Gnade für Agression
Ähnliches passierte tatsächlich am 8. November 2020 in Riga. Allerdings: es waren in diesem Fall zwei Männer, die sich "Händchen haltend" und in inniger Umarmung in der Öffentlichkeit zeigten. Die herbeigerufene Polizei befragte den Angreifer auch nach den Gründen für sein Tun; dieser erklärte offen, er habe durch das Verhalten der beiden Männer auf deren sexuelle Orientierung geschlossen und sich durch deren offene Zurschaustellung beleidigt gefühlt.
Er gab sogar zu, die beiden Männer böse beschimpft und körperlich angegangen zu haben, so dass sich der Bedrängte in einen Blumenladen flüchten und die Eingangtür von innen zuhalten musste. - Sechs Monate später stellte die lettische Polizei die Untersuchungen ein und stufte das Vergehen lediglich als Ordnungswidrigkeit ein, verbunden mit einer Geldstrafe von 70 Euro (lsm). Der Beschuldigte akzeptierte das Strafmaß. (siehe: Urteil Europäischer Gerichtshof)
Kein Versteckspiel
Der Angegriffene legte gegen diese Entscheidung Beschwerde bei der zuständigen Staatsanwaltschaft ein und verlangte eine Verurteilung gemäß Abschnitt 150 des lettischen Strafgesetzbuchs. Dort ist festgelegt, dass schüren von Hass oder Feindschaft aufgrund des Geschlechts, des Alters, einer Behinderung oder anderer Merkmale einer Person strafbar ist. Interessant ist nun die Begründung der lettischen Staatsanwaltschaft: diese Paragraphen könnten nicht zur Anwendung kommen, da sich ja die Taten des Angeklagten nur gegen eine bestimmte Person gerichtet habe - auch der Partner war anwesend, wurde aber nicht attaktiert. Weitere Personen seien ja nicht dabei gewesen, daher sei der Vorgang auch nicht als allgemeiner Hass gegen sexuelle
Minderheiten zu bewerten gewesen.
Nun ja - sei es, wie es sei. In diesem Fall war der Leidtragende kein Unbekannter: es ist Deniss Hanovs, seines Zeichens Kulturwissenschaftler und Professor an der Kunstakademie Lettlands in Riga (RSU). Wissenschaftlich erfahren, und kundig im Bereich der Menschenrechte. Logisch, dass er sich keineswegs mit plumpen Entschuldigungen zufrieden geben wollte.
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