Es passiert selten, dass deutsche Medien Nachrichten aus Lettland fast genausoschnell verbreiten, wie sie Lettinnen und Letten selbst auf dem Frühstückstisch haben. Bei der vor wenigen Tagen bekannt gewordenen Pleite der PAREX BANK war es so. "Die Bankenkrise hat Lettland erreicht", so oder so ähnlich klang die Nachricht - und wer sich schon ein paar Jahre mit lettischen Belangen beschäftigt, sieht sich mit Sicherheit an den Zusammenbruch der "Banka Baltija" im Jahre 1995 erinnert.
Damals verloren tausende lettischer Privatkunden ihre Rücklagen - mitten im schwierigen Wirtschaftsumbruch. Gleichzeitig war damals Wahlkampf, und der deutsche Rechtsaußen Siegerist nutzte die Krisenstimmung um mit flotten Sprüchen und kostenlosen Bananen 15% zu holen. Heute dagegen verkündet Ministerpräsident Godmanis schlicht, er sehe keinen Grund, Geld von der PAREX BANK abzuziehen, nur weil der Staat ein Kontrollpaket übernommen hat. Immerhin sind sich deutsche und lettische Medien in sofern einig, das von "panikartigen Abzug von Einlagen" bei der PAREX-Bank die Rede war. Das Handelsblatt nennt sogar Zahlen: 60 Mio. Lats (84 Mio. Euro) seien von der Bank abgezogen worden. Der lettische Fernsehsender LNT wurde bei TVNET so zitiert: "Beobachtungen bezeugen, dass es meist ältere Leute oder Russischsprachige sind, die sich um ihre Geldanlagen sorgen." Da klingt ein wenig der Wunsch durch, ein "echter Lette" möge sich bitte durch den eigenen Staat geschützt fühlen.
Gesichert scheint aber, Finanzexperten zufolge, zumindest die Aussage zu sein, dass die Lage der baltischen Staaten nicht mit derjenigen Islands zu vergleichen ist. Die baltischen Banken sind nicht wie die isländischen auf internationale Raubzüge gegangen. Im Gegenteil: der baltische Finanzmarkt ist fest in ausländischem Besitz. 95 Prozent des estnischen Bankensektors wird von drei schwedischen und einer dänischen Bank dominiert, und auch in Lettland und Litauen ist er mehrheitlich in skandinavischer Hand und damit von den dortigen umfassenden Garantien abgesichert. Die nun verstaatlichte Parex-Bank war die Ausnahme, das größte baltische Institut ohne westliche Beteiligung. (Badische Zeitung 10.11.08) Also darf weiter spekuliert werden, welche Aus- wirkungen die kommende Krise in Lettland haben wird.
Während Minister- präsident Godmanis der lettischen Presse gegenüber von 1,3% Rückgang des Bruttosozialprodukts für das gesamte Jahr 2008 prognostiziert (Motto: nur nicht übertreiben!), geht das lettischen Statistikamts für das dritte wie für das letzte Viertel 2008 von je 4,2% Rückgang aus. Für die lettische Presse weiterhin interessant scheint die Frage zu sein, was mit dem Vermögen der zwei bisherigen Haupteigentümer der PAREX-Bank, Valērijs Kargins und Viktors Krasovicks, nun passiert. Die Bankübernahme sieht nämlich auch die Beschlagnahme allen Privatvermögens vor, sowie das Einfrieren der Aktionbeteiligungen. Schon haben eifrige Fotografen eine Luxusvilla im Ortsteil Bulduri des Badeorts Jurmala im Visier, die offiziell der Tochter von Krasovicks überschrieben ist, aber als "Residenz" nicht nur gilt, sondern auch so aussieht. Dank offiziell zugänglicher Eigentums- und Steuererklärungen veröffentlichen Zeitungen heute genaue Aufstellungen des gesamten Vermögens der beiden bisherigen Millionäre (DIENA) - ein Vorgehen, wäre es auf Deutschland übertragbar, ja bekanntlich gelegentlich deutsche Politiker dazu verleitet, von "Progromen" zu sprechen. Zwei Luxuskarossen der Marke "Maybach" sollen von den "K&K Millionären" erst Ende Oktober auf eine Firma überschrieben worden sein, die wiederum erst eine Woche zuvor gegründet worden sei, weiß DIENA, und zählt die weiteren Autos im Bankbesitz auf: ein Aston Martin, ein Bentley Continental, ein BMW X5, ein Lexus LS 600HL, zwei Mercedes und ein Porsche Cayenne Jeep.
Übrig bleibt die Frage, ob neben der Übernahme der Bank-Verbindlichkeiten (von 200 Millionen Lat ist die Rede) durch den lettischen Staat PAREX überhaupt im Bankwesen noch eine Rolle spielen wird. Ein Beitrag bei FINANCE-NET.LV von heute geht davon aus, dass PAREX bisher vor allem von russischen Investoren genutzt wurde, um ihr Geld "im Westen nutzbar zu machen". Dies werde so unter der Eigentümerschaft des lettischen Staates sicher nicht mehr gemacht, so die Schlußfolgerung. Noch Anfang 2008 hatte PAREX stolz verkündet, "eine der am nachhaltigsten wachsenden Banken" in Lettland zu sein, mit Einlagen von über 4,3 Milliarden Euro, 2.500 Angestellten, Filialen in 15 Ländern - darunter Berlin, Hamburg, Stockholm, Mailand, Tallinn and Narva - und Partnerbanken in der Schweiz. Das mit den bisherigen Eigentümern abgeschlossene Übernahmeabkommen sieht übrigens formell auch eine Zahlung an beide vor: je 1 Lat für jeden.
Infos und Berichte zum Thema: PAREX sagt selbst dazu: "Weitere Information können Sie anfragen oder rufen Sie uns an: +49 30 779 077 444. DIE WELT (11.11.): Verstaatlichte Parex-Bank setzt Geschäftstätigkeit normal fort SPIEGEL online (9.11.): Lettland verstaatlicht Parex-Bank SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (11.11.): Anleger in Sorge HANDELSBLATT (9.11.) : Banken-Verstaatlichung in Lettland BADISCHE ZEITUNG (10.11.): Die Krise erreicht das Baltikum DIE ZEIT (9.11.): Lettland verstaatlicht Parex-Bank FINANCIAL TIMES (9.11.): Riga rettet Parex-Bank FAZ (11.11.): Bank für drei Euro - und trotzdem kein Schnäppchen
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