28. Mai 2018

Schild auf vier Rädern

lettische Auto-Reklame (wiederentdeckt vom
Oldtimerklub Köln)
Der 28. Mai vor achtzig Jahren - eine besondere Stunde für die lettische Industrie. An diesem Tag rollte der erste "Ford Vairogs Junior" aus der Werkstatt, eine Kopie des britischen "Ford Ten" (Latvijas Avīze). Zusammengebaut aus Ford-Einzelteilen, die aus Ford-Lagern aus Kopenhagen importiert wurden, erreichte das Fahrzeug 100k/h Spitzengeschwindigkeit. Der Hersteller, die Aktiengesellschaft "Vairogs"  konnte den Verkauf der ersten 300 Stück schon mit Vorverträgen sichern. Die lettische Regierung hatte 1936 alle Aktien der fast bankrotten "Fenikss" / "Phoenix" aufgekauft - so entstand "Vairogs" ("Schild"), mit 99% der Aktien in Staatsbesitz.

Im eigenen Lande gebaute Automobile! Stolz vorgezeigt, und von der Herstellerwerbung besonders für die damalige lettische "Mittelschicht" empfohlen; in der Presse war zu lesen, dieser Wagen sei besonders geeignete sei für Anwälte, Ärzte und Staatsbeamte - erhältlich auch auf Ratenzahlung. Der lettische Präsident Karlis Ulmanis allerdings bevorzugte einen Cadillac als Dienstwagen.

Ein Luxusmodell des "Ford Vairogs" (Motormuzejs)
Die lettische Auto-Produktion war möglich geworden durch Zollerleichterung für die Ford-Einzelteile. In den 1930iger Jahren sah Lettlands Reaktion auf die Wirtschaftskrise so aus: Protektionismus und hohe Zollschranken für einheimische Branchen. Fertigprodukte aus dem Ausland wurden mit hohen Einfuhrzöllen belegt, aber in diesem Fall waren die einzelnen Teile in Lettland montiert.

Zwischen 1937 und 1940 produzierte Ford in Lettland vier verschiedene Modelle (siehe Wikipedia), dazu noch Lastwagen und Busse. Alles per sogenannter "CKD-Fertigung".Zu seiner Zeit war "Vairogs" der größte Automobilproduzent in den baltischen Staaten.

Mit der Machtübernahme der Sowjets in Lettland kam 1940 das Ende für die Automobilproduktion - die Firma stellte fortan Munition für die Rote Armee her. Nur noch wenige "Vairogs"-Exemplare sind heute noch erhalten - der sicherste Ort, wo wenigstens zwei von ihnen heute noch zu sehen sind, ist das "Motormuzejs Riga". Auch bei der Feuerwehr Jelgava soll sich noch ein altes "Vairogs"-Rettungsfahrzeug befinden (skaties) - vielleicht ist es derjenige, den Tourist Vil Muhametshin offenbar zufällig mal in Riga fotografiert hat.

Ein Sammelstück - Fundsache
bei Ebay
Auch deutsche Oldtimer-Liebhaber sammeln wieder Informationen zum lettischen "Vairogs"-Modell (siehe Oldtimer-Klub Köln). Dort lassen sich auch Hinweise finden darauf, dass der "Vairogs" später auch zum Kübelwagen fürs lettische Militär umgebaut wurde.Auch weitere Details sind hier zusammengetragen: 30 Arbeiter sollen in Lettland beim Bau des "Vairogs eingesetzt gewesen sein, die Polster für das Auto sollen dabei aus einheimischer Fertigung gestammt haben. Interessant auch der Hinweis, dass während der Besetzung Lettlands durch die Nazis die Flick-Familie im Rigaschen Werk das Sagen bekam.

Nach der Besetzung Lettlands durch die Rote Armee wurde aus dem Werk zur Fabrikationsstätte von Eisenbahnwaggons ("Rīgas vagonbūves rūpnīca RVR"), eine der größten seiner Art in der UdSSR. Die Waggons wurden zu Spitzenzeiten bis nach Kuba exportiert, und auch das bullige Straßenbahnmodell RVR6 wurde hier gebaut. 1991 wurde RVR privatisiert, 1993 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. In den Jahren darauf wurden noch Bestellungen für Belorus und die Ukraine ausgeführt, sowie Reparaturaufträge durchgeführt. Nach mehreren Eigentümerwechseln, dem Einstieg und Ausstieg von Investoren gilt RVR seit 2017 als zahlungsunfähig. Zur Zeit wird das verbliebene Firmeneigentum bereits meistbietend versteigert (Delfi)

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