Außenminister Rinkēvičs und Rigas Bürger Staķis höchstselbst sahen sich zum Flaggentausch veranlasst |
Nun kann Wladimir Makej, Außenminister von Lukashenkos Gnaden, endlich wieder die Alleinherrschaft über die staatlich gelenkten Medien ausüben: "staatlicher Vandalismus" ist, seiner Aussage nach, nicht etwa die Kampfjet-Zwangslandung, sondern der Flaggenwechsel in Riga gewesen (Sport1). Leider wolle nicht jeder auf die Argumente aus Lukashenko-Kreisen hören, bedauert Makej, und sieht seinerseits die "Unabhängigkeit von Belarus" vom Westen bedroht. Lukashenko selbst sieht "Neonazis" am Werk, deshalb habe er "hart durchgegriffen" (belta.by).
Bei allen Spekulationen, warum nun Lukashenko die ganze Aktion gerade jetzt durchzog, fehlt wohl das Argument "wegen der geklauten Eishockey-WM". Lukashenko ist ja ausgewiesener Eishockey-Fan, und schließlich hängen auch die Flaggen der Teilnehmerländer nicht irgendwo, sondern vor dem Hotel, wo alle Mannschaften - also auch die von Belarus - untergebracht sind. Nach dem öffentlichen "Flaggenwechsel" vom 24. Mai klagte Lukashenko übrigens wegen "schüren von nationalem Hass" (lsm): Die Vokabeln, mit denen auch im Westen argumentiert wird, kennt er offenbar - nur erscheinen sie umgedreht, nur für jene mit Sinn erfüllt, die an die Seinsberechtigung von brutalen Diktatoren glauben.
"Als wir dann doch um 21.25 Uhr in Vilnius landeten, wurden wir dort mit Applaus und einer Rede der Regierungschefin Simonaityte empfangen," zeigt sich Jānis Zviedris, einer der lettischen Reisenden auf dem Weg von Athen nach Vilnius beeindruckt. "Aber RYANAIR hat auch uns, den gestressten Passagieren, in Vilnius kein Hotel oder sowas angeboten; eine kurze Entschuldigung, das war alles." (IR)
Die lettische Öffentlichkeit scheint verunsichert und beunruhigt. Laut schimpfen die einen auf diejenigen im Westen, die "von Mördern Gas beziehen". Die internationalen Eishockey-Funktionäre dagegen scheinen sich einig: als Flaggentausch-Gegner entpuppte sich Rene Fasel, Chef des Internationalen Eishockeyverbandes. Er verwies auf die vorangegangenen Diskussionen mit der lettischen Regierung, als es um die Verlegung der WM von Belarus nach Riga ging: man habe zugesichert, dass belarussische Team zu schützen, und das Ereignis nicht politisch zu verwerten (lsm). Und der NZZ verriet Fasel, dessen Amtszeit nach 27 Jahren jetzt endet: "Es ist richtig, dass ich ein Freund der Russen bin." Da scheint es konsequent, wenn er nun sogar forderte, den Rigaer Flaggentausch wieder rückgängig zu machen (nau.ch). Der schweizer Tagesanzeiger prognostiziert als nächsten Arbeitsort für Fasel sogar: Moskau oder Peking. Und auch der deutsche Verbandspräsident Reindl hat offenbar noch Sorgen zum seine weitere (internationale) Karreie, und schloss sich Fasels Flaggenwünschen an (FAZ)
Rigas Bürgermeister Mārtiņš Staķis, der als einziger seiner lettischen Amtskolleg/innen gegenwärtig nicht im Kommunalwahlkampf steckt, empfiehlt Lukashenko dagegen den Menschenrechtsgerichtshof in Den Haag, wenn er weitere Fragen habe. Lukashenko hatte seinerseits alle lettischen Botschaftsmitarbeiter/innen bereits des Landes verwiesen (Tagesschau) - und die deutsche Botschaft in Minsk bemühte sich promt um Solidarität mit den lettischen Kolleg/innen.
Und als Reaktion auf die Stellungnahme Fasels entschied Bürgermeister Staķis nun, auch die IIHF-Flagge gegen die Flagge der Stadt Riga auszutauschen (lsm).
Hitziges Klima in Riga also. Wir möchten uns dennoch der offenbar populären Rechthaberei nicht anschließen - und bauen den Flaggenmast vor unseren Privathäusern wieder ab. Ob es ausreichen wird, Demokratie und Selbstbestimmung eine erfolgreiche Zukunft zu wünschen? Eigentlich geht es ja "nur um Sport" - aber es bleibt die Hoffnung, dass auch ein friedliches Zusammenleben der Völker und Nationen weiter möglich sein wird.
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