15. Dezember 2008

Lettisch in Moskau

Natürlich, Sie möchten gern Lettisch reden lernen!
Und hier sind sieben Antworten auf die Frage: Warum eigentlich?

1. Diese Sprache ist sehr archaisch und interessant.
2. Es ist eine schöne Sprache (was natürlich über jede Sprache gesagt werden könnte)
3. Sie werden in der Lage sein, im Original das zu lesen, was lettische Politiker wirklich sagen, und Sie können Ihre Meinung dazu äußern – ungefiltert oder beinflußt durch russiche oder ausländische Massenmedien.
4. Sie können den Lieder von “Brainstorm” (“Prāta Vētra”) zu hören und diese sogar verstehen
5. Sie können bei Freunden und Verwandten Eindruck machen, dass Sie etwas können, was jene absolut nicht können.
6. Es ist wirklich überhaupt nicht teuer.
7. Für mich selbst ist es interessant, etwas in der lettischen Sprache zu erreichen
Vielleicht gibt es noch weitere Gründe? Jeder ist tauglich!
Wenn Sie an dieser Anzeige interessiert sind, schreiben Sie an ***@one.lv oder schicken Sie Ihre Fragen. Ich biete außerdem an, die Sprachstunden nicht nur gegen Geld, sondern es gegen etwas anderes Interessantes oder Nützliches zu tauschen. –


So hatte ich es im August 2006 geschrieben, in einem auf Privatstunden spezialisierten Blog im Internet. Ich könnte nicht sagen, dass ich Antwortbriefe gleich haufenweise bekam, aber einige Studenten bekam ich doch zusammen. Innerhalb von zwei Jahren wuchs ihre Zahl dann auf 15 an. Einige gingen, andere kamen. Mit einigen trafen wir uns buchstäblich ein einziges Mal, mit anderem arbeiten wir lange, setzen es heute noch fort, und können mit ihnen auch mehr als nur die Familie und die Speisekarte erörtern (eines der ersten Themen in jedem Lehrbuch). Nein, wir sprechen auch über Literatur, Geschichte, das russische und das lettische Kulturleben.
Als ich diese Anzeigen schrieb, wusste ich noch nicht wirklich, welchen Leuten in Moskau die lettische Sprache notwendig sein könnte. Ich dachte, dass– falls ich überhaupt jemand suche –es bei allen wohl nicht mehr als bloße Neugier und der Wunsch, mit etwas zu überraschen oder sogar zu schockieren, sein könnte. Aber es zeigte sich, dass ich damit nicht Recht hatte.
Hier gebe ich sieben Antworten wieder auf die Frage: „Warum habe ich mich dafür entschieden, Lettisch zu lernen?“. Und nicht eine Antwort gleich der anderen. Sehr verschiedene Leute, alle sehr interessant. Ich liebe meine Arbeit!


Olga, 51 Jahre, Wirtschaftsmathematikerin
In meinem Fall alles ist sehr einfach. In meiner Kindheit lebte ich in Riga. Mein Vater war Flieger, und ich selbst sah uns immer als Lettlands „Okkupanten“. Daher zogen wir sobald es nur möglich war weg, verloren unsere Wohnung in Riga. Als wir dort noch wohnten, habe alle auch Lettisch gelernt, einschließlich meiner Schwester, die eine lettische Schule besuchte und deren Schulnoten in den Sprachstunden eine „Fünf plus“ (also die bestmögliche) erreichten. Ich war aber noch sehr klein. Heute, wenn ich wieder in Riga bin fühle ich, dass ich in die Heimat zurückkehre, obwohl ich damals in Riga nicht so dachte. Ich würde wirklich gern wenigstens ein wenig die Sprache meines Heimatlandes lernen, und damit dem lettischen Volk danken. Es ist auch sehr angenehm und bequem, die Sprache des Staates sprechen zu können, den ich oft besuche. Es hebt bedeutend die Lebensqualität in diesem Staat. Und das ist alles.

Galina, 24 Jahre, Managerin.
Ich habe mich für die lettischen Sprachkurse deshalb angemeldet, weil: erstens habe ich lettische Freunde hier in Moskau, und für die war es kompliziert, die ganze Zeit Russisch zu reden. Um auch zu verstehen, was sie untereinander reden, und ihnen die Kommunikation mit mir zu erleichtern, habe ich mir gedacht da lerne ich eben ihre Sprache.
Zweitens möchte ich sehr gern Arbeits- und Lebenserfahrungen in einem anderen Land sammeln. Vielleicht könnte es Lettland sein? Ein sehr schönes und interessantes Land! Und wenn nicht dort arbeiten, dann würde ich wenigstens für die Erholung ein paar Monate dorthin fahren – und wie angenehm wäre es doch, dort mit den Menschen ihre Sprache sprechen zu können!
Drittens: Sprachen lernen entwickelt den Menschen. Aber auf der Welt gibt es so viele verschiedene Sprachen ... warum dann Lettisch? Na, eben aufgrund der ersten beiden Gründe. Und dann deshalb – weil es banal ist. Ja, alle wollen irgendwie originell sein (lacht).

Fjodor, 23 Jahre, arbeitet im Marketing
Ich habe mich für die lettische Sprache angemeldet aus Interesse an Lettland. Kein anderes Land hat bei mir bisher ähnliches Interesse hervorgerufen, daher habe ich mir gedacht auch Lettisch zu lernen. Lettland ist natürlich kein westliches Pfefferkuchenland, hat aber eine eigene Atmosphäre, und Riga, die größte Stadt in der baltischen Region, steht mir als Mokowiter am nächsten. Auch noch interessant ist für mich ein post-sowjetisches Land zu beobachten, wo viele Russen leben. Das ist ein sozio-kulturelles Experiment, und ich bin überzeugt davon überzeugt dass dies noch genauer wissenschaftlich erforscht werden muss. Und ich bin Linguist, ohne Ausbildung, und möchte gern ”die Gehirnzellen trainieren”.

Alla, 46 Jahre alt, Hausfrau
Meine Mutter wurde 1929 in Lettland geboren. Nach dem Krieg zog sie nach Moskau und begann an einer Hochschule zu arbeiten: sie begann die Arbeit, heiratete, und blieb in Moskau. Alle Verwandten meiner Mutter leben in Lettland. Seit meiner Kindheit mochte ich es immer sehr, sie zu besuchen. Heute ist das kompliziert, aber dennoch fahre ich mit meiner Familie oft dorthin. Alle meine Verwandten können Lettisch reden, alle sind lettische Staatsbürger. Wenn ich in Lettland bin, wollte ich immer verstehen was die Leute auf der Straße reden, im Fernsehen, was die Zeitungen und die Zeitschriften schreiben. Ich freue mich sehr darüber, dass ich die Möglichkeit habe Lettisch in Moskau zu lernen. Fremdsprachen zu lernen ist doch immer sehr interessant! ”Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen” (Johann Wolfgang von Goethe)

Marija, 28 Jahre, Personalchefin
”Prāta Vētra” (Brainstorm) wurde für mich mehr zum Vorwand jemand kennenlernen - mehr als zur Begründung für das Lernen. Nein, glaubwürdiger war es so: die lettische Sprache ist nicht sehr verbreitet, und man hört sie nur sehr selten. Aber es gelang mir, ich hörte ”Prāta Vētra”. Schwer zu sagen, was es ist: ob es die Energie ist, die in den Liedern zu verspüren ist, oder dass Renārs (der Leadsänger) nicht nur mit den Texten arbeitet, aber auch wie diese klingen: die lettische Sprache wurde für mich etwas Magisches, so etwa wie die Sprache der Elfen bei Tolkien. Schon bald nachdem ich mich dahingehend orientiert hatte, regte sich bei mir auch Interesse für die morphologischen und grammatischen Eigenarten, für das, was die Worte verändert, für Suffixe und Konstrukte (an dieser Stelle sollte eine lange Rede über philologische Themen folgen, die dann mit wortreicher vollständiger Beschreibung von Schneemännern endet – aber das kann nicht geschrieben werden, das ist zu ”freakig” für gewöhnliche Menschen). Aber alles beginnt, natürlich, mit Menschen, und mit den wunderbaren Dingen, welche sie in Lettisch machen.

Pjotrs, 26 Jahre, Linguist.
Mein Interesse für die lettische Sprache ist eng verbunden mit meiner beruflichen Arbeit. Da ich Linguist bin, auf die Grammatik der litauischen Sprache spezialisiert, habe ich verstanden dass meine Möglichkeiten im Lettischen sehr eingeschränkt sind. Dennoch ist die lettische Sprache eine der geschriebenen Sprachen Europas, und ich möchte doch Beiträge zur wissenschaftlichen Forschung leisten.

Jeļena, 23 Jahre, Abteilungsleiterin
Ich habe mir ausgesucht die lettische Sprache zu erlernen, da der von mir am meisten geliebte Mensch in Lettland lebt und ich gern zu ihm ziehen möchte. Das bedeutet, man wird eine bisher gewohnte Lebensweise ändern, und es wird notwendig sein, sich an die Kultur eines anderen Landes und den Umständen dort anzupassen. Ich möchte auch weiterhin arbeiten, nach Möglichkeit ohne Unterbrechung. Daher ist es notwendig, auch die Sprache des neuen Staates zu kennen. Im Moment bin ich Abteilungsleiterin, und möchte auch am neuen Arbeitsplatz keine geringe Arbeit annehmen als die gegenwärtige – gemäß den lettischen Gesetzen muss ich dafür Sprachkenntnisse der 3.Kathegorie haben.
Wann immer ich in Moskau bin fällt es mir viel leichter, Lettisch zu lernen – die Atmosphäre ist einfach eher wie zu Hause. Daneben setze ich das auch in Lettland fort, besser auf einer guten Basis als von Null anzufangen.

Daher versuche ich heute, wenn ich meine Anzeige wiederhole, niemand mehr mit ausgedachten Gründen zu packen:
jeder hat seine Gründe für die Liebe zur lettischen Sprache.

Und meine Anzeige sieht viel lakonischer aus: ”Ich biete Privatstunden in lettischer Sprache an. Moskau, Tel. 8*********, ***@gmail.com


zur lettischsprachigen Fassung dieses Textes

zur russischsprachigen Fassung dieses Textes

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