15. März 2018

Eine der größten Sammlungen lettischen Kunst vor dem Aus?

Eigentlich sollte das neue lettische Museum für Gegenwartskunst längst fertig sein (Laikmetīgās mākslas muzeja LMM); Planungen gibt es seit über 10 Jahren, momentan gibt es Träume es Ende 2021 eröffnen zu können. Eine Stiftung (Latvijas Laikmetīgās mākslas muzeja fonds) sollte im Zusammenspiel mit dem lettischen Kulturministerium den Bau aus weitgehend privaten Mitteln sicherstellen. Seit ihrer Gründung im Jahr 2006 hat die Stiftung, eigenen Angaben zufolge, bereits 741.243 Euro an Mitteln für 90 andere Projekte moderner Kunst zur Verfügung gestellt (ablv).

Stadtentwicklungsträume

Das ambitionierte Bauprojekt versteht sich auch als Aufwertung eines neuen Stadtteils: eigentlich ist es "Skanste" - bisher eine Mischung aus Hafenrand, Stadtrand und Ausfallstraßen. Die Planer nennen das Gebiet zwischen Hanzas iela, Pulkveža Brieža iela, Skanstes iela und Sporta iela inzwischen lieber "Neue Hansa City".

"Das verbessern, was nicht kaputt ist" - Motto eines
ABLV-Symposiums im Jahr 2016 - das aus heutiger Sicht
nicht gerade optimistisch klingt 
Es gibt noch einen weiteren Akteur: die "Boris and Ināra Teterev Foundation", von einem Unternehmerehepaar gegründet und mit einer Repräsentantin, von der man annehmen könnte, sie habe alle Phasen der modernen lettischen Kunst fast selbst geprägt:  Kunstkritikerin, Kuratorin und Ex-Kulturministerin Helēna Demakova.

Gesammelte Kunst - nun ohne Heimat?

Nun aber plötzlich der aktuelle Skandal um die lettische ABLV-Bank. Zunächst kamen die Anschuldigungen, über diese Bank seien Geldwäsche-Geschäfte gelaufen, unter anderem mit Bezug zu Nordkorea, dann kamen Korruptionsvorwürfe dazu. Die Europäische Zentralbank gab die Bank auf, schließlich beschloss sie die Selbstauflösung. Inmitten des ganzen Hin- und Her, auch die Diskussionen um den Zustand anderer lettischer Banken - eines ist inzwischen klar: in Kürze wird es diese Bank nicht mehr geben. Neben 971 Bankangestellten bleibt auch für über 1200 Kunstwerke eine unsichere Zukunft.

Ex-Ministerin Demakova hatte 2009 ihr Amt aufgeben müssen, als die große Wirtschaftskrise losbrach. Damals konnte zwar der Neubau der Nationalbibliothek gerade noch angestossen werden, aber zwei weitere Großprojekte, der Bau eines neuen Konzertsaals, und eben die für das LMM wurden vorläufig gestoppt.
Da schien das bereits 2005 geschlossene Abkommen mit der ABLV-Bank (gegründet 1993 als "Aizkraukles-Bank") ein geradezu idealer Rettungsanker sein: die Bank versprach im Laufe von 10 Jahren 1 Million Lat (0,7 Mill. Euro) zum Aufbau einer entsprechenden Kunstsammlung zur Verfügung zu stellen. Dem entsprechend wurde seitdem ein großer Teil der bisherigen Planungen zu einem Lettischen Museum für Moderne Kunst eben durch die ABLV-Bank gestützt: große Kunst-Symposien, internationale Konferenzen, sogar die Möglichkkeit eines virtuellen Vorab-Rundgangs in einer zukünftigen Ausstellung wurde geschaffen, um die Idee anschaulicher zu machen.  Und es wurden Kunstgewerke aufgekauft und gesichert, um sie später im neuen Museum zugänglich machen zu können.

Ein Bild aus dem Jahr 2014: Unternehmer und die
ABLV-Bank versprechen alles selbst zu zahlen - da
strahlt auch Kulturministerin Melbarde (links)
Wie die Redaktion der lettischen Fernsehsendung “Kultūršoks" jetzt herausfand, wäre es völlig unklar, was mit der Bildersammlung im Falle eines Bankrotts der Bank (der so gut wie feststeht) geschieht. Etwa 400 Arbeiten sollen im Besitz des Kulturministeriums sein, Wert: 5,87 Mill. Euro. Weitere 1200 Werke für insgesamt 830.000 Euro sollen sich im Besitz der ABLV-Stiftung befinden. Die meisten der Künstlerinnen und Künstler, die Werke an die Bank verkauft haben, taten das in dem festen Glauben, damit die Sammlung des Museums zu bereichern.

Das Abkommen mit der ABLV-Bank wurde 2014 dahingehend geändert, dass nun der Museumsneubau komplett aus privaten Mitteln erfolgen solle - und nicht etwa aus Mitteln des Staates oder der Stadt Riga. Aber einer der Paragraphen sagt es klar: kein Museumsbau, keine Kunstwerke. Niemand würde es verhindern können, wenn jetzt die Kunstwerke im Sinne der Gläubiger der Bank verkauft würden.Jedenfalls ist der Bau eines Museums für Moderne Kunst in Riga derzeit unsicherer denn je.

Keine Kommentare: