Aber noch eines ist, beim zweiten Blick, auffällig. Zunächst scheint es keine Wahl gewesen zu sein, die für die Frauen besonders gut ausging: nur 18 der 60 Stadtratssitze gewannen Kandidatinnen - das sind 30%, und da tröstet auch nicht der Blick auf die Wahl 2017, als es nur 16 Frauen zu einem Stadtratssitz schafften. Jetzt, im neu gewählten "Rigas Dome" werden sogar zwei der sieben erfolgreichen Parteien ganz ohne weibliche Unterstützung ihre Plätze einnehmen: "Gods kalpot Rigai" GKR mit 5 Männern, und die "Latvijas Krievu savienība" LKS mit 4 Männern. Die GKR ist gleichzeitig diejenige Partei, wo schon 36,6% aller aufgebotenen Kandidat*innen über 60 Jahre alt waren.
Zwei weitere der neuen Fraktionen zeigen deutliche Defizite bei weiblichen Mitgliedern: bei der "Saskaņa" werden lediglich zwei der zwölf Abgeordneten Frauen sein - und die Partei hatte auch schon bei der Kandidat*innenliste mit nur 23,8% Frauen dort den niedrigsten Anteil. Die "Jaunā konservatīvā partija JKP wiederum bat mit Linda Ozola als einzige Partei eine weibliche Spitzenkandidatin auf - die sich öffentlich persönliche Attacken gegen ihre Person gefallen lassen musste, und mit 6,39% wohl ein deutlich schlechteres Ergebnis für ihre Partei einfahren konnte als erwartet. Aus ihrer eigenen Partei war nur wenig zu ihrer Verteidigung zu hören, und es wird abzuwarten sein, ob sie sich als Frontfigur ihrer Partei im Stadtrat halten kann.
Nun aber zu den Siegerinnen. Völlig aus dem Gesamtbild heraus fällt das Ergebnis für die "Attīstībai/par!" A/P, die mit Mārtiņš Staķis wohl auch den zukünftigen Bürgermeister stellen werden. Die Partei hat 18 Sitze im Stadtrat errungen - zehn davon werden Frauen einnehmen! Das heißt: von 18 Frauen im zukünftigen Stadtrat, bei sieben verschiedenen Fraktionen, gehören bereits 10 Frauen zu nur einer Partei. Dazu kommt ein zweiter Faktor: Ganze 61,9% der Kandidat*innen dieser Partei waren Menschen in einem Alter unter 40 Jahren (hier ist die "Jauna Vienotība JV" mit 47,6% die nächst folgende, alle anderen Parteien liegen hier etwa zwischen 25% und 39%). Wenn wir also annehmen, dass JV und A/P zusammen mit 28 von 60 Sitzen einen starken Kern der zukünftigen Stadtratskoalition bilden werden, dann wird hier wohl auch ganz stark auf eine neue, junge Generation gesetzt.
39 der 60 Delegierten werden neu im Stadtrat sein (LETA). Der größte Anteil "alter Gesichter" liegt hier, trotz des starken Stimmenrückgangs, bei der "Saskaņa", wo sechs von zehn "alte Genoss*innen" sind.
Die neue Stadtregierung wird aber, trotz des offenbar frischen Schwungs der jungen Generation, die meisten Rigenser*innen noch überzeugen müssen - mit praktischer Arbeit. Wenn 60% der Wahlberechtigten nicht zur Wahl gehen, kann das ja nicht nur an irgend einer "Corona-Müdigkeit" liegen. Und weiterhin wird die "Attīstībai/Par!" daran arbeiten müssen, mit der JKP oder / und den Rechtsaußen der "Visu Latvijai!" ("Alles für Lettland") ein Koalitioinsagreement zu finden, das offentlichtliche klare Gegensätze in der Programmatik nicht zu frühen Sprengsätzen werden läßt.
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