Neuer Fokus
"Mit Hilfe des Films wird es hoffentlich möglich Žanis Lipke als Mensch zu zeigen," meint Lolita Tomsone, Direktorin des 2012 auf der Daugava-Halbinsel Ķīpsala eröffneten Lipke-Museums. "Lipke lebte eigentlich ständig auf des Messers Schneide." Žanis Lipke (*1. Februar 1900 in Jelgava; †14. Mai 1987 in Riga), war ein einfacher Hafenarbeiter, der auf der Halbinsel Ķīpsala ein Holzhaus gemietet hatte. Während der Besetzung Lettlands durch die Nazis arbeitete er auch für die deutsche Luftwaffe, und musste verschiedene Transporte organisieren - so bot sich die Gelegenheit, für Juden hier und dort Verstecke vorzubereiten."Es ist wichtig, dass wir Letten selbst über den Holocaust reden", meint Regisseur Sīmanis, der zugibt, auch das Urteil von Marģers Vestermanis, Historiker und selbst Holocaust-Überlebender, sei ihm sehr wichtig gewesen. "Den Holocaust hat man in Lettland bisher nur als Thema für Dokumenationen angesehen, nicht für Spielfilme."
Generation der Söhne
Sīmanis, 1980 geboren als Sohn bekannten und vielfach ausgezeichneten Kameramanns Dāvis Sīmanis (1942-2007), kennt sich mit geschichtlichen Ereignissen gut aus; nach Abschluß der Mittelschule studierte er bis 2005 zunächst Geschichte und Philosophie. Mit 17 begann er auch bei "Kaupo Film" zu arbeiten und lernte dort Schnitttechnik und Kameraführung. Er arbeitete dann als Assistent bei verschiedenen Filmen mit, auch zusammen mit seinem Vater.Spätestens mit "Pelnu sanatorija" (engl. Titel "Exiled"), der 2016 ins Kino kam, mit Ulrich Matthes in der Rolle eines Arztes in einer Psychatrischen Klinik während des 1.Weltkriegs, zählt auch Sīmanis junior zu Lettlands bekannteren Filmemachern. Nun also wieder ein Thema aus der Geschichte Lettlands.
Junge mit Hund
Der Film hat jedoch nicht nur die dokumentarischen Fakten rund um zur Grundlage, sondern ein Buch: Lettlands anerkannte Kinderbuchautorin Ineses Zandere legte ihren Roman “Puika ar suni. Stāsts par nosargātu noslēpumu” ("Der Junge mit Hund - Erzählung über ein beschütztes Geheimnis") 2017 vor. Hauptfigur dieser Geschichte ist der Sohn von Žanis Lipke: Zigfrīds Ojars, genannt "Zigi". Als er 8 Jahre alt ist, beginnt der 2. Weltkrieg. Dem Jungen ist es ein beindruckendes Erlebnis wie trotz der schweren Umstände des Krieges der Vater Menschen rettet, die von den Nazis mit dem Tode bedroht werden. Und es gibt viele Dinge, die Zigi zunächst unverständlich bleiben. Da gibt es viele Geheimnisse, Ängste - aber auch Zigis bester Freund, der Hund "Džeri".Matīss Kipļuks spielt den Zigi - ausgesucht unter 600 lettischen Achtjährigen. "Wichtig war uns einen Jungen zu finden, der vor der Kamera nicht übertreibt - was ziemlich oft der Fall ist", erklärt Produzent Gints Grūbe (Mistrus media) die Auswahl (LA). Die Hauptrolle, Zigis Vater Žanis, spielt
Schauspieler Artūrs Skrastiņš. Die Figur der Johanna Lipke spielt Ilze Blauberga sehr überzeugend - und bekam dafür bereits eine Nominierung für die beste weibliche Nebenrolle für den lettischen Filmpreis "Lielais Kristaps" (insgesamt ist der Film in 12 Kategorien nominiert). "Aber die übrigen Rollen wollte ich mit Leuten besetzen, die noch nicht vom TV-Bildschirm bekannt sind - dann ist es einfacher deutlich zu machen: diese Menschen sind welche von uns." meint Regiseur Sīmanis (LA). "Wenn diese Menschen überleben, dann überleben wir auch!" so sagte es Johanna Lipke, die selbst Polnisch, Russisch, Deutsch und sogar Jiddisch verstand, Jahre später im Interview mit dem Filmemacher Hercs Franks (delfi)
Familienvater, Mensch
"Über Žanis Lipke könnte man auch ein Fortsetzungsgeschichte drehen," meint Regisseur Sīmanis. "Er hat sich mal mit den Nazis, mal mit den Sowjets angelegt. Unser Film widmet sich aber nur dem einen Moment in seinem Leben, als er sich entschloss einigen Juden das Leben zu retten."Warum wurde Lipke zum Lebensretter für so viele Juden? Warum setzte er sein eigenes Leben und das Schicksal seiner Familie aufs Spiel? Weder Dāvids Zilbermans, der mehrere Bücher über Lipke, schrieb, noch die überlebenden Juden konnten darauf bisher eine Antwort geben - so versucht es auch der Film nicht. Zu Sowjetzeiten musste sich Lipke mehreren Verhören durch den KGB unterziehen - Kommunist war er nicht, und so unterstellte man ihm, seine Dienste gegen Gold und Brillianten angeboten zu haben.
Lipke als Familienvater. Die Tochter Anna (Aina) musste fliehen, kehrte dann nach Riga zurück, aber ihr leben endete tragisch im Alter von nur 26 Jahren.Der Sohn Alfrēds wird 1943 zum Dienst in der deutschen Armee gezwungen - hätte er sich verweigert oder sich verstecken versucht, wäre es unweigerlich zu größeren Durchsuchungsaktionen bei Lipke gekommen. Nach dem Krieg geht Alfrēds nach Australien - von ihm wird erzählt, er habe sich dort noch immer nicht gern an einem Tisch gesetzt mit Russen oder Deutschen, da er beide für schuld daran hielt, dass er nicht in sein Heimatland zurückkehren konnte. Einzig der jüngeste Sohn Zigi blieb in Riga.
Geschichte im Kino
Gedreht wurde "Tēvs nakts" nicht auf Ķīpsala - denn die dortige Bebauung sieht heute völlig anders aus als zu Kriegszeiten. Art-Direktorin Kristīne Jurjāne fand das geeignete Haus in Kauguri nahe Jūrmala. "Völlig unberührt, mit originalen Fliesen und Fensterläden!" Das Äußere wurde dann nach alten Fotografien gestaltet. Und außer in Riga fanden sich geeignete Locations auch in Tukums, wo die Atmosphäre der früheren östlichen Vorstadt Rigas nachgestellt werden konnte.Regisseur Dāvis Sīmanis arbeitet derweil bereits am nächsten Projekt: der Verfilmung der abenteuerlichen Geschichte um Pēteris Mālderis ("Peter the Painter") und einer Gruppe lettischer Anarchisten, die 1909 / 10 London unsicher machten. Es wird eine litauisch-tschechisch-lettische Koprodution werden, mit einem tschechischen Schauspieler in der Hauptrolle.
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