Auch in Lettland gibt es offenbar eine Krise des Gastrogewerbes - aktuell zu bemerken in der Schließung von zwei der bekanntesten Restaurants der Stadt Riga: dem "Vincents", mit dem (2022 verstorbenen) lettischen Fernsehkoch Mārtiņš Rītiņš als Mitgründer, und dem "Čarlstons", in der nördlichen Innenstadt gelegen. "Schon zu Zeiten der Pandemie haben viele Steuerschulden aufgehäuft, und das ist immer noch eine schwere Last", so erklärt es Lauris Aleksejevs, Vizepräsident der Vereinigung der lettischen Restaurants (Latvijas Restorānu Biedrība LRB) (lsm)
Das "Vincents" wies aber auch auf weitere Probleme hin: "Die Steuerpolitik des Landes ist derzeit so, dass wir nicht überleben können, wenn wir ehrlich arbeiten. Darüber hinaus besteht ein erheblicher Teil unseres Kundenkontingents seit jeher aus zahlungskräftigen Touristen, die Riga derzeit aber nicht mehr als Reiseziel wählen“ (vs.lv)
Insgesamt sei die lettische Gastro-Branche mit 44 Millionen Euro verschuldet, so Aleksejevs. Eine Arbeitsgruppe des LRB ist dabei, Vorschläge zu einer Verringerung der Mehrwertsteuer auf 5% für die eigene Branche zu erarbeiten. Eine andere LRB-Arbeitsgruppe hat es da sogar noch schwerer: sie muss auf die richtige Priorität und Reihenfolge ihrer Forderungen achten. Also: zuerst die Politik so gestalten, dass weniger Fachkräfte ins Ausland abwandern. Dann bereits im Ausland befindliche lettische Fachkräfte möglichst zurückholen. Und erst danach wird dann auch die Erleichterung des Einsatz von Arbeitskräften von außerhalb der EU befürwortet.
Die Wortwahl ist wichtig: Ziel der lettischen Politik der vergangenen 30 Jahre seit 1991 war ja immer, auf keinen Fall den Massenimport von Arbeitskräften so zu betreiben, wie es zu Sowjetzeiten der Fall war. Ein Werben um Arbeitskräfte aus Russland oder Belarus schließt sich schon wegen der russischen Aggression in der Ukraine momentan sowieso aus. Wenn es nach den Restaurant-Chefs und -Chefinnen geht, soll auch die Zubereitung von im eigenen Lande erzeugten Produkten ein Markenzeichen und Qualitätsmerkmal sein und bleiben.Der Rat der Auslandsinvestoren in Lettland (FICIL) hatte in einer Stellungnahme vor einigen Wochen erklärt, das Investitionsklima in Lettland sei "das schlechteste seit sechs Jahren" (jauns). Dazu trage eine nach wie vor vorhandene Schwarzarbeit, Mängel im Bildungs- und Gesundheitswesen, wie auch Fachkräftemangel bei. Als Lösungsmöglichkeit wurde angeboten, Arbeitnehmer aus Ländern außerhalb der EU dazu zu verpflichten, in einem bestimmten Zeitraum in ihre Heimat zurückzukehren, um keine "unkontrollierte" Migration hervorzurufen. Das wäre dann so, als ob Lettland den Status von "Gastarbeitern" wiederbelebt, der in Deutschland als glücklich überwunden gilt?
Am Ende des dritten Quartals 2022 habe es in Lettland fast 26.000 offene Stellen gegeben - und im Laufe der vergangenen 10 Jahre habe sich diese Zahl verdoppelt, so analysiert das Portal "Delfi-bizness". Die Einwohnerzahl Lettlands hatte sich seit dem Jahr 2002 von damals 2,32 Millionen auf inzwischen 1,88 Millionen verringert - damit sinke auch die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter.Eigentümer des "Čarlstons" ist eine "BBQ GmbH", das Restaurant hatte 30 Angestellte. Im "Vincents" haben Prinz Charles, Elton John, Angela Merkel, George Bush und der Kaiser von Japan diniert, es verstand sich auch als Stützpfeiler der "Slow-Food"-Bewegung. Nachdem Mitgründer Rītiņš verstorben war, übernahm mit Uvis Janichenko ein Chefkoch, der zuvor in mehreren „Michelin“-Sterne-Restaurants gearbeitet hatte, unter anderem in Japan, Spanien und Schweden. "Nun aber endet hier ein ganzes Zeitalter", so kommentiert das Portal "Jauns" die Schließung.
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