Vaira Vīķe-Freiberga, Imants Freibergs - im Gespräch mit Antonia Grunenberg |
Dany Cohn-Bendit, György Dalos, VVF, Juri Andruchowytsch |
Frisch im Amt, zum ersten Mal Gastgeber anläßlich des Hannah-Arendt-Preises: Bürgermeister Carsten Sieling |
Ihr Fazit: "Das einzige, was ich schon immer gewußt habe ein Recht darauf zu haben ist, Lettin zu sein." Solch ein Satz erweckt erst Beifall unter den deutschen Zuhörern als sie fortfährt: "Die Letten sagten zu mir 'Ja, du bist eine von uns!' - allerdings auch der König von Marokko. Als ich dort einen Staatsbesuch machte, wo wir einmal in Marokko gewohnt hatten, da warteten Tausende von Menschen, und auch sie sagten: 'Wir sind so froh, das einmal eine von uns Präsidentin eines anderen Landes werden konnte!' "
Distanz zum Nationalstolz, eine der Grundvoraussetzungen offenbar für das, was sich in Deutschland ein "kritisches Bewußtsein" nennt. Andererseits war diesmal weder Lettlands sehr zögerliche Haltung zur aktuellen Flüchtlingsproblematik, noch die Frage des Zusammenlebens von Letten und Russen ein Thema. Dany Cohn-Bendit, keiner der Ex-Preisträger, aber geladener Podiumsgast zum Thema "Menschenrechte versus Selbstbestimmungsrecht der Völker" (Zitat: "Ich leide an Europa"), fühlte sich offenbar berufen genug um Frau Präsidentin zu ermahnen, den lettischen Anteil am Holocaust an den Juden stärker kritisch zu beleuchten. Eigentlich auch in Lettland kein Tabuthema mehr - und noch 2005 (anläßlich der Bremer Preisverleihung an die Präsidentin) hatten sich sowohl die jüdische Gemeinde in Riga wie auch Margers Vestermanis, Historiker und Holocaust-Überlebender, positiv zu Vīķe-Freiberga's Initiativen zur Aufarbeitung von Nazi-Herrschaft und Holocaust geäussert.
An dieser Stelle fehlte es Frau Ex-Präsidentin etwas an "Centenance", wie man vielleicht sagen könnte. Etwas gar zu verbissen meinte sie nun den "roten Dany" als "Marxist" entlarven zu müssen - was dieser lachend, die Publikumsgunst auf seiner Seite wissend, zurückwies. Kein Paradebeispiel hoher Diskussionskultur - und wie viel Cohn-Bendit abseits der allgemeinen Schlagzeilen wirklich von Lettland weiß - oder sich überhaupt für dieses Land interessiert - blieb ebenfalls offen. Vīķe-Freiberga verstieg sich noch darin, Cohn-Bendit auf die jüdische Beteiligung am Stalinistischen Regime 1939/40 hinweisen zu wollen - hier wurde es fast peinlich, hatte sie doch noch in ihrer eigenen Amtszeit die lettische Historikerkommission ins Leben gerufen, welche die Verbrechen der beiden totalitären Regime in Lettland aufarbeiten soll; über Gerüchte und Verleumdungen gegen Juden ist in den seither jedes Jahr regelmäßig publizierten Kommissionsberichten genügend nachzulesen. Einem schräges Argument ist eben nicht mit einem noch schrägeren Argument zu begegnen - in sofern war der 4.Dezember im ex-präsidialen Tagebuch sicher kein Termin qualitativ hochstehender Diskussion über Lettland damals und heute.
Sehr wechselhaftes Diskussionsniveau also im Bremer Rathaus - der Abstand zur lettischen Innenpolitik ist offenbar nicht so groß; noch nach dem Rücktritt des damaligen Regierungschefs und jetzigem EU-Kommissars Valdis Dombrovskis gab es eine in Umfragen merkbare Anzahl Menschen, die Vaira Vīķe-Freiberga auch als Regierungschefin für tauglich halten - wohl angesichts des Angebots an sonstigen Alternativen. Zwei Tage nach der Bremer Veranstaltung trat in Lettland Laimdota Straujuma zurück. Nein, die immer noch parteilose Ex-Präsidentin wird wohl kein Allheilmittel sein, solange es in Riga vor allem um interne Ränkespiele geht.
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