13. Oktober 2019

Frau Krampa auf Reisen

Zweimal wurden in Lettland in den vergangenen Jahren traditionelle Wollhandschuhe in größerer Anzahl verteilt: am 18. November 2018, als Geschenk an alle Neugeborenen dieses Tages, dem 100.Geburtstag Lettlands (lv100.lv). Noch bekannter aber war die Wollhandschuh-Aktion von 2006, als alle Teilnehmer/innen des ersten NATO-Treffens auf dem Gebiet eines Ex-Sowjetstaates zwei Stück Kunsthandwerk in Geschenkschachtel erhielten - 4500 Paare Wollhandschuhe. "Der Handschuh ist nicht nur ein rituelles Objekt, sondern stellt alle wichtigen Momente unseres Lebens dar" - so formulierte es die Kampagne "Lettland100".

Welche Gastgeschenke Annegret Kramp-Karrenbauer (Annegrēta Krampa-Karrenbauere), Deutschlands "Greta" also, diesmal in Riga überreicht worden sind, ist nicht überliefert. Ein wenig fühlen wir uns erinnert an den Besuch des lettischen Präsidenten Vejonis zu Anfang diesen Jahres: in Deutschland muss er erst noch seinen Namen bekannt machen, in Lettland wurde längst über seine Nachfolge diskutiert (Blogbeitrag).

Jedenfalls ist "AKK" in Lettland noch nicht in erster Linie als potentielle Nachfolge-Angela auf dem Schirm. Seit 2006 veranstalten die lettischen Gastgeber jetzt den "Riga Summit", und legen das Thema "Sicherheit" auch bedeutend weiter aus, als es die deutsche Regierungssichtweise gerne hätte - während für Kramp-Karrenbauer schon die Stationierung deutscher Soldaten in Litauen als Nachweis für "Deutschland übernimmt Verantwortung" läuft (siehe Ministerium),

Während die deutsche Ministerin betont, der "größte Truppensteller" zu sein, und herausstellte, das deutsche "Engagement" in Litauen sei "nicht zeitlich begrenzt", tauchen in der lettischen Berichterstattung zunächst ganz andere Themen auf. "Deutsche Ministerin: Nord-Stream ist wohl nicht mehr zu stoppen", schreibt lsm. Auch Kramp-Karrenbauers Befürwortung einer Erhöhung des deutschen Beitrags zu NATO in Richtung der 2% findet überall Erwähnung; "so wie es auch Trump fordert", schreibt lsm. In sofern ist es konsequent, dass die deutsche "FAZ" in ihrem Betrag betont, "drüben werde mitgehört" - gemeint sind hier allerdings eher die Fake-News-Produzenten auf russischer Seite.

Medial läuft die deutsche "Versicherungsministerin" auch am zweiten Konferenztag dem Kanzlerthema hinterher - in Person der in den lettischen Medien gern immer wieder gezeigten grinsenden Begeisterung von Ex-Kanzler Schröder, mit der er seinen lupenreinen-Demokraten-Freund Putin in den Arm nimmt (Panorāma). Diese Zusammenarbeit - und damit wieder beim Thema Nord-Stream angekommen - scheint den lettischen Medien immer noch um einiges gewichtiger zu sein als "Frau Krampa" in Riga.

Auch der US-Präsident war ja zuletzt durch "Strickmoden" aufgefallen: sein kurdisches Muster nach dem Motto "Einen links, einen rechts, einen fallen lassen" erzeugt nicht überall Begeisterung. Aus der lettischen Perspektive ist nicht nur deshalb die Frage der Zuverlässigkeit von NATO-Zusagen um einiges gewichtiger als mögliches Interesse für die Feinheiten deutscher Innenpolitik. Auch am 4. Februar 2019 hielt sich eine deutsche Verteidigungsministerin schon einmal zu einem Besuch in Riga auf - um kurz danach auf völlig anderem Gebiet Schlagzeilen zu machen. Wie lange wird Kramp-Karrenbauer den Militärs erhalten bleiben? Bisher wirkt vieles eher als "Ministerin der Ausflüchte". Erneut auf das Nord-Stream-Projekt angesprochen, ein AKK-Zitat: "Unter Leitung von Kanzlerin Merkel versucht die gegenwärtige Regierung in Gesprächen zu erreichen, dass die Sicherheitsinteressen der Ukraine und anderer Staaten beachtet werden. Aber wenn man insgesamt betrachtet, wie weit das Projekt schon entwickelt ist, da ist ein Abbruch ziemlich unrealistisch." (bnn)

Vielleicht gibt es da also doch Gemeinsamkeiten von Sicherheitslage und deutscher Innenpolitik: Kramp-Karrenbauer als das Modell "lass weiterlaufen, was einmal so schön am Laufen ist." Was sich daraus für die Sicherheitslage Lettlands und der baltischen Staaten ergibt - vermutlich wird Deutschland hier nicht der entscheidende Faktor sein. In wenigen Tagen wird der ukrainische Präsident Zelenski in Riga erwartet.

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