In dritter Lesung hat das lettische Parlament (Saeima) jetzt ein Gesetz zur
St.-Petri-Kirche in Riga verabschiedet. Dem zufolge kann die Kirche nun von einer
Stiftung oder einem Trägerverein übernommen werden, gebildet von der Deutschen
St.Petri-Gemeinde der Ev-Luth-Kirche in Lettland, der Lettische Evangelisch-Lutherische Kirche (Latvijas evaņģēliski luteriskās Baznīca LELB), unter Beteiligung der Stadt Riga und der Katholischen Kirche Lettlands ("Rīgas Svēta Pētera Baznīcas Nodibinājums"). Damit besteht die Hoffnung auf ein Ende dessen, was Architekt Pēteris Blūms auch schon mal einen "schon Jahre andauernden Krieg um die Kirche" nannte (IR). Es war sogar schon einmal die Frage aufgeworfen worden, ob in dieser Frage eine Volksabstimmung abgehalten werden müsse (delfi). Und Ex-Volksfront-Leitfigur Dainis Ivāns hatte eine "Zerstörung die Petrikirche als kreative, offene und freie Kulturkirche" befürchtet (labdien / delfi).
Millionen aus Berlin
"Im Herbst 2020 gab es einen Beschluss des Deutschen Bundestags zur Petri-Kirche. Demnach wird das Projekt mit 33,58 Millonen Eurio unterstützt, und wir denken, dass diese Summe ausreichend sein wird" sagt Stefan Meissner, Beauftragter der evangelischen Synodalkommission für die Angelegenheiten der St. Petrikirche, in einem Interview für die lettische "Neatkarīga". "Aber die Petrikirche wird auch in neuer Eigentümerschaft keine geschlossene Einrichtung sein", bekräftigt Meissner. "Neben der Funktion als sakrales Gebäude wird auch die Rekonstruktion einer großen Barockorgel vorangetrieben. Und für Rigas Gäste bleibt die Funktion als touristisches Objekt erhalten."
Vieles wartet bei der Kirche gegenwärtig auf Erledigung: Das Brandschutzsystem funktioniert nicht, der Turmaufzug befindet sich im Notzustand, es gibt kein Entwässerungssystem rund um die Kirche, und das Wetter hat erhebliche Schäden an den Fenstern und anderen baulichen Details verursacht.
Bürgerkirche, Kulturkirche, deutsche Kirche?
Nachdem die Kirche, deren Existenz schon 1209 in den Chroniken nachzuweisen ist, am 29. Juni 1941 während des Kriegs durch Beschuß in Brand geraten war (nicht ohne gegenseitige Schuldzuweisungen durch Nazis und Rote Armee) erfolgte der Wiederaufbau des Turms 1968 bis 1973, zu Sowjetzeiten (die Arbeiten an der übrigen Kirche dauerten bis 1984). Der Dachstuhl ist nun aus Eisen gefertigt, und die barocke Turmspitze ähnelt nun z.B. der Hamburger St.Katherinenkirche. Es wurde unter anderem ein elektrischer Aufzug eingebaut, der Besucher/innen zu einer Aussichtsplattform im Turm auf 72m Höhe bringt - eine der touristischen Attraktionen der Stadt. Somit entstand auch das Gefühl vieler Menschen: dieses Gebäude gehört allen Bürger/innen Rigas. Damals war man stolz darauf, die Turmbesichtigung genau am 29. Juni 1973 wieder freigeben zu können. Das Kircheninnere wurde zum Platz für Ausstellungen und Konzerte.
Nicht ganz unwichtig, wenn es um die ev.luth. Kirche geht: lettisch-deutsche Differenzierungen (deutsche Sprachfassung) |
Abkürzungswirrwarr - lettische Sprachfassung |
Stichtage, Zeitenwenden
Allerdings berief sich die Kritik an den kürzlichen Beschlüssen auch darauf, dass für die wichtigsten heutigen Gesetzesregelungen in Lettland sonst immer der 17. Juni 1940, der Tag der Besetzung des Landes durch die sowjetische Rote Armee, das entscheidende Datum war. Alles, was bis dahin in Lettland Bestand hatte, sollte wieder hergestellt werden können, so zum Beispiel auch Erteilung der Staatsbürgerschaft an alle Personen und deren Nachkommen, die zu diesem Datum damals Staatsbürger/innen waren. Zu diesem Datum sei aber die Umsiedlung der Deutschbalten längst abgeschlossen gewesen, die Petrikirche also in Verwaltung durch den lettischen Staat bzw. die lettische Kirche gewesen. Für eine "Rückgabe" an eine deutsche Kirchengemeinde bestehe also keinerlei rechtliche Grundlage. Zumal diese erst 2001 neu gegründete "deutsche St.Petri-Kirchengemeinde", die jetzt Haupt-Vertragspartner werden soll (und sich 2018 umbenannte in "Vācu Svētā Pētera draudze"), nur sehr wenige Mitglieder hat. Dennoch soll, den Worten von Stefan Meissner zufolge, im Trägerverein (lett. "nodibinājums", eine Art Stiftung) diese deutsche Gemeinde die Mehrzahl der Mitglieder stellen (die Lettische Ev.Luth.-Kirche die Minderheit) (NRA). Für eine solche Variante habe sich auch schon Staatspräsident Raimonda Vējonis gegenüber Kanzlerin Merkel eingesetzt, so Meissner. Es gab Kritik von lettischer Seite, die behauptete, somit könne "ein Ausländer" (nämlich Meissner) faktisch allein das Schicksal der Kirche bestimmen (Labdien).
Eigentum verpflichtet
Der lettische Gesetzgeber hat jetzt also entschieden. Die künftig Verantwortlichen warten derzeit schon ungeduldig auf das Inkrafttreten des frisch beschlossenen Gesetzes. Das wird nach Ablauf einer dreimonatige Frist zum
1. Juli der Fall sein, bis dahin muss die Stadt Riga alle administrativen und rechtlichen
Details regeln und die Änderungen im Grundbuch vornehmen. Erst am 26. März hätten stürmische Winde beinahe einen Teil des Kirchendachs weggerissen, erläutert Kaspars Upītis, Pressesprecher der LELB (NRA). Auch sind einige Einzelheiten zum geplanten Trägerverein (Stiftung), welche die Petrikirche verwalten soll, noch zu klären - dort soll die lettische ev.luth. Kirche, die deutsche Petri-Gemeinde, die Stadtverwaltung Riga und auch die Katholische Kirche ein Wort mitzureden haben.
Vorgesehen ist außerdem, dass die Kirche sich zusammen mit der Stadt Riga in Zukunft jährlich auf einen Veranstaltungsplan für die Petrikirche einigen soll. Für wichtige Ereignisse soll die Stadt die Kirchenräume kostenfrei nutzen können dürfen.
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