Nun leider nur noch auf Buchdeckeln und Erinnerungsfotos präsent - für Lettland eine der prägendsten Kulturgrößen der vergangenen Jahrzehnte |
"Imants Ziedonis hat viel für das lettische Selbstbewußtsein und die Kultur getan, und er schien Kräfte einfach für alles zu haben" - so sagt es Schriftstellerkollegin Māra Zālīte, "er war sicherlich der wichtigeste Mensch auch für mein eigenes Schaffen."
"Wenn Außerirdische landen würden, und es nur dann möglich wäre sich mit ihnen in Frieden zu einigen indem nur eine Person aus unserer Mitte sich mit ihnen treffen sollte - dann müsste das Imants Ziedonis sein". Alvis Hermanis, Regisseur.
"Er hat uns in schwierigen Zeiten geholfen auszubrechen, uns aus einer finsteren Genügsamkeit gerissen, geholfen uns eine andere Welt zu schaffen." Džemma Skulme, Künstlerin.
Am 19.Oktober 1975 hatte Imants Ziedonis eine Gruppe von Literaten, Künstlern, Musikern, Naturforschern, Chemikern, Ärzten und Journalisten zusammengerufen um zu mehr Fürsorge für Bäume aufzurufen. Die "Dižkoku atbrīvošanas kustību" (zu Deutsch nur unzureichend übersetzbar als "Bewegung zur Befreiung erhabener großer Bäume") reisten herum in ganz Lettland, sammelten Informationen über verlassene, vernachlässigte Orte und schufen Gedenkstätten für die Größen der lettischen Kultur. Wie Ziedonis es selbst sagte: "Lettland ist ein wunderschönes Land - aber dem Schönen muss man helfen sich zu zeigen!"
Jāzeps Baško, einer der Teilnehmer solcher Aktionen damals, erinnert sich in der Zeitschrift "IR": "Der Lernprozeß geschah fast unmerklich. Ziedonis hörte zu, und der Kolchosvorsitzende begann nachzudenken: vielleicht bauen wir den Schweinestall doch nicht dort auf dem Berg." Und weiter: "Imants sagte immer, es gäbe nur zwei Möglichkeiten: zerstören oder verbessern. Dabei ist natürlich verbessern die schwierigere Wahl." (IR 6.3.13)
Erinnert wird auch an die Ansprache, die Ziedonis am 30.August 1988 beim Gründungskongreß der "Lettischen Volksfront" hielt. Ziedonis war gesundheitlich angeschlagen, eine Herzoperation stand bevor. Aber es war erstmals die Chance, dass alle damals gesellschaftlich tätigen und wichtigen Persönlichkeiten in einem Saal zusammenkamen - etwas, was lange niemand für möglich gehalten hatte. Von Sowjetfunktionären über eigensinnige Individualisten, von Gründern der "Helsinki86"Gruppe bis zum frisch gegründeten Umweltschutzklub, von Mitgliedern der Kommunistischen Partei über anerkannte sowjetlettische Volkskünstlern bis in zu solchen, die kurz davor noch aus politischen Gründen im Gefängnis gesessen hatten. Ziedonis redete nur kurz: "Von nun an beginnt eine neue Zeit!". Alles war gesagt, kurz darauf verließ er die Versammlung. Seine Aura, seine persönliche Ausstrahlung aber wirkte auf alle.
Ziedonis war am 3.Mai 1933 in Ragaciems geboren worden, als mittleres Kind mit zwei Schwestern, Daila und Anita. Seine Eltern und auch die Großeltern waren Fischer. Er schloß die Mittelschule in Tukums ab, studierte Philologie als Fernstudium an der Fakultät für Geschichte und Philosophie sowie Literatur am Gorki Institut für Weltliteratur in Moskau.
Später war er einer der Gründer der Kulturstiftung Lettlands und deren erster Vorsitzender in den Jahren 1987-1993. Als Kandidat der lettischen Volksfront (LTF) wurde er 1990 in den Obersten Sowjet gewählt und stimmte dort am 4.Mai für die Erklärung zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit Lettlands.
Die erste von insgesamt 16.Gedichtsammlungen erschien 1961 mit dem Titel ""Zemes un sapņu smilts" ("Sand der Erde und der Träume"). Manche sagen heute: "Wenn er nicht schon früh gesundheitliche Probleme gehabt hätte, wäre er Landwirt geworden!" Den Vater in der Verbannung in Sibirien wissend, musste Ziedonis schon als Kind hart arbeiten, er bekam Tuberkulose. Später kamen die Operation am Herzen und ein Schlaganfall dazu. Vielleicht hing sein existenzialistisches Lebensgefühl mit den andauerenden gesundheitlichen Problemen zusammen, sagen manche.
Imants Ziedonis starb am 27.Februar 2013. Im Kulturleben Lettlands aber ist er weiterhin überall gegenwärtig: noch im Kontakt mit Ziedonis wurde die Stiftung "Viegli" gegründet, die ihr Konzept schon im Namen führt ("leicht, einfach"); die Gründer um Musiker wie Renārs Kaupers (Prāta Vētra/ Brainstorm), Māra Upmane-Holšteina (Astro'n'out), und Goran Gora veranstalten bei Tee und Gitarrenmusik Seminare für junge Nachwuchs-Autorinnen und Autoren. Sarmīte Ēlerte, die über einen langen Zeitraum mit Ziedonis zusammengearbeitet hat sagt: er ist der einzige unserer großen geistigen Köpfe der Gegenwart der auch junge Künstler inspiriert. Renārs Kaupers komponiert mit Texten von Ziedonis. Komponist Kārlis Lācis nannte sein neues Album "Ziedonis. Lācis. Sievietes" (Ziedonis, der Bär, die Frauen). Im Jungen Theater in Riga ist eine der bestbesuchten Aufführungen ein Stück mit dem Titel "Ziedonis un Visums" ("Ziedonis und das Weltall"), mit Kaspars Znotiņš in der Hauptrolle als "Ziedonis". Allein 464 Lieder mit Texten von Ziedonis sind offiziell registriert - da kann vieles gesungen werden, und Lettinnen und Letten singen gern!
Vielleicht wird es also zum gefügelten Wort in Lettland werden: "wie ein Ziedonis zu sein" - obwohl ziemlich sicher ist, dass es keinen Gleichen je geben wird.
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