27. Dezember 2024

Wer dreht am Rad?

Ein Riese für alle

Es sollte eine der größten Attraktionen der Stadt Riga werden: bei gutem Wetter sollte es möglich werden, von hier aus das Meer (die Ostsee) zu sehen. 10 Millionen Euro soll es gekostet haben und ist heute für alle, die von Rigas Altstadt aus über die Daugava auf die andere Flußseite blicken, unübersehbar. Am Rande dessen, was früher "Siegespark" ("Uzvaras parks") hieß, steht nun Rigas 65m hohes "Panorama-Rad".
Über den Bauherrn und Eigentümer hieß es anfangs nur, es sei eine Firma "RPR operator”, die in Litauen registriert sei. (lsm / LA) Deren Repräsentant Dimitrijs Uspenskis vertritt die Betreibergesellschaft auch gegenüber der Presse. 

Inzwischen ist "RPR Operators" auch als Unternehmen in Lettland registriert und wurde ursprünglich von Dmitrijs Uspenskis gegründet. Doch nun ist der eigentliche Nutznießer der in Russland geborene Geschäftsmann Rustam Gilfanov, der seit März 2022 die Anteilsmehrheit des Unternehmens übernahm. Über "Racoonstruction Holding Limited", ein in Malta registriertes Unternehmen, besitzt er 55 % der Kapitalanteile von RPR Operator, während die anderen Eigentümer das Unternehmen "Panoramica" (Dimitrijs Uspenskis, Darja Uspenska und Anatolys Predkel) sind.

Nach Geldquellen wird nicht gefragt

Mitte Dezember wurden die letzten Bauarbeiten am neuen Riesenrad beendet, nun soll noch eine Sicherheitsprüfung folgen bevor alles der Öffentlichkeit übergeben werden soll. Aber Fragen nach dem Investor bei RPR, der dieses Projekt jetzt finanziere, werden nicht so gerne beantwortet - so ein Bericht in der lettischen Zeitschrift "IR".
Rustams Gilfanovs, 1983 in der Gegend des russischen Perm geboren, ist auch schon der lettischen Sicherheitspolizei bekannt: seine befristete Aufenthaltserlaubnis wurde nur wegen seinen Investitionen in die lettische Wirtschaft verlängert. ("IR") Bekannt ist über ihn, dass er Studienabschlüsse in Rechtswissenschaften an der Staatlichen Universität Udmurtien vorweisen kann, und zusammen mit anderen Geschäftspartnern früher schon mal mit "Lucky Labs" in der Glückspielbranche (Software) tätig war, auch in der Ukraine. Nach dem von Russland in der Ostukraine  begonnenen Krieg habe Gilfanovs dann bis 2018 auf der Sanktionsliste der Ukraine gestanden, berichtet "IR". Laut lettischem Unternehmensregister ist aber seit 2022 als ständiger Wohnsitz Lettland angegeben; als russischer Staatsbürger taucht er nun nicht mehr auf, denn inzwischen ist er Bürger eines Karibikstaates geworden: der Föderation des Inselstaats St. Kitts und Nevis. Diversen Internetseiten zufolge lässt sich diese Staatsbürgerschaft gegen Zahlung einer gewissen Geldsumme erwerben. (IR / lsm)

so stellen sich die Erbauer den Ausblick vom
neuen Riesenrad auf Riga vor

2019 erhielt die Firma "RPR Operators" die Baugenehmigung für das Riesenrad, als einzige Bewerberin auf eine entsprechende Ausschreibung. Im Oktober 2019 wurde ein Vertrag mit 30 Jahren Laufzeit abgeschlossen, die gesetzlich maximal mögliche Dauer. Zu dieser Zeit war das Bürgermeisteramt gerade von Nils Ušakovs auf Oļegs Burovs (GKR) übergegangen, der das Projekt mit den Worten bewarb: "Wollt ihr Pārdaugava entwickeln, dann müsst ihr dafür stimmen." Und Vladimirs Ozoliņš, Chef des Immobiliendezernats der Stadtverwaltung meint: "Wir hoffen, dass dieses Riesenrad 30 Jahre hält." Einige Medien berichten, nach Ablauf der 30 Jahre Vertragslaufzeit gehe die Anlage in das Eigentum der Stadt Riga über (Jauns / LTV).

Recherchen der Zeitschrift "IR" zufolge hatte RPR bis Anfang 2024 Schulden in Höhe von 300.000 Euro angehäuft. "Die Stadt Riga hat keine Möglichkeiten zu überprüfen, aus welchen Quellen das Geld eines Invetors stammt," meint Vladimirs Ozoliņš. "Wir überprüfen ihre Bankkonten nicht", sagt er und fügt hinzu, 2019, als über das Projekt entschieden worden sei, seien bezüglich des Unternehmens keine Unregelmäßigkeiten festgestellt worden.

Neue Skyline

Der Vertrag sah vor, dass die Bauarbeiten innerhalb von drei Jahren abgeschlossen sein sollten - aber durch die Pandemie traten Verzögerungen ein, das Bauamt prüfte die Unterlagen fast ein Jahr lang. "Wir sind ja kein Land mit vielen solchen Riesenrädern, die Bauverwaltung hatte wenig Erfahrung mit solcher Art Ingenieursarbeiten," sagte Ozoliņš, nicht ohne einen Vergleich zu wagen mit dem Eiffelturm in Paris.

Lange wurde überlegt, welchen Effekt das neue Bauwerk auf die Stadtsilhouette am linken Daugavaufer haben würde, und wie man es für einen möglichst positiven Eindruck ausrichten müsste. Anfang 2023 begannen dann die Bauarbeiten. Aber eigentlich hat der Boden dort seine Tücken - durch die in der Nähe fließende Mārupīte bleibt der Boden schlickhaltig. Der Bau wurde durch 122 Pfähle stabilisiert, die Hälfte davon bis zu 30m tief im Boden verankert. Auf diese Weise soll das 65m hohe Riesenrad auch starken Windböen trotzen können. 1200 m³ Beton wurden verbaut. 

"Weltweit ist unsere Anlage eher mittelgroß," meint RPR-Vertreter Dimitrijs Uspenskis, "denn London, Las Vegas oder in Skandinavien sind andere Maßstäbe gesetzt worden. Aber unser Riesenrad ist groß im Verhältnis zu unserer Stadt“. Es gibt 30 beheizte Kabinen mit jeweils acht Sitzplätzen. Splittergeschütztes Spezialglas wurde aus Spanien geliefert. "Wir hoffen, dass auch diese Bauweise zu einem Exportprodukt werden kann," erläutert Uspenskis, "anderswo in Europa sind ja Riesenräder in Betrieb, die aus den 1970iger und 1980iger Jahren stammen." (IR)

Die Rigaer Variante ist von der Architektengruppe A.I.D.E. entworfen worden, unter Leitung von Jānis Rinkevičs. Monteure kamen auch aus den Niederlanden und Polen, die Aufsicht hatte der deutsche TÜV Rheinland. 

Vergnügungsaussichten

Eine Fahrt im "Panorama-Rad" soll zukünftig 15 Minuten dauern, und so 10 - 12 Euro kosten - allerdings je nach Saison unterschiedlich. Um die 25 Angestellte wird es benötigen, das Rad jeden Tag, Sommer wie Winter, in Betrieb zu halten. "Wir wollen einen Platz schaffen, wo sich Menschen mit der ganzen Familie mehrere Stunden aufhalten können", sagt Uspenskis. Und er betont auch, dass die Stadt Riga hier keine Steuergelder für ein Projekt ausgeben musste - aber von den Betreibern jährlich 24.500 Euro Miete einnimmt. Mindestens alle sechs Jahre soll die Höhe dieser Miete überprüft werden - von zertifizierten Gutachter/innen.

Haben die Planungsbehörden den richtigen Standort gewählt? Es gibt durchaus Menschen, die ganz in der Nähe wohnen - bisher sind von den Bewohner/innen dort nur Sorgen um mögliche Geräuschbelastung und zunehmenden Straßenverkehr zu vernehmen. Anfangs waren auch andere Standorte, wie zum Beispiel an der Esplanāde nahe der großen orthodoxen Auferstehungskirche geprüft, aber wieder verworfen worden. "Beachtet muss vorallem die Erreichbarkeit, denn dieser Ort wird täglich von Hunderten Menschen besucht werden," meint Stadtplaner Viesturs Celmiņš. Er macht sich Sorgen, dass wegen fehlender Parkmöglichkeiten die Besucher/innen dann überall die Straßen in der Nähe zuparken könnten. 

Es wird aber sicher Leute geben, die ungeduldig auf die Eröffnung warten. Umfragen ergaben, dass 62% der lettischen Bevölkerung das Riesenrad "bestimmt" oder "wahrscheinlich" nutzen würden (TV3 "ganz bestimmt nicht" antworteten 11%). Andere fragen sich, ob die Tatsache, dass der Investor möglichweise auf einer Ukraine-Sanktionsliste zu finden ist, das fast fertiggestellte Projekt doch noch verhindern kann. Der aktuelle Rigaer Bürgermeister Vilnis Ķirsis sagte kürzlich in einem Interview: "Die Stadt Riga hat mit diesem Bauvorhaben nichts zu tun." (LA) Die Stadt sei keine Ermittlungsbehörde (jauns).

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