so hoch ist, daß sich ein Fremder wundern mag, wieso die Menschen auf dem Amt nicht in ihrer Muttersprache sprechen können, wo im Alltag im Straßenbild diese Sprache allgegenwärtig ist. Es ging eher um eine Provokation.
Der Initiator des Referendums, Wladimir Linderman, ist ein in Lettland lebender und Lettisch sprechender Nichtbürger des Landes. So nennt man die Menschen, die über überhaupt keine Staatsangehörigkeit verfügen, aber ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Lettland haben und von diesem Staat mit dem grauen Paß auch über ein offizielles Dokument verfügen, mit dem sie visafrei nach Rußland und in der EU reisen können. Einzig gilt für sie nicht die Niederlassungsfreiheit. Linderman ist als Nationalbolschewist kein unbeschriebenes Blatt in Lettland.
Eine Provokation war das Referendum aus verschiedenen Gründen. Die eigene Sprache ist für die Letten nach 50 Jahren Sowjetherrschaft ein wichtiges Symbol. Damals war ihre Sprache wenigstens in der eigenen Republik zwar auch Amtssprache, im realen Alltag aber kam man vielleicht auf dem Land ohne Russischkenntnisse durch, gewiß aber nicht in der Stadt. Außerdem wurden die Letten durch die Ansiedlungspolitik der Sowjetunion beinahe zur Minderheit im eigenen Land.
Die Verfassung sieht vor, daß ein Referendum stattfinden muß, wenn die Initiatoren Unterschriften dafür von 10% der Wahlberechtigten vorlegen können. Diese Hürde ist nicht besonders hoch, bedenkt man, daß viele Russen Nachfahren von Menschen sind, die bereits vor der Sowjetzeit im Land lebten und deshalb automatisch Staatsbürger und viele weitere sich haben im Laufe der Zeit einbürgern lassen. Bei einer Bevölkerung von 2,2 Millionen ist mindestens ein gutes Drittel russisch. Den Status des Nichtsbürgers haben aber nur etwa 300.000 Menschen. Genug Potential also von Staatsbürgern russischer Nationalität. Eine weitere Provokation bestand nun darin, daß ab der erfolgten Einreichung der Unterschriftenliste beim Wahlamt der Staat die Kosten der Organisation der Abstimmung übernimmt.. Die Letten sollten also auf Kosten des Steuerzahlers über ihre eigene nationale Identität abstimmen. Das wurde von vielen Letten als absurd empfunden.
Dem entgegenzusetzen ist freilich das Bauchgefühl eines liberalen Europäers, der sich da fragt, wie kann es nach der Auflösung eines Vielvölkerstaates sein, daß seine nun unabhängigen Teilrepubliken nicht automatisch allen Einwohner die Staatsbürgerschaft zugesteht. Das war 1991 ein Problem, weil man nicht automatisch davon ausgehen konnte, daß diese sich plötzlich in einem fremden Nationalstaat wiederfindenden Russen Lettland gegenüber Loyal sein würden. Und gewiß waren und sind es viele bis heute nicht. Andererseits hat der lettische Staat in 20 Jahren diesen Menschen nur eingeschränkt vermittelt, daß sie in Lettland willkommen sind. Die Letten ziehen gerne Parallelen zu den Türken in Deutschland, die ja schließlich auch keine Schulen in der Muttersprache hätten und auf dem Amt nolens volens auf Deutsch kommunizieren müßten. Dieser Vergleich hinkt aus ganz vielen Gründen, aber im Punkt der Bemühung der Mehrheitsgesellschaft um die Integration der Minderheit gibt es sehr wohl auch Ähnlichkeiten. Ein Lichtblick ist gewiß, daß normalerweise einer einzelnen russischen Person gegenüber der Lette diese Rechnung des großen Ganzen nicht aufmacht und ohne Murren ins Russische wechselt – mit Ausnahme der jüngeren Generation, in der das viele gar nicht können.
Angenommen Russisch wäre zweite Amtssprache, würde sich dann in Lettland viel ändern? Zunächst einmal sicher nicht. Im Geschäftsleben beschweren sich manche Letten schon, daß Arbeitgeber Russischkenntnisse verlangen, damit russische Kunden in ihrer Sprache bedient werden können. Dennoch ist es selbst auf Ämtern völlig normal, daß des Lettischen nicht mächtige Russen in ihrer Sprache empfangen werden. Das mag in den 90ern manchmal noch widerwillig geschehen sein.
Ändern würde sich, daß alle Dokumente auch ins Russische übersetzt werden müßten und daß Russisch als Amtssprache eines EU-Landes automatisch auch Amtssprache der EU würde. Das wiederum würde mehr Geld kosten.