Lange Zeit war das am besten eingeführte Werbeprogramm für die einheimische Landwirtschaft die "Schulmilch" - die staatlich subventionierte Ausgabe verbilligter Milch an Schülerinnen und Schüler derjenigen Schulen, die eine Teilnahme an diesem Programm beantragt hatten. 30 Santīmi Unterstützung pro Liter Milch war dem lettischen Staat das wert, Unterstützung der EU eingerechnet sogar 43 Santīmi (ca. 62 EuroCent). So sollte die einheimische Landwirtschaft gestärkt werden. In vielen Grundschulklassen konnte sogar kostenlos Milch ausgegeben werden.
Wie aber schon die Latvijas Avize am 3.Januar 2008 zu berichten wusste, fehlt inzwischen für derartige Marketingunterstützung das Geld. 2007 ist, auch aufgrund der hohen Inflation (durchschnittlich 15%), der Milchpreis um nicht weniger als 50% gestiegen. Die Leiterin eines Kindergartens erzählte in derselben Ausgabe, heute werden von den Molkereien Vorauszahlungen in Höhe von 4000 Lat (6000 Euro) verlangt, wo man früher 20 Liter Milch täglich staatlich subventioniert habe erhalten können. Für 2007 galt: 507 Bildungseinrichtungen erhielten Lieferungen im Rahmen des Schulmilch-Programms, 734 Anträge auf insgesamt 164.081,07 Lat (ca. 250.000 Euro) EU-Unterstützung wurden gestellt, dazu kommen 706 Anträge auf Bewilligung von insgesamt 396.496,78 Lat (ca. 600.000 Euro) staatlicher lettischer Fördergelder (LA 3.2.08).Nur einige Wochen später offenbaren sich noch größere Probleme. "Wir sind nicht dazu da, den Reichtum der Reichen zu vermehren, während wir selbst in Armut leben," eine derartige Forderung von Bauern aus dem nordlettischen Limbaži ist am 12.April bei TVNet zu lesen. Milch könne nicht unter dem Selbstkostenpreis der Erzeuger verkauft werden - diese Forderungen klingen ganz ähnlich wie die ihrer Bauernkollegen in Deutschland. Es kursieren bereits verschiedene Ideen für plakative Aktionsformen: einen Milchkanal vor dem Landwirtschaftsministerium anlegen, Hungerstreik, Blockade großer Einkaufszentren.
Verglichen mit den Verkaufspreisen im Februar 2008 lag der Preis, den die lettischen Bauern für ihre Milch bekommen, um 6 - 8 Santīmi niedriger. Für Mai wird ein weiterer Preisverfall befürchtet. Die Bauern klagen dabei auch Versprechungen lettischer Politiker ein, die landwirtschaftliche Subventionen in Höhe von 2,5% des gesamten Staatshaushalts zugesagt hatten - für Einhaltung dieser Zusagen wollen einige sogar vors lettische Verfassungsgericht ziehen. Im Laden ist dagegen ein Liter Milch kaum unter 50 Santīmi zu bekommen.
Mit den deutschen Bauern wollen sich die Letten dennoch nicht vergleichen lassen. Landwirt Jānis Lūsis erzählt bei TVNet (12.4.): "Ich habe mit Bekannten in Hessen telefoniert. Uns wird ja in den Medien immer erzählt, der Preisverfall habe mit dem Weltmarkt zu tun. In Hessen bekommen die Bauern nur 40 Cent (28 Santīmi). Aber keiner hat uns doch bisher erzählt, dass dort die Kosten pro Hektar bei 250 Lat liegen! Ich habe es nachgerechnet: wenn die Deutschen nur 22 Santīmi pro Liter bekämen, dann würde die Milch dort im Laden für 34 Santīmi erhältlich sein!"
Damit kommen die Bauern in ihrem Ärger zu einem hausgemachten lettischen Problem. Die meisten Molkereien seien nicht im Besitz der Bauern selbst, sondern in der Hand von einzelnen Privatpersonen. Wenn Regierungschef Godmanis also ankündige, die Milchverarbeiter zu unterstützen, dann sei das der falsche Weg. Teilweise wird die geringe Auslastung von nur 30% beklagt, dann auch wieder undurchsichtige Vorgänge beim Verkauf von Molkereien.
Dabei scheinen auch die verschiedenen lettischen Bezirke nicht einheitlich vorzugehen. An der einen Stelle werden große Käsereien mit EU-Geldern gebaut, an der anderen Stelle seien Betriebe nicht ausgelastet, beklagen die Bauern. Mit Bitterkeit registrieren die lettischen Landwirte auch Äußerungen von Ministern wie Ainars Šlesers, das Landleben als "von gestern" einstufe, also gar nicht mehr unterstützen will. Noch aber haben die Bauern den Mut nicht verloren: "Wenn die Regierung letztes Jahr durch eine 'Regenschirmrevolution' erschüttert werden konnte, dann schaffen wir das auch!"Schon heute, während der Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft, Umwelt und Regionalpolitik, soll es möglicherweise Protestaktionen der lettischen Bauern geben. Die Ausschussvorsitzende Anna Seile äusserte derweil ihre Hoffnung, die Situation auch der Kleinbauern verbessern helfen zu können - "falls nur nicht alle auf einmal Strauße züchten wollen." (LETA) Der Ausschuss beriet auch über den Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf Milchprodukte möglicherweise zu senken. Da 50% der gegenwärtig in Lettland erzeugten Milch aber exportiert wird, ist auch eine Exporthilfe im Gespräch - genau das Mittel, was international vielfach als Ursache vieler Übel angesehen wird. Das Landwirtschaftsministerium hat bereits jetzt zusätzliche Mittel in Höhe von 2,5 Millionen Lat zugesagt.
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