31. Juli 2014

Dicke Luft in Riga

Sich würden Lettinnen und Letten normalerweise gern - gefragt nach den Schönheiten ihres Landes - die reichhaltigen und gut erhaltenen Naturlandschaften in den Vordergrund stellen. "Nicht selten klingt es so, als seien wir das grünste Land der Welt", schreibt Autorin Arita Rudzīte in der Tageszeitung DIENA, "denn in vielen Untersuchungen liegt Lettland ja, was die Erhaltung von Tier- und Pflanzenwelt angeht, unter den besten zehn Ländern. Und das führt zu der Annahme, mit unserer Umwelt sei alles in Ordnung."

gewohntes Bild in Riga: zunehmender Autoverkehr
nimmt die Luft zum Atmen
Aber leider trifft das offenbar nicht auf die lettische Hauptstadt zu. Grundsätzlich ist die Luftqualität eigentlich gut, bestätigt Jānis Kleperis, Luftreinhaltungsspezialist des Rigaer Stadtrats, gegenüber der Zeitung DIENA. "Unser größeres Problem besteht einerseits im Staubanteil der Luft, andererseits kleine Feststoffteilchen, die aus Verbrennungsprozessen herrühren. Verursacher sind einerseits der Verkehr, Privathaushalte, und teilweise auch die Industrie."

Manche bezeichnen den Gehalt von Staub und Sand in der Stadtluft beinahe als "traditionell" - oft an trockenen Tagen zu beobachten, wenn auch der Wind immer wieder durch Rigas Straßen wirbelt - nicht umsonst sind auch "Wasserwagen" der städtischen Verkehrsbetriebe zu beobachten, die dann Wege und Schienenbereiche wässern. Andere meinen, die immer noch häufig anzutreffende Gewohnheit alte Zweige, Gras oder Blätter einfach vor Ort zu verbrennen würde. Staub und Feststoffteilchen werden immer wieder von Autoreifen aufgewirbelt, und Bauarbeiten oder Umladen von Gütern täten ihr übriges, so die zuständige Behörde. Eine amtliche Meßstation an der Brivibas iela, einer der Hauptdurchgangsstraßen hat ergeben, dass es in Riga 100 Tage im Jahr gibt an denen es "staubig" zugeht. In Hafennähe wurde in den vergangenen Jahren häufig ein erhöhter Benzolgehalt in der Luft gemessen, teilweise mehr als 5Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.
Die aktuellen Messergebnisse zur Luftqualität
in Riga sind online einsehbar
"Beim Stickstoffdioxid in der Stadtluft liegt Riga vorn" muss auch Iveta Šteinberga zu geben, die beim lettischen Umweltministerium für die Luftreinhaltung zuständig ist. Im "baltischen" Vergleich liegt Riga vor Vilnius und Tallinn. "Auf der Kristjan Valdemāra iela gibt es vier Fahrspuren, aber in Stoßzeiten kommt man dort zu Fuss schneller voran als mit dem Auto", sagt sie. Es wird geschätzt, dass sich bis zu 25.000 Fahrzeuge täglich durch Rigas Zentrum bewegen. 90% der Verursacherquellen für "schlechte Luft" liegen im Bereich des Verkehrs, weisen Untersuchungen nach - teilweise auch deshalb, weil viele Fahrzeuge älteren Typs noch in Gebrauch sind. Manche hoffen dann schlicht aufs Wetter: bei Regen oder Wind verringert sich die Verschmutzungsintensität in der Luft.

Seit etwa 10 Jahren ist in Riga die erhöhte Luftbelastung etwa durch Stickstoffdioxid bekannt - die bisher getroffenen Maßnahmen zu einer Verbesserung waren aber offenbar unzureichend. Neben den Plänen, den Schwertransport um Rigas Zentrum herumzuleiten sind es vor allem Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, die beitragen sollen dass die Rigenser vom Auto auf öffentlichen Nahverkehr oder aufs Fahrrad steigen. Auch eine Gebühr für die Einfahrt ins Zentrum ("Citymaut") ist immer wieder Gegenstand der Diskussion zwischen Wissenschaftlern, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit in Riga. Fraglich ist aber, ob die bestehenden Maßnahmen allein ausreichen, um die Menschen die sich in Riga aufhalten auch wieder beruhigt "durchatmen" zu lassen. Jetzt - in den Sommerferien - ist das Thema sowieso leicht wieder vergessen; im Winter, wenn zusätzlich die Schlote der Heizkraftwerke und privaten Kamine qualmen, dann wird alles wieder "sichtbarer" auf der Tagesordnung stehen. 

Messungen der Luftqualität in Riga (aktuell einsehbar)
Untersuchungsergebnisse des lettischen Zentrums für Umwelt, Meteorologie und Geologie (lettisch)
Luftreinhaltungsprobleme in Riga (Autor Jānis Kleperis, lettisch)

26. Juli 2014

Solche und solche - zwischen Staatsangehörigkeit und Staatsbürgerschaft

Für alle, die sich Gedanken machen, wie viele russischstämmige Bewohnerinnen und Bewohner Lettland eigentlich hat, gab das staatliche Statistikamt vor einigen Tagen die neuesten Zahlen heraus. Demnach lassen sich die "Russen" Lettlands - statistisch gesehen - in drei Kategorien einteilen. Wichtig dabei ist zu wissen, dass in einem lettischen Pass (der ja ein Nachweis der Staatsangehörigkeit ist) auch die Volkszugehörigkeit angegeben ist. Auf dieser Tatsache beruht die Möglichkeit, die Passinhaber noch mal nach Volkszugehörigkeit zu unterteilen.

Innerhalb der vergangenen fünf Jahre, also seit 2009, ist die Zahl der Menschen mit russischem Paß, die ein Aufenthaltsrecht in Lettland haben, von 30.328 auf 48.873 Personen angewachsen.

Dem gegenüber sank die Zahl der russischstämmigen Bürger mit lettischem Paß um 3.055 auf 358.991 Personen.

Zu Jahresanfang 2014 waren es noch 185.741 Russen, die keine lettische Staatsbürgerschaft haben oder diese noch nicht beantragt haben (aber auch keine russische, denn eine Doppelstaatsbürger-schaft ist nicht möglich). Sie bekommen einen sogenannten "Nichtbürgerpass", der ein Aufenthaltsrecht beinhaltet (das Auswärtige Amt sagt dazu: "Ausländerrechtlich werden Nichtbürger behandelt wie Drittstaatsangehörige mit ständigem Aufenthaltstitel für Lettland"). Dieser Personenkreis nimmt nur noch in geringer Zahl die Möglichkeit wahr die lettische Staatsbürgerschaft zu beantragen - im Laufe des Jahres 2013 verringerten sich die "Nichtstaatsbürger" um 9.993 Personen, seit 2009 um 50.167 Personen.
(siehe LETA, Latvijas Avize)




Einige Zahlen zu anderen in Lettland vertretenen Volksgruppen:
Land             - Staatsbürger - ohne Staatsbürgerschaft
Weißrussen -  30.437    -  38.491
Litauer         -  18.048     -    7.266
Esten           -     1.354    -       409
Polen           -  37.309     -    9.699
Ukrainer      -  18.565     -   27.461
Deutsche    -     2.203    -     1.104
(Lettisches Amt für Staatsbürgerschaft und Migration PMLP)

Neu sind auch die Übersichten des staatlichen Migrationsamts, wie viele Lettinnen und Letten offiziell ihren Wohnsitz gegenwärtig in anderen Ländern der Welt angemeldet haben.
In den USA sind dies 12.389 Personen, in Australien 4.559, Kanada 4.281, in Norwegen 1.742, in Irland 13.026 und in Großbritannien 33.904 Personen. Auch in Deutschland haben bereits 9.206 Menschen mit lettischem Paß ihren Wohnsitz angemeldet.

21. Juli 2014

Die Balten-Versteher

Es gab Zeiten, da wollte niemand sich gern mit den Sichtweisen Lettlands gern identifzieren. "Anwalt der Balten" - so wie es der damalige deutsche Außenminister Kinkel mal formulierte - das kam gut an, besonders wenn man dann sah dass als Resultat Kanzler Kohl seine Staatsbesuche immer hübsch an Riga vorbei arrangierte. Die "Singende Revolution" als gewaltloser Aufstand fand Eingang in die Geschichtsbücher - und da sollte das Thema nach Meinung einiger auch möglichst bleiben (okay, ein Stückchen Tourismuswerbung mit diesem Thema ist noch erlaubt). Erwartet wurde brave Vorab-Erfüllung von EU-Beitrittskriterien, gern genommen mit parallel gedeihender Konsum- und Wachstumsgläubigkeit. Dass sich Letten so schwer tun mit dem (erzwungenen) Zusammenleben mit den zu Sowjetzeiten angesiedelten Russen galt vielfach als Zeichen mangelnder Toleranz gepaart mit fehlender Erfahrung mit demokratischer Praxis.

Deutschlands "Spaß" am Kalten Krieg
Soviel muss glaube ich vorausgeschickt werden, wenn es um die heutige Stimmungslage geht. Noch ist es offen, ob die sogenannte "Ukraine-Krise" Europa wieder in eine Aggressionsspirale treiben wird, auch wenn der estnische Premier Rõivas in einem  SPIEGEL-Interview so tut, als ob Deutschland am "Kalten Krieg" richtig Spaß hatte, Zitat: "Wir brauchen eine klare Abschreckungswirkung. Gerade Deutschland als ehemaliger Frontline-Staat dürfte dafür Verständnis haben." Lieber Herr Rõivas! Vielleicht waren Sie damals noch nicht geboren, aber ganz Deutschland hat jahrelang dafür gekämpft, dass sich die Großmächte NICHT mit immer größer werdendem und teurem Waffenarsenal gegenseitig bedrohen!
Bevor also jemand noch Träume von "Truppen an den Außengrenzen" als "Eingehen auf die Wünsche der Balten" rechtfertigt, lohnt es sich erstmal genauer hinzuschauen. "Die Angst geht um in Osteuropa" schreibt "die Welt" (15.7.) und tut fast so als ob es sonst noch niemand gemerkt habe. Wie gesagt: eigentlich kennen Letten die russische "Seele", russische Innenpolitik und aufkommende Sowjet-Romantik sehr gut - nur ein verantwortungsvoller Umgang damit wurde ihnen bisher vom Westen nicht zugetraut. Wenn jetzt also auch im Westen ankommt, dass Lettland Angst vor zu viel russischem Einfluß hat, muss das Ergebnis dann ein erneutes Wettrüsten sein?

Meßlatte bei 2%
Die russische Aggression in der Ukraine habe die Einstellung des Westens gegenüber militärischer Verteidigung verändert - meint Aivars Ozoliņš in der lettischen Zeitschrift "IR". Alle NATO-Länder zusammen hätten in den vergangenen fünf Jahren ihre Verteidigungsausgaben um 20% verringert, rechnet Ozoliņš vor. In der gleichen Zeit seien Russlands Rüstungsausgaben um 20% angestiegen und würden nach Berechnungen der Weltbank inzwischen 4,5% des Bruttosozialprodukts ausmachen. 723 Milliarden Dollar wolle Russland bis 2020 in die Modernisierung des Militärs investieren.
Ein Helikopter vom Typ "MI-17" mit fünf
Mann Besatzung in ständiger Bereitschaft für den
Rettungseinsatz - das ist die bisherige lettische
Verwendung des neuen Flugplatzes Lielvārde
In absoluten Zahlen geben die USA 754 Milliarden Dollar pro Jahr für Verteidigung aus, 72% aller Ausgaben der NATO - so geht Ozoliņš Rechnung weiter. Die NATO zusammen gebe 70% aller Mittel auf der Welt aus, die für militärische Verteidigung verwendet werden.
Nur zwei der 28 NATO-Mitglieder halten momentan die häufig diskutierte Richtlinie ein, 2% des BRP für Verteidigung auszugeben: Großbritannien, USA, Griechenland und Estland. Nahe dran sind Frankreich mit 1,9% und Polen sowie Türkei mit 1,8%. Verglichen mit 1995 war damals die Situation so: nur bei zwei Staaten, Spanien und Luxemburg, lagen die Militärausgaben unter 2%. Bei allen anderen lagen sie durchschnittlich bei 3,4%. In aboluten Zahlen gerechnet sichern drei Staaten zusammen etwa die Hälfte des Verteidigungsbudgets: Frankreich, Großbritannien und Deutschland.

Angeblich haben sich die Vertreter der NATO-Staaten für ihr nächstes Treffen im September eine Erhöhung der Budgets auf 2% vorgenommen.

Vejonis legt nach
Lettland hat im Jahr 2013 0,91% des BSP für Verteidigung ausgegeben, Litauen 0,8%. Beide Regierungen haben inzwischen Beschlüsse vom Parlement absegnen lassen, diese Etats bis 2020 auf 2% zu erhöhen. Dennoch konnte sich das vom "grün-Bauern" Vejonis geführte Verteidigungsministerium nicht durchsetzen, für jedes Jahr konkrete Maßnahmen und Zahlen festzulegen - somit steht diese Absichtserklärung eigentlich noch unter Haushaltsvorbehalt.

Übung von Freiwilligen der Zemessardzes (Foto: Mežals)
Als Prioritäten nennt das lettische Verteidigungs-ministerium: Beobachtung des Luftraums, Luft- und Panzerabwehrmittel, Mechanisierung und Technisierung, bessere Ausstattung der freiwilligen Einheiten der Zemessardzes, Rüstung. Von einigen Militärtheoretikern wird auch die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht als Möglichkeit angeführt (siehe Raimonds Rublovskis in "Diplomaatia"). Rublovskis meint: "Im gegenwärtigen Zustand sind wir nur für den Frieden gerüstet."
Die tatsächlichen Ausgaben Lettlands im Jahr 2013 bezogen sich zu 51,6% auf Personalausgaben (ca. 5000 Militärangestellte insgesamt). In mehreren anderen Ländern ist ebenfalls die Tendenz steigender Personalausgaben zu beobachten: in Belgien (77%), Rumänien (75%), Slowakei und Portugal (je 74%). Dem gegenüber liegen Personalausgaben in Großbritannien und den USA nur knapp über einem Drittel (35% / 36,5%). Journalist Ozoliņš hat auch für Deutschland mal nachgerechnet: in der BRD standen während des "Kalten Kriegs" noch 545.000 Soldaten in Bereitschaft, gegenwärtig liegt die Zielvorgabe bei 180.000 (die damaligen DDR-Truppen hat er offenbar nicht mitgerechnet - und die in Deutschland jetzt abgeschaffte Wehrpflicht erwähnt er gar nicht). In Frankreich liegen die Zahlen bei 548.000 im Jahr 1990 und 213.000 heute. Dennoch mobilisiert rein zahlenmäßig die NATO immer noch das meiste Militärpersonal der Welt: insgesamt 3,37 Millionen (in China 2,3 Millionen, Russland 766.000).

Spaß an der Rüstung?
Rein wirtschaftlich gesehen würden sich einige deutsche Konzerne sicher freuen, wenn es einen öffentlich akzeptierten, neuen Trend zur militärischen Rüstung gäbe - hinter Russland und den USA ist auch Deutschland einer der größten Exporteure von Rüstungsgütern.
Baltisches Militärjugendlager im Juni 2014 - finanziert
von NATO, US-Botschaft, und u.a. auch der
deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung

(Foto: Rekrutēšanas un Jaunsardzes centrs)
Soll es also wieder ähnlich laufen, wie auch schon bei der EU-Erweiterung? Den Deutschen werden unbekannte Länder mit steigenden (deutschen) Exporteinnahmen schmackhaft gemacht? Bisher unvorstellbar, angesichts der geringen Popularität deutscher Rüstungsaktivitäten im eigenen Land; da werden auch Argumente scheinbarer "Balten-Versteher" im Sinne von "die haben Angst, wir müssen ihnen helfen" hoffentlich wirkungslos verpuffen. Helfen? Ja! Aber wo bleibt zum Beispiel eine sozialverträglichere Wirtschaftsentwicklung in Lettland? Entvölkerung auf dem Lande - und als einziges Gegenmittel eine US- oder EU-Militärkaserne? Wollen wir warten, bis uns jemand auch dies schließlich als "alternativlos" erklärt?

Mutter und Söhne - als Besucher eines Volksfestes
in Riga, auf dem auch militärisches Gerät
demonstriert wurde
(Foto: Caspari)
In sofern stehen lettische Politikerinnen und Politiker gerade jetzt im Focus gerade derjenigen, deren Sympathien eigentlich auf der lettischen Seite liegen. "Russland finanziert Terrorismus, und das Ergebnis ist Massenmord!" Das ist eine Äußerung des lettischen Militärministers Raimonds Vejonis (siehe auch "Artikel fünf - in grün") von dieser Woche. Dazu muss man wissen: in Lettland ist Wahlkampf. Anfang Oktober 2014 sind Parlamentswahlen, und das gegenwärtige Kabinett Straujuma gilt als "Übergangsregierung". Nun werden offenbar alle "militärischen" Mittel angewandt, um das lettische Wahlvolk für sich einzunehmen. Ob militärische Sommerlager für Kinder und Jugendliche ("Jaunsardzes"), oder Imagekampagnen zugunsten des freiwilligen Dienstes als "Zemessardze" ("Landeswacht") - beides wäre ja für deutsche Verhältnisse zunächst mal schwer vorstellbar. Als innenpolitisches Argument für Lettland - ganz nach dem beliebten Motto "Auslandsinvestitionen sind immer gut" - zu gebrauchen sind auch Projekte, wie sie im lettischen Militärmagazin "Sargs" aufgelistet sind. Bisher habe die NATO in Lettland bereits 29 Millionen Euro investiert - das größte Projekt war der Neubau eines Militärflugplatzes bei Lielvārde.

Bleibt zu hoffen, dass vieles der momentanen "baltischen" Rhetorik eben auch nur Wahlkampfgetöse ist, und die lettischen, estnischen und litauischen Minister sich weiter sehr gut überlegen, wo sie ihre Länder hinführen.
Ganz im Sinne der momentanen Stimmungslage im Lande ist ein neuer Film der beiden Filmemacher Māris Putniņš und Jānis Cimmermanis in den lettischen Kinos zu sehen: in "Džimlai rūdi rallalā!" beschließt ein ganzes Altenheim dem langweiligen Beschäftigungsprogramm der Anstalt zu entgehen und - auch im Sinne der Rettung der Staatsfinanzen - sich freiwillig zur Armee zu melden. Anzumerken dabei: die Macher bezeichnen den Film als "Tragigkomödie".

12. Juli 2014

Adebar flächendeckend

Bis Ende Juli werden dieses Jahr in Lettland wieder Storchennester gezählt - bereits zum siebten Mal nahm der Verband lettischer Ornithologen (Latvijas Ornitoloģijas biedrības LOB) an einer internationalen Zählung der Storchennester teil, bei der auch Bürgerinnen und Bürger ihre persönlichen Beobachtungen beitragen können. Erste Ergebnisse stellten die Projektleiter des LOB, Māra Janaus und Agnis Bušs, kürzlich der Presse vor. 
auch online beeindruckend: Dichte und Nachhaltigkeit der Weißstorch-Population in Lettland

Nach Aussagen der Ornithologen zeigen die bisherigen Beobachtungen, dass es gegenwärtig in Lettland sogar mehr Nester als vor 10 oder vor 20 Jahren gibt. Beim vorigen mal wurden 10.600 Paare gezählt - insgesamt fast 5% aller Weißstörche der Welt ziehen ihren Nachwuchs auf lettischem Gebiet groß (in Litauen 10.000, Polen 52.000, in Deutschland 5.563 Paare bzw. Nester). Bis zu 65 Nestern auf 100 km² gibt es in einigen Gebieten, der Durchschnitt liegt bei 17. Dabei steht der Weißstorch auch als Indikator, wie gut es anderen Tieren im ländlichen Lettland geht.
 

Dabei haben Weißstörche Lettland erst relativ spät für sich entdeckt. Noch im 18.Jahrhundert wurden sie nur in Kurland beobachtet, nördlich der Daugava jedenfalls nicht. Als die ersten systematischen Storchenzählungen in Lettland begannen, im Jahre 1934, nisteten noch 80% aller Störche auf Bäumen - erst danach wurden die Telefon- und Elektromasten erobert. Noch 1974 fanden sich nur 1% der Nester auf Elektroleitungsmasten - heute sind es um 70%.

Die enge Verbindung zwischen Störchen und Stromleitungsmasten hat auch die Kooperation zwischen Stromversorgungsunternehmen (Latvenergo) und Ornithologen erfordert. Bei der diesjährigen Zählung sind neben den Latvenergo-Mitarbeitern sogar 220 Schulklassen involviert. In diesem Frühjahr kamen die Störche 2-3 Wochen früher als gewöhnlich - erwartet von einer Bevölkerung, die sich beim Schutz der Störche weitgehend einig ist. "Unser kleines Lettland ist eine Storchen-Großmacht", so sieht es Ornithologin Māra Janaus.
In dieser Woche bietet der LOB ein Sommerlager für Kinder an. Unter dem Motto "Gribu būt ornitologs!" ("Ich möchte Ornithologe werden") konnten Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 16 Jahren eine Woche lang zusammen mit erfahrenen Wissenschaftler/innen die Natur erforschen.

Lettischer Ornithologenverband / Infobroschüre LATVENERGO und Storchenschutz

1. Juli 2014

Ab heute auf lettischen Straßen: bitte zahlen!

Straßen in Lettland, auf denen für Fahrzeuge schwerer als 3,5t
ab sofort eine Nutzungsgebühr fällig wird (grün markiert)
Schon 2008 beschloss die lettische Regierung ein Gesetz zur Einführung einer Straßen-nutzungs-gebühr. Zum 1.Juli 2014 wird sie nun tatsächlich eingeführt. Die lettische Variante einer "Eurovignette" (Eirovinjete) richtet sich dabei nach Maßgaben des Europaparlaments aus.

Die schlechte Qualität der Straßenbeläge wurde in letzter Zeit zu einem der beliebtesten Diskussionsthemen in Lettland. In sofern wirkt die Begründung, die neue Gebühr solle zur Instandhaltung von Straßen und nur Nutzung umweltfreundlicherer Transportmittel beitragen, zunächst mal schlüssig.Mittels einer eigens für diesen Zweck eingerichteten Internetseite können Vignetten gebucht und bezahlt werden.Auch die Büros der lettischen Straßensicherheitsbehörden (CSDD) nehmen die Zahlungen bar oder per Karte entgegen.

Wer auf den gekennzeichneten lettischen Straßen kontrolliert wird und nicht nachweisen kann die neue Gebühr gezahlt zu haben, muss mit einem Strafgeld von 120 Euro rechnen, was sofort vor Ort eingefordert wird. Bemessen wird die Gebühr in zwei Abrechnungsklassen: zum einen für Fahrzeuge zwischen 3,5t und 12t Gesamtgewicht, zum anderen für alles was schwerer ist.
Kritische Anmerkungen zur neuen Gebühr kommen von lettischen Automobilverbänden. "Für die Autofahrer ist es wie eine zusätzliche Steuer," sagt Valdis Trēziņš, Chef von "Latvijas Auto". Er weist aber auch darauf hin, dass die Mitgliedsstaaten nicht verpflichtet seien, die entsprechende EU-Direktive umzusetzen - Estland und Finnland zum Beispiel denken bisher nicht daran. Die Einführung der lettischen Regelung verzögerte sich auch dadurch, dass mit Russland und Belorussland erst Vereinbarungen über das Verfahren getroffen werden mussten, falls beide Länder eine ähnliche Gebühr einführen. Trēziņš hält aber auch einen "Gerechtigkeitsgrundsatz" für notwendig: "Wenn lettische Autofahrer und LKWs im Ausland bezahlen müssen, dann sollen die Ausländer auch bei uns bezahlen!"

Einen Grund könnte es geben, warum lettische Autofans die neue Gebühr weniger stört: wer in Lettland viel und gern - und nicht nur auf dem Weg zur Arbeit - Auto fährt oder für eine Spedition tätig ist, der wird schnell außerhalb der Landesgrenzen unterwegs sein. Autobusse müssen übrigens nichts bezahlen, der lettische ÖPNV, der sich viel mehr auf Busse als auf die Bahn stützt, soll ja schon aus Umweltgründen eher bevorzugt werden. 4,3 Millionen Euro hofft das lettische Verkehrsministerium im laufenden Jahr mit der Vignette einzunehmen, 2015 dann 11,4 Millionen und 2016 15,7 Millionen. 10% der Einnahmen müssen voraussichtlich für Verwaltung und die Kontrollmaßnahmen ausgegeben werden.

Die klassige Rückfrage beim Versuch, eine lettische Vignette zu erwerben wird sein: für einen Tag, eine Woche, einen Monat, oder für ein Jahr? "Wir hätten entsprechend den EU-Vorgaben zwei Möglichkeiten gehabt, ein System zur Einführung von Straßennutzungsgebühren einzuführen," erläutert Andris Lubāns als Mitarbeiter des Verkehrsministeriums der Zeitschrift "Dienas Bizness". "Das eine misst mit Hilfe von GPS genau die Anzahl der gefahreren Kilometer. Aber dann müssen wir auch "Tore" zur Einfahrt einrichten, eine teure Angelegenheit. Wir haben uns entschieden, die für uns einfachere Methode zu nehmen, und nach Tagen, Wochen usw. abzurechnen." Allen 47 Staaten, mit den Lettland ein Abkommen zum grenzüberschreitenden Verkehr abgeschlossen hat, wurden die notwendigen Informationen zum neuen Vignettensystem übermittelt. Nun muss es sich nur noch in der Praxis als tauglich erweisen. In den ersten Tagen seien vor allem Letten, Esten, Litauer, Finnen und Polen die ersten Nutzer gewesen. Ein Sprecher des Ministeriums wollte gegenüber der Nachrichtenagentur LETA nicht ausschließen, dass Vignetten bei unterschiedlichen Dienstleistern auch zu leicht unterschiedlichen Preisen angeboten werden könnten. Wer das vermeiden möchte, muss wohl die amtlichen Stellen nutzen.

Lettisches Gesetz zur Einführung der Straßennutzungsgebühr 
 Lettisches Portal zur Vignette  / Liste lettischer Tankstellen, die Vignetten verkaufen 
Merkblatt "Was Sie über die lettische Strassennutzungsgebühr wissen müssen" (engl., PDF)
Adressen und Öffnungszeiten der CSDD-Behörden