Gut, heutzutage haben sich einige Menschen ausgedacht, keine Milch mehr konsumieren zu wollen - und ob jeder Haushalt ein Glas Honig im Regal stehen hat, ist vielleicht auch unsicher. Bei der Nützlichkeit der Bienen dagegen scheinen sich die meisten einig zu sein. Nun kam in den vergangenen Monaten auch in Lettland die Frage auf, ob das denn überhaupt Honig ist, was in den Supermarktregalen zum Verkauf steht. 20 Honigproben wurden getestet, davon erreichten weniger als ein Drittel (nur 14 von 20) die allgemeinen Qualitätsstandards. "Was dort auf den Verpackungen als Inhalt ausgewiesen wird, ist das überhaupt Honig?" fragt sich auch Baiba Tikuma vom lettischen Imkerverband (Latvijas Biškopības biedrība LBB). 3300 Imkerinnen und Imker haben sich im 1994 neu gegründeten LBB vereinigt, laut Selbstaussage sind das zwei Drittel aller Imkerbetriebe in Lettland. ("IR")Der Imkerverband beruft sich auf Kontrollen des lettischen Lebensmittel- und Veterinärdienstes ("Pārtikas un veterinārais dienests"), ausgelöst durch neue Untersuchungsmethoden des estnischen Labors "Celvia" (siehe auch: ZM). Die zuständige lettische Behörde versucht sich hier an einer grundlegenden Definition: "Honig ist eine natürliche, süße Substanz, die von Bienen (Apis mellifera) aus dem Nektar von Pflanzen gewonnen wird." Viel Aufsehen erregte eine Untersuchung von Honig in deutschen Supermärkten, wo ebenfalls die meisten Proben als "nicht echt" eingestuft wurden (Bienenjournal, NDR, ZDF, SWR, Verbraucherzentrale)
Honig nicht gleich Honig?
Schon 2023 waren Studien im Auftrag der Europäischen Kommission veröffentlicht worden, denen zufolge der Verdacht aufkam, vielen Honigsorten werde unzulässigerweise einfach Sirup beigemischt. Grundlage der neuerlichen Tests war offenbar das Interesse des estnischen Honivermarkters "Nordmel", Honig nach Japan zu exportieren. "Celvia" hatte in Zusammenarbeit mit Hunderten von freiwilligen estnischen Imker/innen eine Datenbank für estnischem Honig erstellt.„Die DNA-Analyse erkennt alle Arten von Pflanzen, Bakterien, Pilzen und Insekten, mit denen Honigbienen und Honig in Kontakt kommen", erklärt "Celvia"-Repräsentant Kaarel Krjutškov. "Die DNA -Sequenzen von Hunderten und Tausenden von Arten beschreiben die Zusammensetzung von Nektarpflanzen und ermöglichen unter anderem die Überwachung von Bienenpathogenen und Parasiten. Gleichzeitig hilft das DNA-Profil dabei, die Authentizität und den Ursprung des Produkts zu identifizieren, da die Pflanzen den geografischen Bereich der Biene zeigen“.
Unlauterer Wettbewerb?
Lettische Imkerinnen und Imker fordern nun eine einheitliche Regelung für alle Länder der Europäischen Union: erstens die Anerkennung der DNA-Testmethode, und zweitens soll alles, was dort als nicht natürlich identifiziert ist, nur noch als "künstlicher Honig" verkauft werden dürfen (PVD).Allerdings gibt es auch auf dem lettischen Honigmarkt Tendenzen, die ungewöhnlich wirken. In Lettland gibt es fast 5000 Honigerzeuger (siehe LBB), da möchten manche gern durch besondere Angebote auffallen: Honig mit Johannnisbeer- oder Himbeer-Zugabe, oder "Schokoladenhonig" sind da nur Beispiele. Ein Beerenanteil von 30% pro Glasinhalt scheint ziemlich üblich - und sogar Beeren vom Schneeballstrauch oder vom Chinesischen Limonenbaum (lettisch "Citronliāna") können sich im Honigglas wiederfinden (z.B. meduspils). Zwar gilt wohl das Argument "alles auf Grundlage des Naturprodukts", aber dem könnte zum Beispiel entgegen gehalten werden, dass zum Beispiel Schokolade ja nicht mit in Lettland hergestellten Rohstoffen hergestellt wird.
Stolz auf die eigene Ernte
Der Imkerverband empfiehlt die Kennzeichnung regionaler (lettischer) Produkte mit “Ievākts Latvijā” (sinngemäß: "geerntet in Lettland"). Damit sei garantiert, dass keine Zweitvermarkter am Werk waren, es sich nicht um ein Mischprodukt handle, und der Honig "nicht aus der Ukraine, China, oder anderen Ländern" komme. (Meduspils)Gemäß Umfragen der Agentur SKDS geben 68% der Verbraucherinnen und Verbraucher in Lettland an, Honig als Zusatz zu Getränken wie Tee, Kaffee, Wasser etc. zu verwenden. 26% nutzen Honig als Bestandteil der Essenszubereitung, so dieselbe Umfrage.
Um Honig im öffentlichen Bewußtsein präsent zu halten, baut das lettische Honig-Marketing unter anderem auf das "Honigfrühstück" ("Eiropas medus brokastis") - eine Kamapgne, die 2007 in Slowenien zuerst durchgeführt wurde. Seit 2013 besuchen auch in Lettland Imkerinnen und Imker Schulen und verteilen Honig-Kostproben (Sala, Talsi, Vecsaule, Daugavpils, Taurupe, Valmiera, Priekule, Staļģene, und viele andere). In Deutschland berichtete zwar das "Bienenjournal", mitmachende Schulen gab es jedoch bisher nicht.
Eine andere lettische Inititave versucht, bestimmte Orte zu "Bienenbotschaften"("Bišu vēstniecības") zu erklären. Diesem Konzept hat sich das Hotel "Janne" in Riga angeschlossen. Ein kleines 3-Sterne-Hotel im Ortsteil Āgenskalns, das auf dem Dach eigene Bienenstöcke ("Bienenhäuser") betreibt. "In Āgenskalns sind Linden weit verbreitet, die die Hauptnektarquelle für Jannes-Bienen darstellen", heißt es hier.Kundenfragen und Zunftsvisionen
Um aber mit billigen Massenprodukten konkurrieren zu können, zählt auch die Ästhetik. "Manchmal bildet sich etwas weißer Schaum auf dem Honig im Glas", gibt Imkerin Baiba Tikuma zu, "und in Internetforen wird dann gefragt: Ist das gefährlich?" Verbraucherinnen und Verbraucher mögen es eben gern transparent und sauber. ("IR") In diesem Fall sind es aber nur Luftbläschen - die sich vor allem dann bilden, wenn wenig Wasser im Honig vorhanden ist – also eher ein Qualitätsmerkmal.
Laut lettischem Amt für Statistik ist die Honigproduktion in Lettland stark angestiegen: waren es 2013 noch 1555 Tonnen, so waren es 2023 schon 2319 Tonnen. Der Verbrauch jedoch geht zurück: gegenwärtig sind es pro Jahr und Einwohner/in noch 710 Gramm - fast 100g weniger als vier Jahre zuvor ("IR"). In Deutschland dagegen deckt heimischer Honig nur 30% des Bedarfs. Imkerin Baiba Tikuma hat einen interessanten Vorschlag für die Zukunft in Lettland: "Bei uns hat doch jeder seinen eigenen Zahnarzt, jeder und jede den eigenen Friseur. Warum nicht auch den eigenen Imker oder Imkerin? Das ist doch genauso eine Frage der Gesundheit!" ("IR")