Drei Phasen
Ungewöhnlich viele deutsche Medien erinnerten in diesem Jahr an die Menschenkette des "Baltischen Wegs": Russland sei damals im Schockzustand gewesen, so das ZDF, und die NZZ meint sogar, das Ende der ganzen Sowjetunion sei durch 15 Minuten Schweigen erreicht worden. Der eigentliche Grund, genau am 23. August 1989 diese Menschenkette zu organisieren, war ja der 50.Jahrestag des Hitler-Stalin-Pakts, der am 23. August 1939 unterzeichnet worden war und mit dem die beiden Diktatoren unter anderem das Gebiet der baltischen Staaten unter sich aufteilten.
Aus deutscher Sicht momentan weniger beachtet, aber aus der Perspektive der baltischen Staaten ebenso entscheidend waren die Tage zwischen dem 19. und 21. August 1991, als eine Gruppe von Funktionären in Moskau einen Putsch gegen Gorbatschow versuchte. Aus lettischer Sicht auch deshalb besonders, da sich in Moskau auch der Lette Boris Pugo als Putschist beteiligte, in Riga unterstützt von einem eilig organisierten "Notstandskomitee" des langjährigen Rigaer Bürgermeisters Alfrēds Rubiks.
Der Abzug
Und dann war da noch der 31. August 1994. Eine Zeit, als der Abzug der russischen Armee aus besetzten Gebieten durch Diplomatie und nicht durch militärische Gewalt
erreicht werden konnte. Vor 30 Jahren wurde es vollzogen - die russischen Truppen verabschiedeten sich aus Lettland.
Übrig blieb nur die Funkortungsstation Skrunda, die unter dem Decknamen „Kombinat“ lief und zum Raketenfrühwarnsystem im westlichen Teil der UdSSR gehört hatte. Eine weitere Anlage mit der Bezeichnung "Darjal" befand sich im Bau. Laut dem im April 1994
unterzeichneten russisch-lettische Vertrag stellte der ältere Teil 1998 seine Funktion ein und wurde im Jahr 2000 abgerissen. Das
neue, unvollendete "Skrunda-Monster" wurde bereits am 4. Mai 1995 in die Luft
gesprengt.
An drei Standorten in Lettland waren russische Interkontinentalraketen stationiert, in der Hafenstadt Liepāja gab es Atom-Uboote. Ende September 1939 hatte die UdSSR, die geheimen Zusatzabkommen des Hitler-Stalin-Pakts ausnutzend, die baltischen Staaten gezwungen „Abkommen
über gegenseitige Unterstützung“ zu unterzeichnen. Seitdem waren
Einheiten der Roten Armee in den baltischen Staaten stationiert gewesen - für Lettland endete dies offiziell am 31. August 1994. 1991 hatten sich noch 51.000 Militärangehörige in Lettland befunden, stationiert in 679 Militäreinrichtungen, die 100.000 Hektar Land des Landes einnahmen. (IR / Sargs) Mit dem Abkommen von 1994 musste die lettische Seite akzeptieren, dass bereits in Rente gegangene russische Militärpersonen, einschließlich ihrer Familien, in Lettland bleiben konnten.
Das Fenster war offen
"Boris Jelzin, der damalige Präsident Russlands, stellte sich gerne vor, dass sein Land Teil des zivilisierten Westens werden könnte, während der Westen glaubte, dass Russland mit seiner Hilfe in ein demokratisches Land umgewandelt werden könne", so resummiert es Journalist Pauls Raudzeps in der Zeitschrift ."IR". Und er schlußfolgert: "Wer nicht die Chancen des Lebens und der Geschichte entschlossen zu nutzen weiß, kann sich schnell in endloser Warteschlange wiederfinden."
Und Toms Rostoks, Professor an der Universität Lettlands in Riga, schätzt das damalige Abkommen heute so ein: "Das Ziel Lettlands und seiner westlichen Verbündeten war damals
strategischer Natur", meint er. "Die russischen Truppen sollten so schnell wie möglich aus
den baltischen Staaten abzuziehen und dabei das historische Zeitfenster
zu nutzen, das sich in den Jahren danach rasch schließen sollte. Wenn
man die Aggression Moskaus betrachtet, zunächst in Georgien und jetzt in
der Ukraine, hat es sich ausgezahlt, denn ohne den Abzug der
russischen Armee wären die baltischen Staaten höchstwahrscheinlich nicht
in die NATO und möglicherweise auch in die EU aufgenommen worden." (lvportal)
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