Bei den Rettungsmaßnahmen kamen auch drei Feuerwehrleute ums Leben (siehe lettischer Rettungsdienst VUGD, auch Bericht bei "IR").
Die Tragödie um den eingestürzten Maxima-Markt muss schon jetzt als die schlimmste in Lettland seit Wiedererlangung der Unabhängigkeit bezeichnet werden. In lettischen Medien sind heute Vergleiche mit dem Untergang der "Estonia" im Jahr 1993 zu lesen, denn unter den insgesamt 852 Opfern waren damals auch 23 lettische Staatsbürger, nur 6 konnten lebend gerettet werden konnten. Eine andere böse Erinnerung wird wachgerufen an den 23.Februar 2007, als ein Brand aufgrund defekter Elektroleitungen mitten im Winter 26 alten Menschen im Heim "Reģi" in Alsunga (Bezirk Kuldiga) den Tod brachte.
So sah das Unglücksgebäude des 21.November 2013 aus der Sicht der Projektplaner aus |
"Leistungsbilanz" bei MAXIMA: immer mehr "Hyper-Märkte" |
Die Begründung des Supermarkt-Baubooms nimmt Maxima-Konkurrent RIMI für sich in Anspruch: 1997 eröffnete auf dem Gelände des DOLE-Markts der erste RIMI-Lebensmittelladen, so ist auf der Firmenwebseite zu lesen, und damit sei die Tradition der "Lielveikals" in Lettland begründet worden. MAXIMA, 1992 in Vilnius gegründet, gilt heute mit seinen 500 Verkaufsstellen (141 in Lettland) als die größte Supermarktkette der baltischen Region, mit Niederlassungen auch in Bulgarien. Gemäß firmeneigenen Statistiken besuchen 287.000 Kunden jeden Tag einen der MAXIMA-Märkte. Der MAXIMA-Umsatz in Lettland stieg 2012 gegenüber dem Vorjahr um 11,5% auf über 2 Milliarden Litas (vor Steuern), also etwa 580 Millionen Euro. Insgesamt 29.500 Angestellte sorgen für den Service in den MAXIMA-Märkten. Der eingestürzte Markt in Riga-Zolitūdē war 500qm groß und gehörte der MAXIMA-XX-Kategorie an.
Der Einkaufsmarkt in der Priedaines iela 20: bisher Objekts des Eigenlobs bei der Baufirma RE&RE und der Homburg-UnternehmensGruppe |
Nach einem Bericht der Zeitung "Dienas Bizness" wurden die Bauarbeiten an dem nun vom Einsturz betroffenen Markt im November 2011 beendet. Danach wird das Haus von der "Homburg"-Unternehmensgruppe betrieben und zusammen mit dem Baukonzern "RE&RE" gebaut und am 3.11.2011 eröffnet, mit dem Maxima-Markt als "Ankermieter". Die Suche nach Schuldigen wird sich also nicht auf den Maxima-Konzern allein beschränken können und dürfen. Damals, mitten in der Wirtschaftskrise, ließen sich die Bauverantwortlichen als Retter von Arbeitsplätzen feiern: "Die Homburg-Gruppe ist die einzige, die momentan überhaupt etwas baut!" so sagte es RE&RE-Generaldirketor Didzis Putniņš damals (siehe riga24.lv). "SNC–Lavalin Homburg Property Management" ließ sich erst Anfang 2012 im Bereich des Gebäudemanagements in Lettland registrieren (siehe db.lv)
Aktuellen lettischen Zeitungsmeldungen zufolge überließ die "Homburg"-Investitionsgesellschaft nach Fertigstellung des Maxima-Marktes die Bewirtschaftung einer erst im April 2012 neu gegründeten Firma namens "TINEO" - einer als SIA in Lettland registrierten "Gesellschaft mit beschränkter Haftung" (eine fast zynische Feststellung in diesem Zusammenhang). "Homburg" beschränkte sich fortan auf das benachbarte Wohnhaus, während über "TINEO" nachzulesen ist, dass sie sich als "Offshore" vollständig im Besitz einer auf Zypern registrierten Investitionsgesellschaft befinden soll; als alleiniger Vertretungsberechtigter ist ein litauischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Vilnius angegeben: Robertas Vyšniauskas (siehe lanida.lv). Ein maximal effektives Abschieben von Verantwortung, wie es scheint.
Eigentümer von "TINEO" - und damit auch dem betreffenden MAXIMA-Markt, soll Nerijus Numavičius sein, laut "Baltic Business News" der "reichste Geschäftsmann Litauens", dem Hauptanteilseigner an "Vilniaus Prekyba" und damit auch am Maxima-Konzern.
Inzwischen wurde ebenfalls bekannt, dass bereits um 16.20 Uhr des Unglückstags, also knapp zwei Stunden vor dem Dacheinsturz, es einen Feueralarm im Gebäude gegeben habe. Gegenwärtig wird noch untersucht ob dies einen Zusammenhang mit der Einsturzursache hat. Das Wachpersonal hatte zunächst einen Feueralarm vermutet und das Gebäude und das Kellergeschoß entsprechend abgesucht; als nichts gefunden wurde, war das Gebäude wieder freigegeben worden.
Werbesprüche der"SNC Lavalin": Günstiges Outsourcing von Arbeitskräften und ein neues Zauberwort: "redeployment" ... |
Wer plant und entwirft also eigentlich die vielen schönen neuen "Paradiese" in Lettland? Ist es ein Lebenmittel-Konzern, der auf Eröffnungstermine und schickes, ausgefallenes und auffälliges Design drängt? Oder sind es Baukonzerne, Geldanlage- und Betreiberfirmen, die für die Investoren aus dem Ausland "kostensparendes Management" und "Umgruppierung der Angestellten" anbietet? Oder doch ein Einzelfall, mit allzu extravaganten Plänen auf dem Dach? Vielleicht wird - bei allem Unglück für die vielen Toten und Verletzten - manches davon jetzt doch deutlicher zu Tage treten. Wie man so schön sagt: "Muss denn erst etwas passieren ...?"
12 Kommentare:
Tragisch, tragisch, tragisch. Wie es scheint wurden Fehler nicht nur bei den Bau- und Konstruktionsfirmen gemacht, sondern zu viele Hände haben sich darin bewegt. Da wollte sich doch jeder noch etwas nebenbei verdienen. Reinwaschen können sie sich alle nicht, auch die Maxi-Firma nicht. Wenn auch ein Alarm losgeht, muss vor der Evakuierung noch schnell an der Kasse bezahlt werden. Das Alarmsystem ist so wertvoll wie ein Autoalarm - niemand nimmt heute noch Notiz davon. Die Sensibilisierung fehlt total. Vielleicht wird auch der Staat nun endlich gescheitere Gesetze im Lettischen-Bauwesen machen. Man darf gespannt sein, wieviele Jahre es dauern wird, bis ein Gerichts die Schuldfrage klären wird.
In der Zwischenzeit haben sich die Verdachte verhärtet, dass die Fa. die den Supermarktteil gebaut hat, eine Tochterfirma von Maxima ist (bis 2012 war Maxima auch Hauptanteilseigner). Schreiben litauische Quellen (Maxima/ VP Market ist ein litauischer Konzern) in Bezug auf tvnet.lv und focus.lv http://www.lrytas.lt/pasaulis/tragedija-rygoje/sugriuves-pastatas-priklause-maxima-grupei-atnaujinta-17-val-44-min.htm
genau, wie im Text bereits ergänzt: sie haben 2012 eine Firma gegründet die für die Bewirtschaftung des Marktes zuständig sein sollte. Und ausführende Firma wieder jemand anderes. Verantwortlich am Ende aber doch wieder ein litauischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Vilnius - also alles intern miteinander verflochten.
Aber das klärt ja noch nicht die Frage nach der Schuld für den Einsturz. Ich befürchte fast, hinterher soll es wieder ein Einzelner gewesen sein, und alle anderen waschen sich in Unschuld ...
EINE Frage, ist wie sehr hier die nationale Karte gespielt wird, ob jetzt Litauer oder Letten (Bauaufsicht?) Schuld sind.
Oder ob es hier um undurchsichtige Strukturen geht, die in der Weltwirtschaft sich immer weiter verbreiten.
Ich persönlich meine, dass mit ihrem kalten Kapitalismus die Balten im negativen Sinne weiter "fortgeschritten" als die Deutschen sind, aber dass sie das nicht sehen und es am Ende auf die nationale Frage rausläuft - geh' zu RIMI (obwohl die keinen Deut besser sind), denn die Litauer von MAXIMA haben unsere Leute umgebracht.
Bisher habe ich in den lettischen Internetportalen nichts gegen Litauer gelesen. Wohl aber ein spontanes "ich geh jetzt nicht mehr zu Maxima".
Das Unternehmen "SIA RE&RE" ist das Eigentum von Egils Bērzups, Didzis Putniņš, Ainārs Pauniņš und Marģers Bitmetis, die unter Anderem auch gute Bekannte vom Oberbürgermeister von Riga sind. "SIA RE&RE" hat nicht nur den Supermarkt "Maxima", sondern auch, das im Jahr 2012 eingestürzte Einkaufszentrum "Alfa" gebaut. Es wäre doch spätestens jetzt angemessen, andere Gebäude, welche diese Firma fertig gestellt hat, auf Stabilität zu überprüfen.
Das Unternehmen "SIA RE&RE" ist das Eigentum von Egils Berzups, Didzis Putninsh, Ainars Pauninsh und Margers Bitmetis, die unter Anderem auch gute Bekannte vom Oberbürgermeister von Riga sind. "SIA RE&RE" hat nicht nur den Supermarkt "Maxima", sondern auch, das im Jahr 2012 eingestürzte Einkaufszentrum "Alfa" gebaut. Es wäre doch spätestens jetzt angemessen, andere Gebäude, welche diese Firma fertig gestellt hat, auf Stabilität zu überprüfen.
Auf russisch-sprachigen Seiten werden Fragen gestellt, warum keine Hilfe aus Russland angefordert worden ist. Die Rettungsmannschaten aus Pskov haben Ausrüstung und Erfahrung, die den katastrophenunerfahrenen Letten fehlen. Sie waren angeblich auch startklar, aber niemand rief sie.
Ich hab' ja schon viel theoretisch über Korruption in Lettland gehört. Aber das ich mal ein handfestes praktisches Beispiel ...
P.S.: Ich wundere mich nicht, warum Letten keine Hilfe aus Russland anfordern. Irgendwie wollte auch Putin keine Hilfe im Fall "Kursk" ...
Nur Frage möglicher Hilfe aus Russland: zum einen war der lettische Außenminister gerade am Tag des Unglücks in Moskau, wo verschiedene Kooperationsabkommen unterzeichnet wurden (http://www.mfa.gov.lv/en/news/press-releases/2013/november/22-3/)
zum anderen gab es eine große Zahl von Hilfeangeboten aus dem Ausland - die sich in einer Pressemeldung zunächst einmal nur aufgezählt wiederfinden:
http://www.mfa.gov.lv/en/news/press-releases/2013/november/25-12/
Es gibt übrigens Vorschläge, zur Untersuchung der Unglücksursachen eine öffentliche Kommission einzuberufen, zu der auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen gehören sollen, dazu Fachleute aus dem Ausland. Es gibt Umfragen dazu, wer zu dieser Kommission gehören soll - hier werden durchaus schon mal deutsche oder norwegische Experten gewünscht, aber "Beratung" aus Russland, deren Qualität meint man (verständlicherweise?) sowieso jeden Tag zu spüren.
Was in der Pressemeldung des Außenministeriums nicht so herausgestellt wurde: auch Putin selbst hat sein Beileid ausgedrückt und Hilfe angeboten (http://www.delfi.lv/news/world/other/maxima-tragedija-putins-izsaka-lidzjutibu-latvijai.d?id=43839906)
Wenn ich mal die Leser-Reaktionen darauf nehme, dann reichen sie von "diese Kathastrophe lässt keinen kalt" und "danke für das Mitgefühl" bis zu Hinweisen auf das russische Portal "rambler.ru", wo offenbar eher unschöne Kommentare zum Geschehen zu lesen sind.
Hinzuzufügen wäre, dass unter den Unglücksopfern auch zwei russische Staatsbürger sind.
Beim Lesen der Internet-Kommentare fällt mir außerdem auf, dass manche offenbar die "Einkaufsparadiese" als Symbole dafür ansehen, dass die EU Lettland "ausraubt" ...
@Frankas: Das ist wohl der dümmste Kommentar, den man abgeben kann: Weil Putin keine Hilfe aus dem Ausland für die Bergung von Kursk angefordert hat (was so auch nicht stimmt, denn Norwegen und England haben Teams vor Ort gehabt), schlagen wir Angebot von Russland aus mit erfahrenen Teams und verfügbaren Technik und Spürhunden (ein Spürhund ist was anderes als ein Polizeihund mit denen die Letten angerückt sind), zu helfen und Leben zu retten.
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