14. September 2025

Abends ohne

Seit August 2025 gilt in Lettland eine neue Regelung für den Verkauf von Alkohol. Das lettische Gesundheitsministerium (VM) betont, dass neue zeitliche Beschränkungen ein wirksames Mittel zur Eindämmung des Alkoholkonsums seien. An Werktagen ist jetzt der Verkauf von alkoholhaltigen Getränken ab 20 Uhr verboten, sonntags bereits ab 18 Uhr (Alkoholverkauf nachts ist schon seit 2002 verboten). 

Schon wenige Tage nach Einführung der neuen Regelung startete eine Unterschriftensammlung auf dem Portal "Meine Stimme" ("manabalss") zur Aufhebung der neuen Bestimmungen. Aber: gleichzeitig sind dort auch Initiativen zu finden, Alkohol nur an Menschen ab 21 Jahren zu verkaufen, und auch einen Aufruf zum Verbot aller Alkoholwerbung in der Öffentlichkeit. Die Parlamentabgeordnete und Ex-Gesundheitsministerin  Ingrīda Circene („Jaunā Vienotība“) wies darauf hin, dass sich die Saeima im Herbst erneut mit diesem Thema befassen und noch strengere Vorschriften einführen könnte (lsm). Ein umstrittenes Thema?

Der Geist aus der Flasche 

Auch Sozialanthropologin Aivita Putniņa hält das Thema für "sehr sensitiv". Es gäbe in Lettland eine starke Lobby für den Alkoholverkauf, meint sie (lsm) In Lettland liegt der Alkoholkonsum pro Einwohner/in, einschließlich der Tourist/innen allerdings, bei statistisch über 12 Litern pro Person, wobei dies besonders durch einen großen Anteil an Spirituosen erreicht wird. Pēteris Apinis, Arzt, Ex-Gesundheitsminister und langjähriger Vorsitzender der lettischen Ärztvereinigung weist auf mehrere Misstände in Lettland hin: wenn das Sozialamt sich in zunehmender Zahl um Kinder kümmern müsse, deren Eltern nicht mehr dazu in der Lage seien, dann sei in 90% der Fälle Alkoholkonsum der Grund (delfi). Und auch bei den Todesfällen durch Ertrinken sei zu 60-80% Alkohol im Spiel (arstubiedriba / SPKC)

Seit 2020 läuft ein Projekt der Weltgesundheitsorganisation WHO mit speziellem Fokus auf die drei baltischen Staaten; hiermit sollen die gesundheitlichen Auswirkungen von Alkoholkonsum (u.a. geringere Lebenserwartung) untersucht werden. Auch hier ist von "eingeschränkter Zugänglichkeit" die Rede. Und davon, dass es in Litauen gelang, den Konsum von Alkohol etwas zu verringern - nun liegt Lettland an der europäischen Spitze (lsm)

siehe auch: SPKC

Gewohnheiten 

Sind schon Auswirkungen der neuen Regeln zu erkennen? Liegt es jetzt vielleicht nahe, Wodka, Branntwein und Konsorten einfach online im Internet zu kaufen? "Superalko" liefert per Kurier fünf Tage die Woche, montags bis freitags. "Alcoma" nimmt nur bis 17 Uhr Aufträge an, liefert aber bis 22 Uhr aus und liefert ab Bestellwert von 30 Euro kostenfrei.
"Drinksdrinks" sichert zu, abends auch noch bis 19:30 Uhr zu liefern, allerdings nur an Kunden mit Mindestalter 20 Jahre. Die "Vynoteka" allerdings macht ihre Läden nur noch bis 17 Uhr auf, während auf der Webseite von "Alkolats" immer noch Öffnungszeiten bis 22 Uhr angekündigt sind. 

Das Wetter und die Hamster 

In den großen Supermärkten sei der Verkauf von Alkohol nur leicht zurückgegangen, berichten Vertreterinnen der Ladenketten "Rimi", "Elvi" und "Maxima" im lettischen Fernsehen (lsm). Vermutet wird aber auch, dass der relativ kühle Sommer den Getränkekonsum nicht gerade gefördert hat. Ein Vergleich mit dem August des vergangenen Jahres habe ergeben, dass der Verkauf von nichtalkoholischen Geränken tatsächlich um 24% gestiegen sei. Allerdings sei auch zu beobachten, dass Kunden nun offenbar "Vorräte" anlegen, und dadurch auch der Verkauf von Alkohol im August in manchen Läden sogar leicht gestiegen sei. 

Arzt Pēteris Apinis jedenfalls gehen die Änderungen beim Alkoholverkauf nicht weit genug - er hält auch eine Angleichung der Besteuerung mit den Nachbarländern, einschließlich Polen und Finnland für nötig. Und auch der Verkauf an Tankstellen sollte (wie es auch in Litauen der Fall ist) ganz untersagt werden (delfi).

Landleben und Landläden 

"Auf dem Lande sind die Verhältnisse für die Ladenbesitzer anders," berichtet  Raimonds Okmanis, Vorsitzender und Miteigentümer eines Netzwerks kleinerer Läden, die unter dem Label "LaTS" als GmbH betrieben werden. 270 kleinere Unternehmen mit über 700 Läden haben sich hier zwecks gemeinsamem Marketing und durchaus auch Kostenersparnis zusammengeschlossen - die meisten dieser Läden befinden sich in Lettland auf dem Lande. Täglich würden in solchen Geschäften 120 bis 200 Einkäufe getätigt, jeder im Durchschnitt im Wert von acht Euro, und ein Drittel des Umsatzes entfalle auf den Verkauf von Alkohol, erzählt Okmanis. "Von allen, die Alkohol kaufen, tätigen 40 % ihre Einkäufe direkt am Abend nach 18 Uhr, und das sind dann meist Männer, wenn sie aus der Stadt von der Arbeit nach Hause kommen". Bei verkürzten Verkaufszeiten würden diese dann ihren Einkauf wohl schon in der Stadt erledigen, vermutet Okmanis. Und noch etwas: "Nutznießer werden dann wohl die Tankstellen sein", meint er. (IR)

Das lettische Gesundheitsministerium beabsichtigt, bis zum 31. Oktober 2026 die Auswirkungen der neuen Beschränkungen zu evaluieren und dem Parlament zu berichten.

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