13. Februar 2022

Der Chefkoch tritt ab

Auch wenn in deutschsprachigen Fernsehsendungen die Leckereien auf dem Rigaer Großmarkt vorgestellt werden sollten, trat er schon mal in Aktion; für Lettinnen und Letten war er die Verkörperung guten Essens, und auch bei der lettischen "Slow-Food"-Bewegung war er einer der Mitbegründer: Mārtiņš Rītiņš.

Aufgewachsen in einer exillettischen Familie, machte er 1971 seinen Abschluss an der Westminster Technical School in London und arbeitete dann bis Anfang der 1990er Jahre für verschiedene Catering-Unternehmen der Hotelkette Grand Metropolitan Hotels. Von 1984 bis 1992 war er Inhaber von Martins Catering Ltd in Toronto.

1993 kam Rītiņš nach Lettland, eröffnete das für seine Zeit legendäre Restaurant "Vincents" nahe der Altstadt, das er bis 2017 führte. Ab 1995 war er dann mit "Kas var būt labāks par šo?" ("Was kann besser als das hier sein) auch im Fernsehen zu sehen. Mit dem Motto "Jedes Mārtiņš-Rezept ist eine Hymne der Freude" - reiste er um die Welt und ermunterte seine lettischen Landleute auch mal neue Geschmacksrichtungen zu probieren. "Ich lade euch ein nicht nur zu essen, sondern zu genießen!" war einer seiner bekannten Sprüche. Seit 2018 lief auch bei LNT ""Tuč, tuč Rītiņš" (Jauns.lv) Und als Lettland sich 2015 auf der Grünen Woche präsentierte war auch Lettlands Chefkoch natürlich dabei (Gourmetwelten).

"Als ich 1993 in Riga ankam", erzählte er einmal in einem Interview, "da aßen alle nur regionale Produkte. Aber als dann die Supermärkte eröffneten, da rannten plötzlich alle um die Produkte aus dem Westen zu kaufen." (LA) Aber er erzählt auch von einer anderen Art "Kulturschock": überrascht von der in Lettland damals herrschenden Arbeitsauffassung habe er zunächst mal eine Kochschule gründen wollen (baltictravelnews). 

Rītiņš besuchte Wochenmärkte, lernte kleine Bauernhöfe und Erzeuger verschiedener lokaler Spezialitäten kennen. Immer auf der Suche nach "dem besten Produkt" - weder bei lettischer Butter noch bei Kartoffeln aus Lettland sei es ihm gelungen die Sorte zu finden, die er suche. Allerdings seien andererseits auch Neunaugen in Lettland unübertrefflich, ebenso wie das Fleisch von Wildschweinen. Lettland habe auch fantastisch gute Erdbeeren anzubieten, schwärmte Rītiņš, und natürlich Roggenbrot.

Boris Jelzin, George Bush oder auch Königin Elisabeth hat er bekocht - aber wenn er es für nötig hielt melkte er die Kuh auch schon mal selbst. Rītiņš war keinerlei Geschmacksexperimenten abgeneigt, er kreierte eigenes Heringseis und diskutierte mit lettischen Jägern mögliche Zubereitungsarten eines Biberschwanzes (Diena). Zur Entspannung betrieb er Ajurveda, Nordic Walking, Rudern, oder ging öfters mal mit seinen beiden Hunden spazieren.

Erst vor wenigen Wochen war ein Buch über Mārtiņš Rītiņš erschienen - wer also noch nicht alle Fragen über dessen Leben beantwortet hat, wird hier vielleicht geeignete Lektüre finden (zvaigzne). Rītiņš bekennt sich darin sowohl zu seiner Homosexualität, wie auch dazu, einige Jahre alkoholabhängig gewesen zu sein. (LA / Jauns). Mārtiņš Rītiņš starb am 11. Februar 2022 an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung (tvnet).

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