18. August 2024

Damenschach

Ungewöhnliches passiert im lettischen Schach. Nur allzu gerne möchte man momenan vielleicht lieber an Mikhail Tal erinnern, oder an Dana Reizniece-Ozola, Schachgroßmeisterin und Politikerin, die es schon ins Schachmuseum Löberitz geschafft hat, nachdem sie sich dort auch als Schachspielerin eingebracht hatte. 

Was das Schachportal "Chessbase" am 13. August berichte, war weniger erfreulich, vielleicht auch im ersten Moment kaum glaubhaft. Gut, den Gegner vielleicht mal durcheinander bringen, wenn er oder sie gerade über den nächsten Zug nachdenkt - damit wäre vielleicht zu rechnen. Andrejs Strebkovs ist Schachspieler, 43 Jahre alt, und als "International Master" (Abkürzung IM) auch kein Unbekannter - dieser Titel wird vom Weltschachbund FIDE für schachliche Leistungen auf Lebenszeit verliehen. "Gens una summus" - "Wir sind eine Familie", so das Motto des Schachbunds. Die Ethikommission des FIDE schloss Strebkovs nun für fünf Jahre von allen Turnieren aus. Vorwurf: sexuelle Belästigung . 

Erstaunlich, erstaunlich: und wir dachten immer, beim Schach käme man sich eigentlich nicht wirklich nahe? Nun ja, hier wurden "nur" Briefe versandt. Allerdings mit sonderbarem Inhalt: von "obszönen Briefen mit pornografischem Material, sowie benutzen Kondomen" ist da die Rede.
Ein Teil der Begründung für die Sanktionen scheint auch zu sein, dass es bei einem Strafverfahren in Lettland keine Verurteilung gab: nach lettischem Recht stellten die Vorwürfe keine Straftat dar, heißt es. Strebkovs soll an Dutzende von Spielerinnen, einige erst 14 Jahre alt, obszöne Briefe geschickt haben, versandt an deren Wohnungen, Clubs, Universitäten und Turnierorte. Der Beschuldigte aber selbst behauptet: bis auf einen einzigen Fall im Jahr 2021 habe das alles "nichts mit Schach zu tun".

Bedarf es da noch Einzelheiten? Dass bei den betroffenen Frauen und Mädchen nicht um Lettinnen geht, sondern, wie anlässlich eines Turniers in Riga, um Betroffene aus Russland, Kasachstan und Indien? Dass es innerhalb von 10 Jahren mindestens 15 Betroffene gegeben haben soll? Dass Strebkovs Historiker ist und sein Auskommen durch Übersetzungen bestreiten soll? (iub) Auch Schach-Privatstunden soll er, lettischen Presseberichten zufolge, noch geben (jauns.lv/ sportacentrs)

Inzwischen äußerte sich die Lettische Staatspolizei dahingehend, dass es bei dem bisherigen Strafverfahren gegen Strebkovs gar nicht um den Inhalt der von ihm versandten Briefe gegangen sei. Im Januar 2023 sei das Verfahren gegen Strebkovs deshalb eingestellt worden, weil Vergehen gegen Minderjähige nicht bekannt gewesen seien und die Anklage lediglich "Rowdytum" (lett. = huligānismus) gelautet habe. Es habe auch keine Anzeige vorgelegen - die Empfängerinnen der merkwürdigen Briefe waren fast immer Frauen und Mädchen die nicht in Lettland lebten. (lsm)

Nun entsteht offenbar eine Diskussion darüber, ob Minderhährige in Lettland überhaupt an Wettkämpfen Erwachsender teilnehmen dürfen - eine seltsame Wendung. Andere wiederum sagen, Schach könne man eben auch auf digitalem Wege spielen, und da komme es manchmal zu Kontakten mit "Erwachsenen mit schändlichen Motivationen". Ein Thema, was offenbar noch nicht zu Ende diskutiert ist.

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