Im kommenden Jahr soll der in Lettland festgesetzte Mindestlohn von 120 Lat auf 160 Lat angehoben werden (ca. 240 Euro). Dem Bürgermeister von Riga würde das eine Erhöhung seiner Bezüge um die schöne Summe von 720 Lat bedeuten (ca.1080 Euro). Dies veröffentlichte jetzt das Nachrichtenportal TVNET unter Bezug auf LETA. Wie kommt das zustande?
In Deutschland scheint es gegenwärtig schwer vorstellbar, minimale Löhne festzusetzen - selbst für diejenigen Tätigkeiten und Gewerbe, wo sich offensichtlich verschiedene Anbieter durch immer geringere Lohnzahlungen gegenseitig zu unterbieten versuchen. Deutsche Politiker verweisen dabei gern auf Osteuropa - dort seien Minimallöhne nur deshalb sinnvoll, weil es ja keine umfassenden sozialen Sicherungssysteme gäbe. Das EU-Mitgliedsland Lettland wies bis zum Beitritt Bulgariens und Rumäniens tatsächlich das niedrigste Wohlstandsniveau in der gesamten EU auf. Die "rote Linie" der Mindestlöhne durchziehen aber inzwischen bereits weite Bereiche der Gesellschaft.
Der Bürgermeister von Riga - momentan Janis Birks - bezieht das 18-fache Gehalt des gesetzlich festgelegten Mindestlohns. Sozial abgesichert ist er natürlich trotzdem: viele haben längst private Versicherungen abgeschlossen, Birks selbst ist Mediziner und Mitinhaber eines Klinikkomplexes. Auch der stellvertretende Bürgermeister bekommt noch das 15-fache des Mindestlohns, ein Ausschußvorsitzender im Stadtrat bekommt noch das 11-fache. Gegenwärtig bekommt Birks also 2160 Lat (vor Steuern, d.h. ca. 3240 Euro). Nach einer Erhöhung des Mindestlohns auf 160 Euro würde sein Einkommen auf 2880 Lat steigen.
Auch die Rigaer Ratsmitglieder würden profitieren: ihr Mindesteinkommen ist auf das 4-fache des Mindestlohnes festgelegt, also ab 2008 dann 640 Lat.
Vermutlich würden in Deutschland die Politiker/innen auch entschiedener für einen Mindestlohn eintreten - wenn ihr eigenes Einkommen davon abhängen würde!
Anders als in Deutschland sind allerdings alle lettischen Amtsträger verpflichtet, nicht nur ihr Gehalt, sondern auch ihren Besitz öffentlich zu machen. Auf einer speziell dafür eingerichteten Seite der staatlichen Steuerverwaltung kann jeder (des Lettischen Mächtige) sich Informationen dazu erschließen. Auch zu Janis Birks etwa, der erst kürzlich zum Bürgermeister gewählt wurde und seine Steuererklärung noch als stellvertretender Bürgermeister abgab, sind alle Angaben öffentlich. Etwa diejenigen, dass er Vorstandsmitglied bei seiner Partei "Tevzemei un Brivibai" ist, aber auch beim Sportklub ASK Riga und bei der Verwaltung des Rigaer Freihafens. Er besitzt Land im Bereich des Dorfes Roja, Aktien im Wert von über 300.000 Lat, verfügt über mehr als 20.000 Lat auf vier verschiedene Bankkonten verteilt, und deklarierte 2006 ein Einkommen von über 90.000 Lat, das auch seine Frau Anna, seine Tochter Ilze, seinen Sohn Martins und auch seine Schwester Rudite mit einschließt.
Führen solche Angaben zur Neidgesellschaft? Jedenfalls muss sich Lettland nicht wegen mangelnder Offenheit und Transparenz schämen. Die Tendenz, bei Politikern zusätzliche "schwarze" Einnahmen zu vermuten, wird so schnell sowieso nicht wegzubekommen sein. Dazu sind auch zu viele Leute zu schnell vermögend geworden in diesem Land - während die meisten staunend am Rande stehen bleiben und es nun für alleinig erstrebenswert halten, möglichst schnell ebenfalls zu Geld zu kommen. Schade um die vielen anderen Werte, deren Stärkung für die Gesellschaft und auch für die internationale Zusammenarbeit wichtig wären ...
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