Für ältere Westdeutsche mag es vielleicht langweilig klingen - oder sogar wie ein Rückblick auf die 1970iger oder 1980iger Jahre. Zitat Wikipedia: Es entstand im Kontext einer Zeit, "in der die klassischen
Familien- und Pauschalreisen, die sich in Europa während der 1950er und
1960er Jahre etabliert hatten, von jungen Menschen der 68er-Bewegung in Frage gestellt wurden ..."
1972 kam eine gemeinsame Fahrkarte verschiedener europäischer Eisenbahngesellschaften in den Verkauf. Begründung, ebenfalls bei Wikipedia abgeschaut: um dem aufkommenden Rucksacktourismus von jungen Leuten bis 21 Jahre eine preisgünstige Möglichkeit bieten, Europa kennenzulernen. Vielleicht auch, um die vielen "Tramper" ("Anhalter") am Straßenrand nicht ohne Alternative zu lassen.
In der Verlosung
Familienunternehmen
Kennt man in Lettland etwa nur die "Billigflieger"? Wohin könnte man denn mit einem Zug, der in Lettland mit relativ geringem Durchschnittstempo dahintuckert, reisen? Lettland ist erst seit 2020 dem Interrail-System angeschlossen - also für die Einwohner/innen des Landes ein ziemlich neues Angebot. (LA)
In der lettischen Zeitschrift "IR" findet sich nun ein Erlebnisbericht einer Familie Bergmani wieder, die drei Wochen Reisen mit "Interrail" als "Abenteuer fürs Leben" bezeichnet. "Ein wenig habe ich mich an die Träume meiner Jugend erinnert", gibt Frau Bergmane zu. Auch die beiden Töchter der Familie, 11 und 8 Jahre alt, seien sofort begeistert gewesen. Und Herr Bergmanis meint: "Ich dachte: wenn wir das überleben, wird unsere Ehe nichts mehr erschüttern können!"
Die Preise für Interrail-Pässe fielen günstig aus - denn für Kinder unter 12 Jahren sind sie kostenlos. Entschieden habe man sich dann für eine Monatskarte, die sieben Reisetage beinhaltet. Und innerhalb drei Wochen ist die Familie dann in Polen, Ungarn, Kroatien, Slowenien, Österreich, Schweiz, Deutschland und Lettland gewesen. Ewas Übung habe die Planung der Übernachtungen verlangt: Zimmer nur mit kurzfristiger Stornierungsmöglichkeit vorbestellen, und darauf achten, dass der Direktontakt zum Hotel manchmal besser ist als sich nur auf große Buchungsportale zu verlassen. Und natürlich: nicht so viel Gepäck mitnehmen, denn zwischendurch muss immer mal wieder mit Gepäck zu Fuß gegangen werden. Das wichtigste also: bequeme Schuhe!
Planung mit Adrenalingehalt
Soweit lesen sich diese Erfahrungen vielleicht ähnlich wie Reiseberichte von Deutschen. Für eine lettische Familie mag es aber neu sein, wenn es hier über das Zugfahren heißt: "Im Allgemeinen macht Zugreisen Spaß. Man kann nie ganz sicher sein, ob man pünktlich oder überhaupt ankommt. An manchen Stellen kann man gar nicht wissen, ob man auf dem richtigen Bahnsteig steht, denn die Informationen werden meist in einer uns fremden Sprache verkündet." In Kroatien habe es überhaupt keine Lautsprecherdurchsagen gegeben, und auch der Versuch mit "Google Maps" den Aufenthaltort herauszufinden, sei gescheitert.
Den richtigen Bahnsteig finden
Für die beiden Töchter sei es eine gute "Lebensschule" gewesen. Gefragt seien Anpassungsfähigkeit, Kreativität und logisches Denken. Den richtigen Bahnsteig finden - auch schon mal eine Übung für die Kinder. "Ich war überrascht, dass es in jedem Land nicht nur unterschiedliche Kulturen, sondern auch eine völlig andere Infrastruktur für die Bahn gibt," meint Frau Bergmane. "Ich dachte vorher: Züge sind Züge, überall gleich. Aber ich kann nur raten, die Zuginfrastruktur jedes Landes zu studieren und in den Foren Rezensionen über die Züge, die Genauigkeit ihrer Abfahrtszeiten und andere Nuancen zu lesen."
Deutsche Leser/innen werden vielleicht gespannt darauf warten, was eine lettische Familie über Bahnfahren in Deutschland sagt. "Wer nicht mit dem Kopf auf dem eigenen Rucksack auf dem Bahnsteig schlafen möchte, sollte Länder auswählen, die für bequeme Züge und Pünktlichkeit bekannt sind", meint Frau Bergmane. Als bestes Beispiel dafür nennt sie ... die Schweiz. "Die Züge kommen und fahren so präzise, dass man die Uhr danach ausrichten kann." (IR)
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