14. Februar 2009

Absurdistan oder rien ne va plus Lettonie?

Steigerung der Steigerung?
Die Grammatik erlaubt eine Steigerung bis zum Superlativ. Danach geht es nicht weiter. In der lettischen Politik gilt ein solches Gesetz nicht.

Da hatte die Union aus Grünen und Bauern am Donnerstag vergangener Woche der Regierung, an der sie selbst beteiligt ist, das Vertrauen ausgesprochen und der Mißtrauensantrag der Opposition war damit gescheitert. Bereits vier Tage später schlug sie vor, der Bankier Feiferis möge eine neue Regierung bilden. Und plötzlich ist nun Augusts Brigmanis bereit, sogar die ein oder andere weitere Forderung im Rahmen der Kabinettsumbildung fallen zu lassen.

Die Koalitionspartner haben sich jetzt doch noch auf den neuen Zuschnitt der Ressorts einigen können.

Grüne und Bauern haben soch durchgesetzt, daß das Landwirtschaftsministerium nicht mit dem Umweltschutz zusammengelegt wird. Über die anderen Veränderungen ließe sich diskutieren, viel Zuständeigkeiten passen unvermeidlich mehr oder weniger zusammen. Nur eines ist wirklich positiv, ein gemeinsames Justiz- und Innenministerium entsteht nicht, wie es zwischenzeitlich auch bereits vorgeschlagen worden war.

Daß das Ministerium für Regionalentwicklung mit dem Wirtschaftsministerium zusammengelegt wird, ist halbwegs nachvollziehbar. Überraschend hingegen bleibt als einziges Ressort das Verkehrsministerium unangetastet, welches unter anderem auch für die Post zuständig ist.

Der Amtsinhaber Ainārs Šlesers bleibt im Amt, die graue Eminenz seiner Partei, und ist neben dem Regierungschef nun der einzige Vertreter seiner Partei.

Während die Vertretung von Für Vaterland und Freiheit nunmehr auch mit dem Wirtschaftsministerium auf ein Ressort beschränkt wurde, hat die Volkspartei die Ehre, alle weiteren Ministerien zu besetzen.

Daß diese weniger personelle als die Zahl der Posten betreffende Regierungsumbildung nicht in erster Linie der Effizienz des Regierens und der Einsparung finanzieller Mittel dient, liegt auf der Hand. Wem aber dient es dann?

Nach der geltenden Verfassung kann nur der Präsident die Auflösung des Parlamentes anregen. Nach den Protesten zwischen der Regenschirmrevolution im Herbst 2007 und den Ausschreitungen am 13. Januar dieses Jahres könnten sich die Bürger Lettlands ein Beispiel an Argentiniens Müttern der Plaza de Mayo zum Ende der Militärdiktatur und Island jüngst nehmen: täglich vor der Rigaer Burg demonstrieren, bis Präsident Zatlers anstelle populistischer und fragwürdiger Ultimaten seines Amtes waltet.

Ergänzung:
Am Freitag wurden alle Pläne zur Kabinettsumbildung abgesagt.

Die Absage an eine Koalitionsumbildung jetzt begründet Ministerpräsident Godmanis damit, daß jetzt der falsche Zeitpuntk dafür sei – nachdem in diese Diskussion seit Tagen und Wochen Zeit investiert wurde!

Jetzt soll bis zu den Kommunal- und Europawahlen abgewartet werden, die im Juni am selben Tag stattfinden, um die Stärke der Parteien abschätzen zu können.

Wie dieser Plan zusammenpaßt mit dem Ultimatum des Präsidenten, bleibt völlig offen.

Szenario 1: Der Präsident regt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) die Parlamentsauflösung an, worüber dann im Mai das obligatorische Referendum stattfindet. Daraufhin wird im Juni die Regierung umgebildet oder auch eine neue installiert und im September gewählt.

Szenario 2: Der Präsident gibt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) bekannt, daß er mit der Erfüllung der von ihm gestellten Aufgaben durch das Parlament zufrieden ist, und im Juni bilden dann die Parteien nach dem Wählerverdikt auf kommunaler und Europa-Ebene auf der nationalen Ebene eine neue Regierung, die dann bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2010 im Amt bleibt?

8 Kommentare:

Anda hat gesagt…

Im Lettischen kann man mehr Steigern als im Deutschen:
labs, labāks, vislabākais, vis vislabākais, vis vis vislabākais...

Axel Reetz hat gesagt…

Das Allerbeste wird im Deutschen auch verwendet, ist aber grammatikalischer Nonsens.

Anda hat gesagt…

Nicht nur die lettische Grammatik ist anderes als Deutsche. Die Menschen denken auch anderes.

Axel Reetz hat gesagt…

Aber das ist nun trivial.

Anda hat gesagt…

Wieso? Lettland ist erstmal ein viel kleineres Land als Deutschland und keiner von den lettischen Politikern, die über 30 sind, haben in der Schule nie etwas über die Demokratie gelernt.

Axel Reetz hat gesagt…

Das ist ein anderes Thema, wir waren doch bei der grammatikalischen Steigerung. Was Demokratie lernen betrifft, Zustimmung. Das gilt allerdings auch fur die heute 20jahrigen.

Anda hat gesagt…

Das meine ich ja auch. Meiner Meinung nach wird das Wort „Demokratie“ als eine Art Zauberwort in Lettland gebraucht. Damit wird alles gerechtfertigt.

Kann der Politologe vielleicht eine gute Einführung in der Demokratie empfehlen? :)

Axel Reetz hat gesagt…

Eine Einführung in den Mechanismus der demokratischen Regierung (Līga Stafecka: Mēs demokrātija) oder in die demokratischen Werte? Eine demokratische Überzeugung läßt sich nur schwer anlesen.