Kein Tag vergeht momentan ohne merkwürdige Neuigkeiten. Dass Premier Kalvitis weitermachen will, "zur Not auch ohne Minister" - dass scheint kein Wunder, denn eine andere Wahl bleibt ihm nach den zwei Ministerrücktritten und den massenhaften Demonstrationen der vergangenen Woche kaum.
Morgen (Dienstag) wird es im lettischen Parlament (Saiema) morgens um 9.00 Uhr eine Abstimmung über ein gegen Kalvitis gerichtetes Mißtrauensvotum geben. Beantragt haben dies die drei Oppositionsparteien Jaunais Laiks (JL), Saskanas Centrs (SC) und PVTCL. Die an der regierenden Koalition beteiligten Abgeordneten der Tevzemei ("für Vaterland und Freiheit") geben schon vorab bekannt, dagegen stimmen zu wollen, da im Erfolgfall eine neue Regierung unter Beteiligung der links-zentristischen SC zu befürchten sei. Also, die Devise: bloß keine Kooperation mit irgendwelchen Linken, herrsche auch soviel Korruption wie es wolle. Man wird sehen, wie tatsächlich das Abstimmungsergebnis ausfällt.
Die SC hielt ihrerseits am vergangenen Wochenende ihren Parteikongreß ab. Man wünsche sich als kommende neue Regierung eine "Regenbogenkoalition", ließ man vor der Presse verlauten. Mit wem - denn die SC sieht sich selbst im Zentrum künftigen Geschehens - wurde offen gelassen.
Der vergangene Woche zurückgetretene Minister Aigars Štokenbergs machte noch telefonisch vor seiner Rückkehr nach Lettland den "Magnaten" der Tautas Partija, Andris Šķēle, für seinen Rausschmiß verantwortlich, da sich dessen Familie schrittweise die gesamte Abfallwirtschaft in Riga habe unter den Nagel reißen wollen. Da sei er im Weg gewesen.
Drei Neuigkeiten von den grünen Bauern: im ost-lettischen Rēzekne geriet im Restaurant des besten Hotels der Stadt Saiema-Abgeordneter und Schwergewichtsweltmeister Viktors Ščerbatihs in eine Schlägerei, bei der es Verletzte und Sachschaden gab.
Gegen den bisherigen Parlamentspräsidenten und Vorsitzender der Grünen Partei, Indulis Emsis, wurde ein Kriminalprozeß eröffnet. Er trat von allen Ämtern zurück. Morgen nachmittag muß das Parlament über einen Nachfolger abstimmen - wenn es soweit kommt.
Und der Rechtskonservative Historiker Visvaldis Lācis, der sich vor den vergangenen Parlamentswahlen den grünen Bauern angeschlossen hatte, gab seinen Abschied aus dieser Partei bekannt. Grund: Meinungsverschiedenheiten um den Korruptions-Bekämpfer Loskutovs. Er wird ab sofort als parteiloser Abgeordneter fungieren.Die "Haupt- schlagzeile" lieferte aber (un- freiwillig?) Emsis "rechte Hand", der Grüne Viesturs Silenieks. Er plauderte leutselig Einzelheiten über ein Treffen hochrangiger Parteivertreter aus, das im Mai zur Absprache wegen der Präsidentschaftswahlen stattgefunden haben soll. Ort: der Rigaer Zoo! Teilnehmer seien Regierungschef Kalvitis, Andris Šķēle, der grünbäuerliche Fraktionschef Brigmanis, und ein Vertreter der Vaterlandspartei gewesen sein. "Glücklicherweise können die Tiere ja nicht weitererzählen, was besprochen wurde", so Silenieks süffisant. Am 31.Mai hatten alle Regierungsparteien einmütig den kurzfristig als Kandidaten aus der Taufe gehobenen Arzt Valdis Zatlers zum lettischen Präsidenten gewählt.
Kommentare in den zahlreichen lettischen Internet-Foren dazu: "ja, versteckt euch nur zwischen Meerkatzen und Schweinen, da kann man euch nicht mehr unterscheiden." Oder: "Die nächste Sitzung des Parlaments dann bitte im Zirkus!" Und auch: "Ist doch logisch, dass sich unsere Regierung im Zoo treffen muss. Selbst die Tiere sind noch intelligenter als diese Politiker!"
Das gibt wohl eindeutig die gegenwärtige Stimmung wieder. Aber auch am 31.Mai hatte aller oppositioneller Aktivismus nichts genützt - mal sehen, wie es diesmal ausgeht.
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