Gewohnte Rituale
Mit dem Blick auf den Nachbarn Ukraine kochen sehr verschiedene Flaggenträger ihr Süppchen, dieser Tage in Lettland |
Auf der anderen Seite die Gruppe der - ich sage bewusst "sogenannten" lettischen Antifaschisten, deren schablonenhafte Sprüche mit teilweise völlig weit hergeholten anderen Inhalten leider schon lange einen großen Teil des ehrlichen Entsetzens über SS-Verherrlichung überdecken.
Bisher war es schwierig Menschen, die Lettland nicht so gut kennen zu erklären was ich damit meine. Gerade an diesem 16.März 2014 (und danach) wird es nun leichter, dies zu tun. Sehr nahe liegt die Art der Argumentation, die auch das russische Vorgehen in der Ukraine und auf der Krim rechtfertigen will. Auch die Unabhängigkeitsbewegungen Estlands, Lettlands und Litauens wurden als "nationalistisch", "rückwärtsgewandt", "bourgeoise" oder "pro-faschistisch" bezeichnet - bevor die Unabhängigkeit wiederhergestellt werden konnte. Dieselben Autorinnen / Autoren oder Aktivist/innen werden nicht müde zu behaupten, auch heute sei ein Land wie Lettland noch nicht demokratisch, seine Politikerinnen und Politiker entweder korrupt oder neo-faschistisch. Also: wenn hier schon Putin nicht eingreifen kann, dann müssen wir das tun! (etwas übertrieben gesagt, zugegeben). Auch wenn bei solchen Ereignissen jemand wie Efraim Suroff mit teilnimmt, der ja durch seine Arbeit am Wiesenthal-Zentrum und seinen Projekten unumstritten und mit sehr hartnäckiger Sachlichkeit ausgestattet ist: genau dieser Wiederhall von Tönen, die jetzt von russischer (regierungsamtlicher) Seite bezüglich der Ukraine erklingen, ist in Lettland schon lange bekannt.
Aber um nicht missverständen zu werden: der 16.März ist als öffentlich begangener Gedenktag der überflüssigste den es gibt.
Auswirkungen
Wofür aber steht der 16.März im Hinblick auf die Ukraine? Lettland ist sich da durchaus nicht ganz so einig, wie die zahlenmäßig gut besuchten Pro-Ukraine und Anti-Putin-Demos glauben machen wollen. Immerhin ist Wahlkampf in Lettland: im Mai sind Europawahlen, wo die Chance besteht mit nur wenigen Wahlprozenten einen gut bezahlten Abgeordnetenjob in Brüssel zu bekommen. Im Oktober folgen dann Parlamentswahlen. Also gilt es vor allem die eigenen Anhänger zu stärken. Während die einen mit "Heute bin ich Ukrainer"-Kundgebungen vorzugsweise sich in der Nähe der russischen Botschaft aufhielten, zeigte sich auch ein Grüppchen Demonstranten zur "Solidarität mit der Krim" und einem Facebook-Aufruf zur Initiierung einer gleichartigen Abstimmung in Lettland. Die krassesten Gegensätze dieses Spektrums spiegelten sich in der vergangenen Woche anhand zweier alt bekannter politischer Figuren.
Tatjana Ždanoka, seit ihren alten Tagen als sowjetlettische Funktionärin stets bemüht, sich als weiblicher Moralapostel in Sachen der russischen Minderheit aufzuspielen, stellte sich Putins Plänen offenbar freudig als "Wahlbeobachterin" auf der Krim zur Verfügung und handelte sich damit Forderungen nach ihrem Ausschluß als Mitglied der Gruppe "Grünen / Europäische Freie Allianz" im Europaparlament ein. Die Aussagen der führenden deutschen Vertreter in dieser Gruppierung (Rebecca Harms, Werner Schulz) zur Ukraine klingen jedenfalls ganz anders, nahezu entgegengesetzt zu lettischen selbsternannten "Russen-Retterin". Und nicht nur das: am 2.März soll Ždanoka sogar Gast einer russischen Organisation "Sutj vremeņi" gewesen sein, deren Ziel nach lettischen Presseangaben (siehe "IR") die Wiederherstellung der Sowjetunion sein soll - auch das zieht sich wie ein Kontinuitätsfaden seit 25 Jahren durch die Aktivitäten dieser Frau, die aus lettischer Sicht wahrscheinlich mit einer Melone verglichen würde: außen grün, innen tief sowjetrot.
Einārs Cilinskis, im neuen Kabinett unter Laimdota Straujuma frisch ernannter Minister für Umwelt und Regionales, zeigte seinerseits am 16.März wie egal ihm beides ist. Eigentlich ein politischer Veteran, der seine ersten Aktivitäten mit den Protesten gegen die Rigaer Metro 1988 startete, stand er bis zu seiner Ernennung eigentlich immer eher in der zweiten Reihe. Eigentlich wurde ihm eher ein "Musterschüler"-Image nachgesagt, ein Wortführer jedenfalls war er nie. Seit Ende der 90er Jahre war es zur Richtschnur der verschiedenen Regierungen in Lettland geworden - auch für den Fall wenn wie momenten Nationalisten Teil der Koalition sind - dass hohe Amtsträger wie Militärs oder Minister nicht an den Aufmärschen zum 16.März teilnehmen sollen, also nicht als SS-Unterstützer hingestellt werden können. Cilinskis tat es am vergangenen Sonntag trotzdem - und wurde postwendend von Straujuma entlassen. Nun ist die Nationale Vereinigung (Nacionālaja apvienība) auf der Suche nach weiteren geeigneten Ministerkandidaten. Denn paradoxerweise marschierten Cilinskis Parteikollegen Imants Parādnieks und Raivis Dzintars am Sonntag im Gleichschritt mit SS und Cilinskis, dürfen aber nun nach wie vor Cilinskis Nachfolger auswählen .... - das nennt sich wohl "Parteiarithmetik".
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