Kokle spielen ist kein neuer Trend - schon ungefähr 2000 Jahre wird dieses Instrument gespielt und zählt zur Familie der "Chordophone" - der Ton wird also durch eine schwingende Saite erzeugt. Die lettische Kokle ist verwandt mit der estnischen Kannel, der litauischen Kankle, und der finnischen Kantele (siehe Museumofworldmusic). Deutsche erinnert es meist auch an eine Zither, Russen bezeichnen die Kokle auch schon mal als "frühe Balaleika" (Vorläuferin?). Herleitungen des Wortes vom russischen "kolokol" (für Glocke) können aber wohl nur denen unterlaufen, die weder finnisch, estnisch, litauisch noch lettisch können; schließlich bedeutet "koks" auf Lettisch ganz einfach Baum, oder auch Holz. Dennoch interessant, dass sogar Balalaika-Fans dieses Instrument auf die Kokle zurückführen. Wer sich für die lettische Sichtweise interessiert, wird bei Valdis Muktupāvels nachlesen. "Die aktive Kokle-Szene ist größer als gedacht," bestätigt
der Etnomusikologe, und nimmt auch noch eine andere
Einteilung vor: "Es gibt die historischen Kokles, die Konzertkokle, und
auch die elektrische Kokle". Oder, nach Saitenzahl eingeteilt: es geht von einer einfachen Kokle (mit 10 Saiten) bis zur Konzertkokle (mit 35 Saiten). Viele Klassifikationen von (Weltmusik-)instrumenten lassen sich finden, denen zufolge ein Land auch mit einem bestimmten Instrument identifiziert wird: im Falle von Lettland ist das die Kokle (siehe: "Lernhelfer").
Wer nun glaubt, Kokle spielen käme langsam irgendwie aus der Mode - denn auch die lettische Musikszene orientiert sich ja international - das Gegenteil scheint der Fall zu sein! Wie gesagt, aus Sicht der Kenner von Musikinstrumenten identifiziert sich Lettland sowieso genau über dieses Instrument. In einem Beitrag für die Zeitschrft "IR" (15.6.2016) beschreibt Andris Roze, wie eine Kokle sogar selbst hergestellt werden kann: "in den 1930iger Jahren wurde das jedem lettischen Pfadfinder empfohlen. Ich bin dazu gekommen, einfach weil mir vor 16 Jahren meine Tochter sagte, sie wolle Kokle spielen. Da sind wir zum Kokle.Meister Māris Jansons gegangen, der bei Cēsis wohnt, und haben es uns zeigen lassen. Seitdem baue ich selbst die Kokle." Während Ex-Meister Jansons inzwischen in Sibierien lebt, hat es Roze selbst übernommen, die Tradition weiterzugeben: im Rahmen von Workshops können Interessierte bei ihm lernen, sich selbst eine Kokle herzustellen. Und er weist darauf hin, dass er inzwischen nicht mehr allein ist: Ģirts Laube arbeitet in Druviena, Eduards Klints in Līgatne, Jānis Rozenbergs in Rīga, Gunārs Igaunis in Rēzekne.
"Pats savas kokles meistars", so ist hier die Devise ("Sei deiner eigenen Kokle Meister"). Nicht etwa Eichen-, Eschen- oder Ulmenholz kommt hier zum Einsatz, (zu hart!), sondern eher Fichte, Linde oder Espe. "Die Tonlage bei den Laubbaumhölzern ist weicher, samtener," meint Roze, "bei etwas festerem Holz wie Fichte oder Kiefer ist der Ton lauter, sehr klar, fast wie eine Glocke." Musikprofessor Valdis Muktupāvels kann auf einige Jahrzehnte Erfahrung mit lettischen Musiktraditionenen zurückblicken. "Auch bei uns war die Folklorebewegung schon in den 70iger, 80iger Jahren," sagt er. "1988 dann noch einmal, zum großen Festival 'Baltica'. Aber nach 1991 ging es schnell bergab. Das ist erst nach der Wirtschaftskrise, so um 2012, wiedergekommen in Lettland."
Früher war der Status der Volksmusikinstrumente erheblich eingeschränkt in Lettland, meint Muktupāvels. Experimentieren, ausprobieren, das ging nicht. Die Konzert-Kokles der Musikakademie gehörten zur Abteilung Volksmusik. Glücklicherweise sei diese Abteilung heute ganz aufgelöst. Die Kokle werde einfach zu den Saiteninstrumenten gezählt, so können auch die Komponisten heute aufatmen.In Finnland und Estland ist das schon längst so - Litauen werde auch noch folgen.
Auch im Internet gibt es verschiedene Kokle-Interessengruppen, allerdings fast alle nur in Lettisch. Nicht alle empfangen ihre interessierten Gäste so empathisch wie Rasa und Girts Laube: auf "Zelta spēles": "Wir machen Musikinstrumente, musizieren, und haben die Ehre unserem Volk die Kultur unserer Vorväter zu vermitteln. Wir empfinden das als übernationalen, kosmischen Schlüssel zum Wissen, um auf der Erde in Frieden, Freude und Glück zu sein."
Beim Folkmusiklabel "Lauska" ist auch noch das Buch zur Kokle zu haben: natürlich von Valdis Muktupāvels. Wer eine Konzertkokle sucht, zum Preis von mehreren Hundert Euro, wird vielleicht in der Werkstatt von Pēteris Putniņš fündig. Jēkabs Zariņš, genannt "piekūns" (Falke), hat auf seiner Webseite ebenfalls eine Reihe nützlicher Infos zur Kokle versammelt (auch in Englisch), dazu noch eine Liste von Adressen der lettischen Kokle-Meister, plus Tipps wie diese am besten zu kontaktieren sind. Nicht alle leben offenbar abgeschieden auf dem Lande, auch Facebook-Seiten oder Smartphones sind unter den Kokle-Spielern angekommen. Musikbeispiele finden sich auch auf Youtube oder Soundcloud,und auch einen Blog zum Koklespielen gibt es: "Kokles rullee!"
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen