Die lettischen Sportnachrichten der vergangenen Woche bestimmten Basketball und Fußball. Aber das erste Kapitel der lettischen Hoffnungen auf Erfolge im Frauenbasketball in Peking ist schnell erzählt: 57 : 62 im ersten Spiel gegen Russland. Spätestens aber mit den wenig friedlichen Vorgängen in Georgien wurde auf schockierende Weise klar, wie wenig in diesen Tagen sportliches Vergnügen und grausame Weltpolitik auseinandergehalten werden können. Staatspräsident Zatlers zeigte sich beim Olympia-Einmarsch der lettischen Mannschaft als einziger der Präsidenten der drei baltischen Staaten auf Schmusekurs mit der chinesischen Führung - auch in Lettland gab es genug Stimmen (zuletzt ein offener Brief der Ärztevereinigung), die wegen Chinas Tibets-Politik und anderer Menschenrechtsverletzungen ein deutliches Zeichen von der eigenen Staatsführung verlangten. Und wie steht Lettland zu Georgien?
Ein Stück deutsche Sporthistorie, nun als neue lettische Hoffnung
Eine sportliche Randnotiz kam Anfang der Woche aus der Küstenstadt Liepaja. Dort wurde unversehentlich und wenig vorhersehbar plötzlich an frühere glorreiche deutsche Fußballzeiten angeknüpft: "Flankengott" Rüdiger ("Abi") Abramczik heuerte beim lettischen Erstligisten Liepājas Metalurgs als Trainer an. Dass er überhaupt Trainer ist, hat wohl niemand in der letzten Zeit so richtig gemerkt - denn ein Engagement beim unterklassigen FC Saarbrücken, und jeweils nur kurze Auftritte beim FC Kärnten, in der Türkei und in Bulgarien, all das war schon etliche Jahre her. Nun soll angeblich der ehemalige Schalke-Präsident Gerd Rehberg das Engagement in Lettland vermittelt haben (Quelle: "Der Westen", "Westline"). Vor vier Jahren spielte Schalke 04 gegen Liepaja im UEFA-Pokal. Aber dass überhaupt ein Trainer gesucht wurde - die Fans in Liepaja überraschte es offenbar. Das Portal "liepajniekiem.lv" lobt den Neuen aus Deutschland inzwischen aber nach Kräften: er habe im Alter von 20 Jahren mehr Tore geschossen als Lukas Podolski (im gleichen Alter). Hoffnungen der Fans (auf der gleichen Webseite): vielleicht könnte nun ja auch mehr für die eigene Jugendarbeit getan werden, denn sonst würden sich andere Sporttreibende einfach mehr für Basketball oder für Eishockey interessieren. Befürchtungen: der neue Trainer kann weder Lettisch noch Russisch, und wird doch wohl Co-Trainer Osipovs nicht rausschmeißen? Abramczik hat allerdings erstmal nur bis Ende der Saison unterschrieben; eigentlich wollte er ja nicht mehr ins Ausland, hatte er vorher des öfteren in den Medien erklärt. Nur zwei Tage nach Ausrufung des neuen Trainers gewann Liepajas Metalurgs gleich mal 7:2 gegen Jurmala (LFF).
Nervosität am Rande des Riesenreiches
Viele hatten sich vielleicht nun auch aufs entspannte TV-Schauen in Richtung Peking eingestellt. Inzwischen schreckt alle die militarisierte Unruhe in Georgien auf. Unter den Augen der Welt sind es dann auch die Sportler Russlands und Georgiens in Peking, die Aufmekrsamkeit auf sich ziehen. Kann man sich auf seinen Sport konzentrieren, wenn im eigenen Land die allgemeine Mobilmachung verkündet wird? Alle drei baltischen Staaten haben Georgien einer der Prioritäen der eigenen Aussenpolitik erklärt. So unterstützt auch Lettland einen Beitritt Georgiens zur NATO, und nicht nur das: zum Beispiel fördert Lettland die Unterstützung von Jugendprojekten mit Georgien. So wundert es auch nicht, dass in den vergangenen Tagen als erstes Bemühungen starteten, eine Gruppe von 15 jungen Leuten aus Sigulda zurück nach Lettland zu bringen, die mit ihren drei Begleiterinnen in Georgien unterwegs waren. "Schirmherr" der ganzen Veranstaltung: Georgiens Staatschef Mihail Saakaschwili. Die georgische Stadt Ciatura ist Partnerstadt Siguldas - und zwar bereits seit 1969! Sichtbarstes Zeichen der georgischen-lettischen Freundschaft ist die Seilbahn in Sigulda, die sich über das Tal der Gauja spannt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wird schon in wenigen Tagen in Sotchi mit dem russischen Präsidenten Medwedjew zusammentreffen, bevor sie dann auch Litauen und Lettland besuchen wird. Da kann man ja nur hoffen, dass diese engen Gesprächsfäden sich noch deutlicher als bisher für eine friedlichere Entwicklung als bisher einsetzen lassen.
Sprotten, Joghurt und Wein gegen Öl und Gas?
Allerdings müssen wohl alle diejenigen enttäuscht werden, die sich eine eher neutrale und vermittelnde Rolle Lettlands im Georgien-Konflikt gewünscht hätten. Davon ist wenig zu spüren. Die lettischen Medien sind sich weitgehend einig, dass dieser Konflikt im Schatten der Olympiaeröffnung von Moskau provoziert wurde. Und manche gehen sogar soweit, in völliger Selbstüberschätzung mal eben den Boykott sämtlicher russischer Waren zu fordern. "Schade, den Durchfluss von Gas durch russische Pipelines können wir nicht stoppen", so ein Aktionsaufruf der im Portel TVNET zu lesen ist, "aber wenn die Einfuhr von estnischem Joghurt, lettischen Sprotten und georgischem Wein auf der einen Seite verhindert wird, warum sollten wir das nicht bei Schnaps, Bier und Kaviar aus Russland tun?" Das klingt sehr wenig nach weiser Überlegung zum Wohle Lettlands, sondern viel eher nach der Lust, Russland eins auszuwischen. Gefördert noch durch Lettlands neue Lust an der Konsumgesellschaft - inklusive Eifersucht auf wirtschaftliche Macht. Also wenn das nicht funktioniert, ersatzweise dann bewaffnete Freiwillige nach Georgien? Soweit weigere ich mich vorerst zu denken, aber die Befürchtung bleibt, dass Bemühungen, Kriege zu verhindern, doch andere sein müssen.
Mehr Infos: zu Liepajas Metalurgs:
Fanseite Mannschaftsfoto Neues von der lettischen Fußball-Liga zu Lettland-Georgien: gemeinsame Erklärung der Präsidenten Estlands, Lettlands, Litauens und Polens Webseite der georgischen Gesellschaft in Lettland "Samšoblo" Lettische Eindrücke aus der heutigen Zusammenarbeit mit Georgien: Webseite von Sintija Šmite (lettisch)
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