Es ist wohl Bestandteil jeder Stadtführung in Riga, wenn Deutsche zu Gast sind: der Kapellmeister, der 1837-39 zwei Jahre lang hier wirkte, das war Richard Wagner. Typisch für Wagner war offenbar, dass er oft Schulden hatten und vor vor seinen Gläubigern
floh. Ums Schulden machen geht es aber jetzt bei der Renovierung des "Wagner-Saals" in Riga nicht mehr: 5,2 Millionen Euro sollen bis 2026 als deutscher Beitrag dort verwendet werden können - der entsprechende Zuwendungsvertrag wurde am 30.August 2021 zwischen Botschafter Christian Heldt als Vertreter des Auswärtigen Amtes, und Māris Gailis und Māris Kalniņš als Vertreter der
Richard-Wagner-Gesellschaft Riga unterschrieben.
Bis 2007 war der Saal in der Riharda Vāgnera iela 4 noch genutzt, aber die Verfallserscheinungen waren unübersehbar. (siehe Beitrag) Mit 200.000 Euro hat die deutsche Seite bereits die fachliche Begutachtung und Kostenschätzung finanziert. Auch der Richard-Wagner-Verband Frankfurt/Main spendete bereits 10.000 Euro, und Bundespräsident Frank Walter Steinmeier übernahm die Schirmherrschaft. Die Gesamtkosten des Projekts werden auf 35 Millionen Euro geschätzt.
Für Gebäudesanierungen mögen das alles geringe Summen sein - für ein Projekt aber, das ja zunächst einmal nicht Konzerte oder andere künstlerische Leistungen fördert, sondern lediglich historische Rahmenbedinungen wiederherstellen will, ist es schon ein bedeutender Schritt. Jahrelang schien zudem das traurige Schicksal des Wagner-Saals besiegielt, und so wundert es vielleicht nicht, dass die lettische "
Wagner-Gesellschaft" auf ihrer Webseite nun bereits von einer "Wagner-Epoche" in Bezug auf dessen Arbeit in Riga schreibt.
Immerhin scheinen sich die deutsche und lettische Seite bei diesem Thema einig zu sein - bezüglich Richard Wagner gibt es ja durchaus auch kritische Stimmen, die sich nicht nur auf den Musikgeschmack beziehen. "Aus Lettland brachte Richard Wagner viele Ideen mit", schreibt der "
Tagesspiegel". Stefan Siegert formuliert es bei "
Geo" ganz anders: "Er verprasste Geld, das er nicht hatte, ließ angeblich Bomben basteln,
beschimpfte jüdische Konkurrenten - und hinterließ der Welt herrliche
Opern." Nicht nur hier steht auch der Verweis darauf, dass Wagner Hitlers Lieblingskomponist war. Siegert formuliert die Gründe so: bei Wagner "wimmele es nur so von blonden Germanen". Und Ingo Neumayer ergänzt für "
Planet Wissen": Die Nazis setzen bei Aufmärschen, Ansprachen und Rundfunksendungen gezielt Wagners Musik ein.
Wagner als Antisemit zu bezeichnen, scheint umstritten. Einerseits beschimpfte er jüdische Komponistenkollegen, andererseits habe er selbst auch jüdische Freunde gehabt. Jan Tegeler arbeitete für eine Sendung des Deutschlandfunks Einzelheiten heraus: Der Jude an sich sei „unfähig“, sich künstlerisch auszudrücken, weder
durch seine äußere Erscheinung noch durch seine Sprache und am
allerwenigsten durch seinen Gesang - Zitat Wagner. Sich mit Wagner auseinanderzusetzen, bezeichnete Tegeler als "heißes Thema".
Auch die Wochenzeitung "Die Zeit" widmete sich schon mal den "Pro's" und "Contras" bei Richard Wagner. "Wie ein sich langsam anschleichender, gewaltiger, alles mitreißender und
nicht aufhörender Strom besetzte Wagners Musik meinen Körper", schreibt Wagner-Fan Hanns Josef Orteil. Rolf Schneider setzte dagegen: "Wagners Kunst erzeugt viel Rausch, aber wenig Erkenntnis."
Eines habe die lettischen Wagnerianer mit Sicherheit schon jetzt erreicht: mit der aufwändigen Restaurierung des "Wagner-Saals" findet sich lettische Kulturpolitik mitten im internationalen Umfeld wieder. Es bleibt zu hoffen, dass die zukünftigen auf Richard Wagner bezogenen Aktivitäten nicht einseitiger Verherrlichung, sondern - neben allem Musikgenuß - einer Vertiefung der Diskussion aller Facetten auch der Person Wagers (und des ganzen Wagner-Clans) dienen können.
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