27. Januar 2019

Laß es Lein sein!

Lettland war vor allem zwischen den Weltkriegen stolz auf die Erzeugnisse lettischer Landwirtschaft, die mitgeholfen haben, das eigene Land aufzubauen und ein eigenes Selbstbewußtsein zu entwickeln. So soll etwa lettische Butter in Berliner Hotels das edelste und beste gewesen sein, das dort in den Gourmetküchen Verwendung fand.

Auch der Anbau von Lein hat in Lettland durchaus seit längerem bereits Tradition. Nun wurde zum ersten Mal seit 84 Jahren in Lettland auch wieder eine neue Leinsorte gezüchtet. Diesen Erfolg reklamieren zwei Institute für sich: das Landwirtschaftliche Wissenschaftliche Institut Latgale (Latgales lauksaimniecības zinātnes centra LLZC) und das Institut für Agroressourcen und Ökonomie (Agroresursu un ekonomikas institūta AREI).

Flachs (Linum usitatissimum L.) ist eine der ältesten Kulturpflanzen Europas. Seit 1923, als der Flachsanbau Teil der lettischen Landwirtschaftspolitik wurde, haben sich aber die Anbauflächen auch in Lettland stark verringert. Die Flachssorten werden in zwei Gruppen unterteilt: entweder zur Produktion von Öl (die Samen enthalten bis zu 40%), oder zur Fasergewinnung. Zu Sowjetzeiten wurde 1970 der Anbau ganz eingestellt, 1993 im unabhängigen Lettland dann wieder aufgenommen. Zuletzt sank die Anbaufläche in Lettland allerdings allein zwischen 2005 und 2008 von 2000ha auf nur noch 600ha. Konsequenz: eine Zukunft kann es nur mit neuen Ideen geben!

Was bisher fehlte: es gab keine speziell auf lettische Wetterbedingungen abgestimmt gezüchteten Sorten. Flachsrost, ausgelöst durch Pilze, war bisher ein großes Problem.
Der Erfolg kam nun mit der Zuchsorte ‘I 18-1’, genannt "Vilani"; sie soll sowohl für die Öl- als auch Fasergewinnung geeignet sein. Sie wird mit einer Vegetationsperiode von 83 Tagen als mittelfrühe Sorte eingestuft. Die Sorte blüht weiß und gilt als dem lettischen Klima gut angepasst.

Ehrung mit Präsident:
Dr. Veneranda Stramkale, Chefwissenschaftlerin des
agrarwissenschaftlichen Instituts in Latgale
Es ist das erste Mal seit 84 Jahren, dass wieder eine lettische Sorte neu registriert werden konnte. Das lettische Landwirtschaftsministerium verlieh der Agrarwissenschaftlerin Dr. Veneranda Stramkale im Rahmen des Wettbewerbs “Sējējs 2018” einen Preis für ihr Lebenswerk. (Landwirtschaftsministerium)

Dr. Veneranda Stramkalne, die im Dezember ihrem 80.Geburtstag entgegen sieht, betreibt zusammen mit ihrem Sohn Aldis eine kleine Filiale des AREI-Instituts in Viļāni in Latgale - “Latgales lauksaimniecības zinātnes centru”. Die neue Leinsorte bedeutet also auch eine Referenz an diesen Ort. Auf 53 Arbeitsjahre in der Landwirtschaft kann Stramkalne bereits zurückblicken. "Mir wurden schon oft andere Jobs angeboten, aber ich denke, ich mache momentan genau das, was den Menschen direkt nutzen kann - ich könnte ja jedem Bauern eine Ratgeberin sein," so erzählte es die Wissenschaftlerin in einem Interview (lsm).
Nirgendwo anders ist größere Vielfalt zu finden als bei Dr. Stramkale am Ufer des Flüsschens Malta: 14 verschiedene Kulturpflanzenarten und insgesamt 102 Sorten sind hier zu finden. "Zwischen April und Oktober bin ich eigentlich immer auf dem Feld," erzählt die Forscherin, die sich auch in einer wichtigen Rolle für die Region Latgale sieht.

Bleibt noch ein Vorschlag. Der 3000-Einwohner-Ort Viļāni weist stolz eine eigene städtische Hymne aus. Dort wird bisher der "weiß blühende Faulbaum" (lett. "Ieva") besungen - es könnte ja in Zukunft auch die Leinblüte sein.

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