Die Stadt Riga hat beschlossen, am 9. Mai die Versammlung der Veteranen des Zweiten Weltkrieges am Befreiungsdenkmal zuzulassen, nicht jedoch einen Umzug vom Denkmal der roten Schützen zum Veranstaltungsort.
Das Ende der 80er Jahre errichtete Denkmal der Befreiung befindet sich etwa einen Kilometer hinter der Brücke über die Daugava in einem Park. Es wurde zum Gedenken der Befreiung vom Faschismus errichtet. Hier treffen sich Veteranen des Zweiten Weltkrieges alljährlich am 9. Mai, dem Tag, an dem die Russen des Kriegsendes gedenken. Das Denkmal der roten Schützen befindet sich am Rande der Altstadt gleich jenseits derselben Brücke. Es wurde in den 60er Jahren zur Erinnerung an die Einheiten lettischer Nationalität errichtet, die sich während der Oktoberrevolution auf die Seite der Bolschewisten gestellt hatten.
Oberbürgermeister Jānis Birks hätte die Versammlung auch gerne verboten. Es sei ein Leichtes für linksorientierte Provokateure, ähnlich wie am 13. Januar Ausschreitungen zu organisieren.
Riga tut sich, freilich ausgenommen der Sängerfeste, seit langem schwer mit Massenveranstaltungen unter freiem Himmel. Zugegeben, alle anderen Veranstaltungen sind jeweils geeignet, Proteste von Gegnern hervorzurufen.
So ist der 9. Mai für die Letten nicht nur der Tag des Kriegsendes, wie Ex-Präsidentin Vaira Vīķe-Freiberga einmal sagte, sondern selbstverständlich auch Symbol der ein halbes Jahrhundert währenden Okkupation. Der 16. März ist darum so etwas wie der komplementäre Anlaß. An diesem Tag treffen sich die Veteranen der Waffen-SS lettischer Nationalität.
Diese Demonstration wird nicht überraschend vor allem bei deutschen Beobachtern kritisiert. Unter lettischen wie deutschen Historikern ist noch immer nicht unumstritten, wie freiwillig die Beteiligung von ethnischen Letten an der Waffen-SS war. Sicher ist, daß viele Letten den Einmarsch der Wehrmacht 1941 als Befreiung von der sowjetischen Besatzung erlebten. Während diese Letten nach Sibirien deportierten, ermordeten die Nationalsozialisten vorwiegend die Juden. Es ist deshalb wenig verwunderlich, wenn viele junge Männer damals die Nationalsozialisten gegenüber den Sowjets als das kleinere Übel betrachteten.
Aber jenseits dieser Frage erklärt sich die Problematik der Veranstaltung auch durch den Umstand, daß die eigentlichen Veteranen längst verstorben sind und heute vorwiegend jüngere Rechtsextreme an diesem Tag marschieren.
Ein weiterer umstrittener Anlaß ist die Homosexuellenparade Pride, die seit 2005 zwar jährlich, jedoch nicht immer am selben Datum stattfindet. Gemeinsam mit den beiden anderen Gelegenheiten ist ihr der hohe Grad von Ablehnung durch einen Teil der Bevölkerung. Die Parade könnte ohne Polizeischutz nicht stattfinden.
Und weil diese Kundgebungen alle Gegner haben und ein Teil der Bevölkerung sich provoziert fühlt, wird regelmäßig über Verbote diskutiert, wofür es unter Politikern jeweils hinreichend Befürworter gibt. Ministerpräsident Ivars Godmanis hatte im Januar sogar verlangt, daß künftig nicht wieder Demonstrationen in der Altstadt genehmigt werden dürften, da eine Absicherung in den schmalen Altstadtgassen zu schwierig sei.
Die politische Elite Lettlands ist damit ein Spiegel der Gesellschaft. Was nicht gefällt, Auseinandersetzung mit einem Thema verlangte und Anstrengungen zur Garantie der freier Meinungsäußerung wie auch der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung, dafür wird eben gerne ein Verbot verlangt.
Es ist daher ein Fortschritt, daß trotz aller Widerstände, die bis hin zu richterlichen Verfügungen gingen, alle genannten, umstrittenen Veranstaltungen stattfinden konnten und die Sicherheitsorgane ihre Arbeit weitgehend erfolgreich erledigten. Gewiß, am 13. Januar kam es zu Sachbeschädigungen und ein Alkoholgeschäft von Latvijas Balzams wurde geplündert. Das aber kommt auch in den „besten“ Demokratien vor.
Es ist allerdings nachvollziehbar, daß die SS-Marschierer dieses Jahr nicht zum Freiheitsdenkmal ziehen durften. Dieses Verbot wurde auch vom Gericht nicht aufgehoben. Warum auch sollte eine Demokratie Vertretern einer, zumal radikalen und antidemokratischen politischen Couleur nicht verwehren, ein nationales Symbol für sich zu vereinnahmen?
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