17. Mai 2018

Letzte Bühne

Wenn in der ersten Juliwoche 2018 das Allgemeine Lettische Sängerfest (zum 26.mal) und das Lettische Tanzfest (zum 16.mal) stattfindet, wird das Programm teilweise mitten in große Umbauarbeiten eingebettet. Die gesamte Anlage im "Mežaparks" (Waldpark) in Riga wird bis zur geplanten Fertigstellung im Jahr 2021 in zwei Schritten erweitert und teilweise völlig erneuert - Schritt eins wird vor dem diesjährigen Sängerfest abgeschlossen, Schritt zwei wird dann folgen. Vor allem eines wird sich dann für die nächsten kulturellen Großereignisse ändern: die Tribüne, von der aus Sängerinnen und Sänger bisher sich aufgestellt und ihre Lieder dargeboten hatten, wird völlig abgebaut und neu erstellt.

Bis 2021 werden die Änderungen dann so aussehen:
- mit 30.000 Sitzplätzen werden es 8.000 mehr als bisher sein
- die neue Bühne wird Platz für 11.000 Menschen bieten, 5300 mehr als bisher (bei Sängerfesten sogar für bis zu 14.000 Personen)
- bei Veranstaltungen ohne Sitzplätze wird es Platz für 70.000 Menschen geben, 25.000 mehr als bisher
Vor und nach den Sängerfest-
Feierlichkeiten: vor allem Bauarbeiten
- neue Toilettenanlagen, bessere Anfahrtswege, klar ausgewiesene unterirdische Bereiche für Händler strukturieren den Servicebereich völlig neu
- es wird einen unterirdischen Bereich geben, der auch im Winter nutzbar sein wird als Konferenz- und Ausstellungsraum

Beim Bau des neuen lettischen Gesangstempels helfen übrigens auch Akustikexperten aus Deutschland mit -  der "Müller BBM GmbH" aus Hamburg, die einige Jahre zuvor auch bereits beim Bau der neuen Konzerthalle in Liepāja (Lielais Dzintars) dabei waren. Andris Zabrauskis, als Dozent der Technischen Universität Riga ebenfalls auf Akustik spezialisiert und das Projekt wissenschaftlich begleitend, schaut voraus: "Wir wollen eine der modernsten Frewileichtbühnen für Chöre in der ganzen Welt schaffen. So werden wir zum Beispiel auf dem Dach eine spezielle Membran anbringen, welche Sängerinnen und Sänger vor akustischen Einflüssen von Regen oder Wind schützen wird." (TVNet) Ein weiteres Zugeständnis an die Akustik ist es, dass die Zuschauerbänke auch in Zukunft keine Rückenlehnen haben werden.

Der lettische Architekt Austris Mailītis präsentiert
seinen Bühnenentwurf: "einen gläsernen Hügel ersteigen"
Im Jahr 1873 waren es 1003 Sängerinnen und Sänger, die sich zum ersten Lettischen Sängerfest trafen. In Riga fanden die ersten Sängerfeste im früheren "Kaisergarten" (Ķeizardārzs) statt (heute "Viesturdārzs), der 1973, zum 100.Jubiläum, auch schon mal "Sängerfestpark" hieß. 1955 wurde die Große Bühne (Liela estrāde) im Mežaparks fertig gestellt. Vorgesehen war die Bühne damals für 7000 Sänger/innen, oder 100 Tanzpaare, dazu 35.000 Zuschauern (die vielfach ja auch zu Mitsänger/innen werden - wer es je live erlebt hat).

Das 2007 aus einem Ideenwettbewerb hervorgegangene Restaurierungsprojekt der beiden Architekten Juris Poga und Austris Mailītis "Sidraba birzs stikla kalnā" (Silberhain auf dem gläsernen Berg) bezieht sich in seinem Titel auf lettische Volkssagen, und soll auch die Hoffnung ausdrücken, die neue Anlage möge im Einlang mit der Natur der Umgebung stehen. Wie Blätter eines Waldes möge die Bühne die SängerInnen umgeben, so drückt es der erst 33 Jahre alte Mailītis aus, dessen steile Karriere auch die lettische Presse verwundert (Jauns.lv). Interessant auch, dass er sich von "Apeirons" beraten ließ, einer lettischen NGO die sich für Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen einsetzt (delfi.lv).

Die Finanzierung des Projektes war auf 45 Millionen Euro geschätzt worden (davon 18 Mill. für den ersten Bauabschnitt). Mit der Baudurchführung sind "Re&Re" und "LNK Industries" beauftragt - die nicht einmal die günstigen Baukosten versprechen mussten, denn der Rigaer Stadtrat sah den lettischen Ableger der finnisch-estnische Firma "Lemminkainen", die ebenfalls ein Angebot abgegeben hatte, als zu unerfahren für die Durchführung an (lsm). Und, wie so oft mit Baukosten, die geplanten Summen lassen sich nicht einhalten: 26,7 Millionen Euro wird wohl der erste Bauabschnitt letztendlich kosten, aber niemand möchte sich beim den Endbetrag des zweiten Abschnitts festlegen.

Sängers heilige Wandelhallen - architektonische Träume,
die in Riga erschaffen werden
Der 4.Mai 2021 wird nach dem 100.Staatsjubiläum unser nächster großer kultureller Feiertag sein - so drücken es vor allem die Bauverantwortlichen im Hinblick auf das Eröffnungsdatum aus. Allerdings wird 2023 wohl ebenfalls ein großer Feiertag sein - das 150.jährige Bestehen dieser nun als "typisch lettisch" angesehenen Sängerfeste. Einzig die zukünftigen Eintrittspreise sind noch nicht klar: war es früher mal Ehrensache, massenhaft Tickets für Freund/innen und Bekannte im voraus zu reservieren, sind die Zugangsmöglichkeiten heute knapper geworden - besonders für die "bezahlbaren" Tickets. Da bleibt die Hoffnung, dass auch in Zukunft die Teilnahme an den Sängerfestaufführungen keine elitäre Angelegenheit wird. Dennoch: heute heißt es erstmal "auf zum Großen Sängerfest!" Die Demontage der bisherigen Bühne wird bereits am 20.August 2018 beginnen.

Keine Kommentare: