27. November 2009

Flankendievs

Der Herbstmeister-Meister  
Fußball ist nicht gerade Volkssport in Lettland. Und in der deutschen Presse ist von Rüdiger Abramcik, einst im Zusammenspiel mit Klaus Fischer der "Flankengott", auch nicht mehr gerade oft die Rede. Erst seit einem Jahr ist er Trainer von Metalurgs Liepaja (siehe Blogbeitrag). Und da die Fußballsaison in Lettland immer im Spätherbst zu Ende geht, ist ein Herbstmeister im Gegensatz zur deutschen Bundesliga auch immer der wahre Meister. 2009 wurde Liepaja nach drei Jahren mal wieder lettischer Fußballmeister. 

"Das neue Gesicht des Fußballs in Liepeja" titelte LATVIJAS AVIZE vor einem Jahr über "Mister A". Ob es mit der Sprachbarriere gut gehen würde, wurde gezweifelt. Abramcik redete nur Deutsch. Er schaffte die Zonenverteidigung ab und ließ "Mann gegen Mann" spielen. 

"Nun werde ich mir aber doch mal einen trinken", soll Abramcik der lettischen Presse zufolge nach dem letzten Saisonspiel seiner Meisterschaft vor der Presse gestanden haben (1:1 gegen Ex-Meister Ventspils). "Ich stamme aus Westfalen, da trinkt man Bier." Da blieb den lettischen Fans beim Portal "Sporta Centrs" nur noch eine Frage offen: trinkt der Trainer denn auch lettisches Bier? Offenbar schmeckt es ihm vorerst noch. 

Unzufrieden äusserte sich Abramcik über die Praxis der Klubleitung, einige Spieler im Sommer, mitten in der lettischen Saison, zu verkaufen. In Liepaja ist Fußball nur eine kleine Unterabteilung des gleichnamigen Eishockeyklubs. Viele ausländische Spieler wolle man nicht, so der Trainer, aber andere seien noch viel zu jung und unerfahren, um in die 1.Mannschaft aufzurücken. 
Diese Meinungsverschiedenheiten konnten offenbar geklärt werden. In den vergangenen Tagen meldete die lettische Presse, dass Abramcik für ein weiteres Jahr - bei erhöhten Bezügen - in Liepaja verlängert hat.  

Wer träumt nicht davon, lettischer Meister zu werden!
Interessant zu lesen sind im Vergleich dazu die Aussagen des neuen "Meistetrainers" Abramcik in der deutschen Presse. "Kommt der Flankengott zurück?" fragt etwas ungläubig der WDR (Interview vom 17.11.09). Die Praxis bei Metalurgs, einige Spieler verkaufen zu müssen und diese durch junge Nachwuchskräfte erfolgreich zu ersetzen, wird hier kurzerhand mit der vergleichbaren Gegenwart von Felix Magath bei Schalke 04 verglichen. Abramcik selbst äussert dazu, er habe sich vor allem bemüht, die "Disziplinprobleme" bei seinen lettischen Kickern zu beseitigen. Abramcik, der Schleifer? Hier legt es schon selbst den Vergleich mit Magath nahe. 
Gibt es hier eigentlich Fanfreundschaften, oder Schalke/Liepaja-Schals? Vielleicht wäre das findigen Geschäftsleuten in der lettischen Hafenstadt zu empfehlen. 

Gegenüber dem WDR erzählt Abramcik auch von anderen interessanten Erfahrungen. Die durchschnittliche Zuschauerzahl habe sich in Lettland schon auf 3.000 erhöht - nur nicht bei Spitzenspielen. "Die werden im Fernsehen übertragen, da wollen sich die Leute das Geld offenbar sparen", meint der deutsche Gasttrainer. Was ist das besondere am Fußball in Lettland, wird er gefragt. "Hier gibt es noch Straßenfußballer, und alle pflegen einen angenehmen Umgang"; Abramcik hält dies durchaus für ungewöhnlich. "Und wenn ein Spieler mal 500 Euro Geldstrafe zahlen muss, dann fließen auch schon mal Tränen."

Zurück in die Bundesliga? 
Und im WDR-Interview erfahren wir außerdem, dass der frühere Schalker zwischendurch auch mal mit dem VFL Bochum verhandelt hatte. "Leider hat man sich nicht für mich entschieden", sagt einer, der auch schon mal türkischer Pokalsieger war.
Vorerst hat Abramcik also eine Verlängerung in Lettlands Hafenstadt zugesagt. Vielleicht könnte seine Mannschaft also auf ähnliche Weise sich auch mit deutschen Mannschaften messen, wie es in der Europa League gerade der FK Ventspils tut (in einer Gruppe mit Hertha BSC Berlin). Aber angesichts Spielergehältern von 3.000 bis 10.000 Euro ist klar, dass es nicht viele Argumente gäbe, wenn später doch die Bundesliga ruft.  


Eines jedoch scheinen die Spieler von Metalurgs Liepaja genau zu wissen - das zeigt auch ein Interview von Mannschaftskapitän Tomas Tamošausks (lettische Schreibweise, er ist Litauer). "Die Meisterschaft haben wir dem Trainer zu verdanken." (Interview bei "parsportu.lv") "Er fordert sehr viel von uns. Ich denke, seiner harten Hand haben wir die Meisterschaft zu verdanken."





WDR-Interview

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